Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite
von Swifts letztem Willen.

Herr Dewlapp Esq. hat einen so wunderbaren
Charakter, daß ich lange Zeit nicht errathen kön-
nen, was er eigentlich sey; endlich habe ich es her-
ausgebracht, daß er ein Narr ist. Jn seiner Ju-
gend war er der lüderlichste Junker in der ganzen
Grafschaft. Dieses hinderte ihn, die geringste
Kenntniß von der Religion oder von andern Wissen-
schaften zu erlangen. Jtzt wird er in seinem drey
und vierzigsten Jahre seyn, und er hat in seinem
ganzen Leben noch nichts gelesen, als die geschrieb-
nen Zeddel, welche ihm sein Koch alle Mittage
bringt. Wer ihn vor der Mahlzeit spricht, so lan-
ge noch seine Natur sich selbst gelassen ist, der er-
staunt über seine Dummheit, denn er ist nicht im
Stande, drey vernünftige Worte ohne Anstoß zu
reden. So bald ihm aber der Wein in den Kopf
steigt, und dieses geschieht schon beym andern Ge-
richte: So sieht man den Herrn Dewlapp in sei-
ner völligen Größe. Auf einmal wird er beredt;
sein ganzer Körper denkt, und niemand hat es als-
dann schlimmer, als sein Capellan. Dieser ist ihm
lächerlich, weil er ein Geistlicher ist, denn ihm
kömmt nichts abgeschmackter vor, als die Reli-
gion. Er läuft von Witze über, wenn er auf die
göttlichen Wahrheiten zu reden kömmt, und
bringt man ihn auf den Zustand der Seele nach die-
sem Leben, so weis er über diese Materie auf eine
so feine Art zu spotten, wie ein Lohnkutscher. Herr
Dewlapp weis gar nichts, und daher kömmt es
auch, daß er nicht weis, was er aus der Selig-

keit
Q 4
von Swifts letztem Willen.

Herr Dewlapp Eſq. hat einen ſo wunderbaren
Charakter, daß ich lange Zeit nicht errathen koͤn-
nen, was er eigentlich ſey; endlich habe ich es her-
ausgebracht, daß er ein Narr iſt. Jn ſeiner Ju-
gend war er der luͤderlichſte Junker in der ganzen
Grafſchaft. Dieſes hinderte ihn, die geringſte
Kenntniß von der Religion oder von andern Wiſſen-
ſchaften zu erlangen. Jtzt wird er in ſeinem drey
und vierzigſten Jahre ſeyn, und er hat in ſeinem
ganzen Leben noch nichts geleſen, als die geſchrieb-
nen Zeddel, welche ihm ſein Koch alle Mittage
bringt. Wer ihn vor der Mahlzeit ſpricht, ſo lan-
ge noch ſeine Natur ſich ſelbſt gelaſſen iſt, der er-
ſtaunt uͤber ſeine Dummheit, denn er iſt nicht im
Stande, drey vernuͤnftige Worte ohne Anſtoß zu
reden. So bald ihm aber der Wein in den Kopf
ſteigt, und dieſes geſchieht ſchon beym andern Ge-
richte: So ſieht man den Herrn Dewlapp in ſei-
ner voͤlligen Groͤße. Auf einmal wird er beredt;
ſein ganzer Koͤrper denkt, und niemand hat es als-
dann ſchlimmer, als ſein Capellan. Dieſer iſt ihm
laͤcherlich, weil er ein Geiſtlicher iſt, denn ihm
koͤmmt nichts abgeſchmackter vor, als die Reli-
gion. Er laͤuft von Witze uͤber, wenn er auf die
goͤttlichen Wahrheiten zu reden koͤmmt, und
bringt man ihn auf den Zuſtand der Seele nach die-
ſem Leben, ſo weis er uͤber dieſe Materie auf eine
ſo feine Art zu ſpotten, wie ein Lohnkutſcher. Herr
Dewlapp weis gar nichts, und daher koͤmmt es
auch, daß er nicht weis, was er aus der Selig-

keit
Q 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div>
            <pb facs="#f0247" n="247"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">von Swifts letztem Willen.</hi> </fw><lb/>
            <p>Herr <hi rendition="#fr">Dewlapp E&#x017F;q.</hi> hat einen &#x017F;o wunderbaren<lb/>
Charakter, daß ich lange Zeit nicht errathen ko&#x0364;n-<lb/>
nen, was er eigentlich &#x017F;ey; endlich habe ich es her-<lb/>
ausgebracht, daß er ein Narr i&#x017F;t. Jn &#x017F;einer Ju-<lb/>
gend war er der lu&#x0364;derlich&#x017F;te Junker in der ganzen<lb/>
Graf&#x017F;chaft. Die&#x017F;es hinderte ihn, die gering&#x017F;te<lb/>
Kenntniß von der Religion oder von andern Wi&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
&#x017F;chaften zu erlangen. Jtzt wird er in &#x017F;einem drey<lb/>
und vierzig&#x017F;ten Jahre &#x017F;eyn, und er hat in &#x017F;einem<lb/>
ganzen Leben noch nichts gele&#x017F;en, als die ge&#x017F;chrieb-<lb/>
nen Zeddel, welche ihm &#x017F;ein Koch alle Mittage<lb/>
bringt. Wer ihn vor der Mahlzeit &#x017F;pricht, &#x017F;o lan-<lb/>
ge noch &#x017F;eine Natur &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t gela&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t, der er-<lb/>
&#x017F;taunt u&#x0364;ber &#x017F;eine Dummheit, denn er i&#x017F;t nicht im<lb/>
Stande, drey vernu&#x0364;nftige Worte ohne An&#x017F;toß zu<lb/>
reden. So bald ihm aber der Wein in den Kopf<lb/>
&#x017F;teigt, und die&#x017F;es ge&#x017F;chieht &#x017F;chon beym andern Ge-<lb/>
richte: So &#x017F;ieht man den Herrn <hi rendition="#fr">Dewlapp</hi> in &#x017F;ei-<lb/>
ner vo&#x0364;lligen Gro&#x0364;ße. Auf einmal wird er beredt;<lb/>
&#x017F;ein ganzer Ko&#x0364;rper denkt, und niemand hat es als-<lb/>
dann &#x017F;chlimmer, als &#x017F;ein Capellan. Die&#x017F;er i&#x017F;t ihm<lb/>
la&#x0364;cherlich, weil er ein Gei&#x017F;tlicher i&#x017F;t, denn ihm<lb/>
ko&#x0364;mmt nichts abge&#x017F;chmackter vor, als die Reli-<lb/>
gion. Er la&#x0364;uft von Witze u&#x0364;ber, wenn er auf die<lb/>
go&#x0364;ttlichen Wahrheiten zu reden ko&#x0364;mmt, und<lb/>
bringt man ihn auf den Zu&#x017F;tand der Seele nach die-<lb/>
&#x017F;em Leben, &#x017F;o weis er u&#x0364;ber die&#x017F;e Materie auf eine<lb/>
&#x017F;o feine Art zu &#x017F;potten, wie ein Lohnkut&#x017F;cher. Herr<lb/><hi rendition="#fr">Dewlapp</hi> weis gar nichts, und daher ko&#x0364;mmt es<lb/>
auch, daß er nicht weis, was er aus der Selig-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Q 4</fw><fw place="bottom" type="catch">keit</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[247/0247] von Swifts letztem Willen. Herr Dewlapp Eſq. hat einen ſo wunderbaren Charakter, daß ich lange Zeit nicht errathen koͤn- nen, was er eigentlich ſey; endlich habe ich es her- ausgebracht, daß er ein Narr iſt. Jn ſeiner Ju- gend war er der luͤderlichſte Junker in der ganzen Grafſchaft. Dieſes hinderte ihn, die geringſte Kenntniß von der Religion oder von andern Wiſſen- ſchaften zu erlangen. Jtzt wird er in ſeinem drey und vierzigſten Jahre ſeyn, und er hat in ſeinem ganzen Leben noch nichts geleſen, als die geſchrieb- nen Zeddel, welche ihm ſein Koch alle Mittage bringt. Wer ihn vor der Mahlzeit ſpricht, ſo lan- ge noch ſeine Natur ſich ſelbſt gelaſſen iſt, der er- ſtaunt uͤber ſeine Dummheit, denn er iſt nicht im Stande, drey vernuͤnftige Worte ohne Anſtoß zu reden. So bald ihm aber der Wein in den Kopf ſteigt, und dieſes geſchieht ſchon beym andern Ge- richte: So ſieht man den Herrn Dewlapp in ſei- ner voͤlligen Groͤße. Auf einmal wird er beredt; ſein ganzer Koͤrper denkt, und niemand hat es als- dann ſchlimmer, als ſein Capellan. Dieſer iſt ihm laͤcherlich, weil er ein Geiſtlicher iſt, denn ihm koͤmmt nichts abgeſchmackter vor, als die Reli- gion. Er laͤuft von Witze uͤber, wenn er auf die goͤttlichen Wahrheiten zu reden koͤmmt, und bringt man ihn auf den Zuſtand der Seele nach die- ſem Leben, ſo weis er uͤber dieſe Materie auf eine ſo feine Art zu ſpotten, wie ein Lohnkutſcher. Herr Dewlapp weis gar nichts, und daher koͤmmt es auch, daß er nicht weis, was er aus der Selig- keit Q 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/247
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/247>, abgerufen am 23.11.2024.