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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

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Mylord,

Jch bin zeither nicht im Stande gewesen, Jhnen
die verlangte Nachricht von einigen besondern
Umständen des swiftischen Testaments zu geben.
Nunmehr habe ich Gelegenheit gefunden, von al-
lem nähere Nachricht einzuziehen, und ich hoffe,
ihre Neugierigkeit dadurch befriedigen zu können.

Es ist allerdings wahr, daß unser Swift zwölf-
tausend Pfund Sterlings zu Errichtung eines neuen
Tollhauses ausgesetzt hat. Die Nachricht von die-
sem löblichen Vorhaben war schon vor seinem Tode
bekannt; aber die Meisten machten sich, wie auch
Sie, Mylord, selbst gethan haben, unrichtige Be-
griffe von dieser mildreichen Stiftung. Sie glaub-
ten, dieses Geld sey zur Verwahrung, und zum
Unterhalte physikalischer Narren bestimmt, welche
klug seyn würden, wenn ihr Körper nicht ungesund,
und ihr Geblüte nicht verderbt wäre: Allein, hier-
innen betrog sich unsre ganze Stadt.

Swift, dessen Charakter sie wohl gekannt ha-
ben müssen, beschäfftigte sich in seinem Leben nie-
mals mit dieser Art leiblicher Narren, welche er
vielmehr der Vorsorge des Magistrats, und den
Händen der Aerzte und Barbierer überließ. Sei-
ne Bemühung war von einem viel weitern Um-
fange, und weit edler.

Die
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Mylord,

Jch bin zeither nicht im Stande geweſen, Jhnen
die verlangte Nachricht von einigen beſondern
Umſtaͤnden des ſwiftiſchen Teſtaments zu geben.
Nunmehr habe ich Gelegenheit gefunden, von al-
lem naͤhere Nachricht einzuziehen, und ich hoffe,
ihre Neugierigkeit dadurch befriedigen zu koͤnnen.

Es iſt allerdings wahr, daß unſer Swift zwoͤlf-
tauſend Pfund Sterlings zu Errichtung eines neuen
Tollhauſes ausgeſetzt hat. Die Nachricht von die-
ſem loͤblichen Vorhaben war ſchon vor ſeinem Tode
bekannt; aber die Meiſten machten ſich, wie auch
Sie, Mylord, ſelbſt gethan haben, unrichtige Be-
griffe von dieſer mildreichen Stiftung. Sie glaub-
ten, dieſes Geld ſey zur Verwahrung, und zum
Unterhalte phyſikaliſcher Narren beſtimmt, welche
klug ſeyn wuͤrden, wenn ihr Koͤrper nicht ungeſund,
und ihr Gebluͤte nicht verderbt waͤre: Allein, hier-
innen betrog ſich unſre ganze Stadt.

Swift, deſſen Charakter ſie wohl gekannt ha-
ben muͤſſen, beſchaͤfftigte ſich in ſeinem Leben nie-
mals mit dieſer Art leiblicher Narren, welche er
vielmehr der Vorſorge des Magiſtrats, und den
Haͤnden der Aerzte und Barbierer uͤberließ. Sei-
ne Bemuͤhung war von einem viel weitern Um-
fange, und weit edler.

Die
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[233/0233] Mylord, Jch bin zeither nicht im Stande geweſen, Jhnen die verlangte Nachricht von einigen beſondern Umſtaͤnden des ſwiftiſchen Teſtaments zu geben. Nunmehr habe ich Gelegenheit gefunden, von al- lem naͤhere Nachricht einzuziehen, und ich hoffe, ihre Neugierigkeit dadurch befriedigen zu koͤnnen. Es iſt allerdings wahr, daß unſer Swift zwoͤlf- tauſend Pfund Sterlings zu Errichtung eines neuen Tollhauſes ausgeſetzt hat. Die Nachricht von die- ſem loͤblichen Vorhaben war ſchon vor ſeinem Tode bekannt; aber die Meiſten machten ſich, wie auch Sie, Mylord, ſelbſt gethan haben, unrichtige Be- griffe von dieſer mildreichen Stiftung. Sie glaub- ten, dieſes Geld ſey zur Verwahrung, und zum Unterhalte phyſikaliſcher Narren beſtimmt, welche klug ſeyn wuͤrden, wenn ihr Koͤrper nicht ungeſund, und ihr Gebluͤte nicht verderbt waͤre: Allein, hier- innen betrog ſich unſre ganze Stadt. Swift, deſſen Charakter ſie wohl gekannt ha- ben muͤſſen, beſchaͤfftigte ſich in ſeinem Leben nie- mals mit dieſer Art leiblicher Narren, welche er vielmehr der Vorſorge des Magiſtrats, und den Haͤnden der Aerzte und Barbierer uͤberließ. Sei- ne Bemuͤhung war von einem viel weitern Um- fange, und weit edler. Die P 5

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/233>, abgerufen am 24.11.2024.