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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

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zum deutschen Wörterbuche.
ten, wenn sie nicht die Geschicklichkeit besäßen, zum
Verdrusse der halben Stadt auf die geschäfftigste
Art nichts zu thun. Dieses ist die Auslegung,
welche mein Freund von der Fabel macht. Wie
weit sie gegründet sey, will ich nicht untersuchen.
Recht wahrscheinlich kömmt sie mir freylich nicht
vor. Sie klingt mir gar zu deutsch, und an statt,
daß ich bey deren Erzählung mit meinen Gedanken
in Rom seyn sollte: So verliere ich mich unvermerkt
in meiner Vaterstadt, und sehe auf dem Rathhause
und auf dem Markte, eine Menge junger Müßig-
gänger herum laufen, welche vor großer Beschäffti-
gung, nichts zu thun, keichen. Gesetzt auch, es
sey eine allegorische Erzählung, so kann ich doch
nicht errathen, warum Phädrus eben nur eine ge-
wisse Art junger Advocaten gemeynt habe? Könnte
es denn nicht eben so wohl auf die jungen Aerzte ge-
hen? Wenigstens kenne ich einen, welcher so ängst-
lich durch die Gassen läuft, als wenn ihn die Seelen
der Verstorbnen verfolgten, welche an seinen Pil-
len haben ersticken müssen. Er thut so unruhig,
als wenn er die halbe Stadt zu einem methodischen
Ende zubereiten müßte. Oft besteht seine große
Arbeit in weiter nichts, als daß er einen Hund auf-
sucht, ihn zu würgen, oder Rhabarbar holt, um
eine Frau zu curiren, welche der Mann durch seine
Vermittelung los zu werden sucht. Dieses sind
meine Zweifel, welche ich über die eigentliche Be-
deutung der Erzählung aus dem Phädrus habe.

Meine
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zum deutſchen Woͤrterbuche.
ten, wenn ſie nicht die Geſchicklichkeit beſaͤßen, zum
Verdruſſe der halben Stadt auf die geſchaͤfftigſte
Art nichts zu thun. Dieſes iſt die Auslegung,
welche mein Freund von der Fabel macht. Wie
weit ſie gegruͤndet ſey, will ich nicht unterſuchen.
Recht wahrſcheinlich koͤmmt ſie mir freylich nicht
vor. Sie klingt mir gar zu deutſch, und an ſtatt,
daß ich bey deren Erzaͤhlung mit meinen Gedanken
in Rom ſeyn ſollte: So verliere ich mich unvermerkt
in meiner Vaterſtadt, und ſehe auf dem Rathhauſe
und auf dem Markte, eine Menge junger Muͤßig-
gaͤnger herum laufen, welche vor großer Beſchaͤffti-
gung, nichts zu thun, keichen. Geſetzt auch, es
ſey eine allegoriſche Erzaͤhlung, ſo kann ich doch
nicht errathen, warum Phaͤdrus eben nur eine ge-
wiſſe Art junger Advocaten gemeynt habe? Koͤnnte
es denn nicht eben ſo wohl auf die jungen Aerzte ge-
hen? Wenigſtens kenne ich einen, welcher ſo aͤngſt-
lich durch die Gaſſen laͤuft, als wenn ihn die Seelen
der Verſtorbnen verfolgten, welche an ſeinen Pil-
len haben erſticken muͤſſen. Er thut ſo unruhig,
als wenn er die halbe Stadt zu einem methodiſchen
Ende zubereiten muͤßte. Oft beſteht ſeine große
Arbeit in weiter nichts, als daß er einen Hund auf-
ſucht, ihn zu wuͤrgen, oder Rhabarbar holt, um
eine Frau zu curiren, welche der Mann durch ſeine
Vermittelung los zu werden ſucht. Dieſes ſind
meine Zweifel, welche ich uͤber die eigentliche Be-
deutung der Erzaͤhlung aus dem Phaͤdrus habe.

Meine
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[229/0229] zum deutſchen Woͤrterbuche. ten, wenn ſie nicht die Geſchicklichkeit beſaͤßen, zum Verdruſſe der halben Stadt auf die geſchaͤfftigſte Art nichts zu thun. Dieſes iſt die Auslegung, welche mein Freund von der Fabel macht. Wie weit ſie gegruͤndet ſey, will ich nicht unterſuchen. Recht wahrſcheinlich koͤmmt ſie mir freylich nicht vor. Sie klingt mir gar zu deutſch, und an ſtatt, daß ich bey deren Erzaͤhlung mit meinen Gedanken in Rom ſeyn ſollte: So verliere ich mich unvermerkt in meiner Vaterſtadt, und ſehe auf dem Rathhauſe und auf dem Markte, eine Menge junger Muͤßig- gaͤnger herum laufen, welche vor großer Beſchaͤffti- gung, nichts zu thun, keichen. Geſetzt auch, es ſey eine allegoriſche Erzaͤhlung, ſo kann ich doch nicht errathen, warum Phaͤdrus eben nur eine ge- wiſſe Art junger Advocaten gemeynt habe? Koͤnnte es denn nicht eben ſo wohl auf die jungen Aerzte ge- hen? Wenigſtens kenne ich einen, welcher ſo aͤngſt- lich durch die Gaſſen laͤuft, als wenn ihn die Seelen der Verſtorbnen verfolgten, welche an ſeinen Pil- len haben erſticken muͤſſen. Er thut ſo unruhig, als wenn er die halbe Stadt zu einem methodiſchen Ende zubereiten muͤßte. Oft beſteht ſeine große Arbeit in weiter nichts, als daß er einen Hund auf- ſucht, ihn zu wuͤrgen, oder Rhabarbar holt, um eine Frau zu curiren, welche der Mann durch ſeine Vermittelung los zu werden ſucht. Dieſes ſind meine Zweifel, welche ich uͤber die eigentliche Be- deutung der Erzaͤhlung aus dem Phaͤdrus habe. Meine P 3

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/229>, abgerufen am 24.11.2024.