[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.zum deutschen Wörterbuche. Die zweyte Fabel, noch etwas unwahrscheinlicher, als die vorige. Die reiche Wittwe, eine gute Frau. Philinde, eine junge Wittwe, welche den Neran Die
zum deutſchen Woͤrterbuche. Die zweyte Fabel, noch etwas unwahrſcheinlicher, als die vorige. Die reiche Wittwe, eine gute Frau. Philinde, eine junge Wittwe, welche den Neran Die
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zum deutſchen Woͤrterbuche.
Die zweyte Fabel,
noch etwas unwahrſcheinlicher, als die vorige.
Die reiche Wittwe, eine gute Frau.
Philinde, eine junge Wittwe, welche den Neran
durch ihr zugebrachtes Vermoͤgen zum reich-
ſten Manne in der Stadt gemacht hatte, liebte ihn
ſo zaͤrtlich, daß ſie ihm auch nicht ein einzigmal ſeine
Armuth vorwarf. Sie trug ſo viel Ehrfurcht ge-
gen ihn, daß es ſchiene, als haͤtte ſie beynahe gar
vergeſſen, wie groß ihr Einbringen waͤre. Konnte
ſie ja etwas betruͤben: So war es die große Behut-
ſamkeit, mit welcher Neran ſich ihres Vermoͤgens
bediente. Sie munterte ihn auf, fuͤr ſich etwas
weniger ſparſam zu ſeyn; und brauchte ſie ſelbſt ei-
niges Geld, ſo bat ſie ihren Mann mit ſo vielen
Liebkoſungen darum, als waͤre es ſein eignes Ver-
moͤgen. Neran ſtarb, und die Chronike ſagt, daß
ſie alle Jahre an demjenigen Tage ganz untroͤſtbar
geweſen, an welchem er geſtorben. Ja man will
ſo gar verſichern, daß ſie uͤber dieſen Verluſt ſich
niemals zufriedner zu troͤſten gewußt, als wenn ſie den
armen Freunden ihres verſtorbnen Mannes mit ih-
rem Vermoͤgen beyſpringen koͤnnen. Niemals ha-
be ſie dieſes anders genennt, als die Verlaſſenſchaft
ihres Nerans, an welche alle ſeine Verwandten An-
ſpruch zu machen haͤtten, welche deſſelben beduͤrftig
waͤren. So weit geht dieſe Fabel.
Die
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