Das ist wohl möglich, aber nimmermehr wahrschein- lich, und eben um deswillen gehört die Geschichte des Ovids vom Piramus und von der Thisbe mit allem Rechte unter die Fabeln.
Diese Beschreibung, welche ich von dem Ver- stande des Worts, Fabel, gegeben habe, öffnet den Dichtern ein weites Feld zu tausend Erfindun- gen. Mir sind deren schon so viele beygefallen, daß ich der Welt mit einem ziemlich starken Octavbänd- chen davon aufwarten könnte. Wer weis, was noch geschieht? Ein Dichter bin ich zwar nicht; aber hundert Leute machen Verse, die doch keine Dichter sind; und gesetzt, ich schriebe nicht feurig, so würde ich gewiß ziemlich fließend schreiben. Das ist schon genug! Und wenn mir auch hierinnen alle vernünftige Welt widerspräche; so weis ich doch, Strephon giebt mir seinen Beyfall, denn ihm gehts auch so! Damit aber die gelehrte Welt vor großem Verlangen nach meinem Bändchen nicht gar zu un- geduldig werde, wie ich fast befürchten muß: So will ich inzwischen von vieren meiner Fabeln nur den Jnnhalt hersetzen. Man wird finden, daß sie durchgängig möglich sind; keine einzige aber wahrscheinlich ist.
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Die
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zum deutſchen Woͤrterbuche.
Das iſt wohl moͤglich, aber nimmermehr wahrſchein- lich, und eben um deswillen gehoͤrt die Geſchichte des Ovids vom Piramus und von der Thisbe mit allem Rechte unter die Fabeln.
Dieſe Beſchreibung, welche ich von dem Ver- ſtande des Worts, Fabel, gegeben habe, oͤffnet den Dichtern ein weites Feld zu tauſend Erfindun- gen. Mir ſind deren ſchon ſo viele beygefallen, daß ich der Welt mit einem ziemlich ſtarken Octavbaͤnd- chen davon aufwarten koͤnnte. Wer weis, was noch geſchieht? Ein Dichter bin ich zwar nicht; aber hundert Leute machen Verſe, die doch keine Dichter ſind; und geſetzt, ich ſchriebe nicht feurig, ſo wuͤrde ich gewiß ziemlich fließend ſchreiben. Das iſt ſchon genug! Und wenn mir auch hierinnen alle vernuͤnftige Welt widerſpraͤche; ſo weis ich doch, Strephon giebt mir ſeinen Beyfall, denn ihm gehts auch ſo! Damit aber die gelehrte Welt vor großem Verlangen nach meinem Baͤndchen nicht gar zu un- geduldig werde, wie ich faſt befuͤrchten muß: So will ich inzwiſchen von vieren meiner Fabeln nur den Jnnhalt herſetzen. Man wird finden, daß ſie durchgaͤngig moͤglich ſind; keine einzige aber wahrſcheinlich iſt.
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zum deutſchen Woͤrterbuche.
Das iſt wohl moͤglich, aber nimmermehr wahrſchein-
lich, und eben um deswillen gehoͤrt die Geſchichte
des Ovids vom Piramus und von der Thisbe mit
allem Rechte unter die Fabeln.
Dieſe Beſchreibung, welche ich von dem Ver-
ſtande des Worts, Fabel, gegeben habe, oͤffnet den
Dichtern ein weites Feld zu tauſend Erfindun-
gen. Mir ſind deren ſchon ſo viele beygefallen, daß
ich der Welt mit einem ziemlich ſtarken Octavbaͤnd-
chen davon aufwarten koͤnnte. Wer weis, was
noch geſchieht? Ein Dichter bin ich zwar nicht;
aber hundert Leute machen Verſe, die doch keine
Dichter ſind; und geſetzt, ich ſchriebe nicht feurig,
ſo wuͤrde ich gewiß ziemlich fließend ſchreiben. Das
iſt ſchon genug! Und wenn mir auch hierinnen alle
vernuͤnftige Welt widerſpraͤche; ſo weis ich doch,
Strephon giebt mir ſeinen Beyfall, denn ihm gehts
auch ſo! Damit aber die gelehrte Welt vor großem
Verlangen nach meinem Baͤndchen nicht gar zu un-
geduldig werde, wie ich faſt befuͤrchten muß: So
will ich inzwiſchen von vieren meiner Fabeln nur
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ſie durchgaͤngig moͤglich ſind; keine einzige aber
wahrſcheinlich iſt.
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/217>, abgerufen am 17.02.2025.
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