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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

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Beytrag
einem so deutlichen Berufe, als sein Sohn an der
römischen Nase trug, nicht zu widerstreben. Ja,
er soll in seinem Eifer so weit gegangen seyn, daß
er sein Kind, bey vermerkter Widerspenstigkeit,
amtsmäßig und mit der Ruthe in der Faust ge-
zwungen, die Finger auf die lateinische Gramma-
tik zu legen, und seine deutsche Muttersprache so-
lemni ritu formulaque
abzuschwören. Nichts
kam ihm toller vor, als deutsch zu lernen; denn
sein Schuster redete deutsch, und er redete es so
gut, als sein Schuster; beide aber hatten es nie-
mals gelernt, und verstunden einander doch. Der-
gleichen lateinische Zeloten kann man dadurch kei-
nesweges besänftigen, wenn man ihnen gleich ein-
räumt, daß einem Gelehrten die griechische und
lateinische Sprache unentbehrlich sey; daß ein
Mann, welcher kein Latein verstehe, wenig Hoff-
nung habe, ein Gelehrter zu werden; daß man
nichts tadle, als die sklavische Hochachtung, welche
sie gegen alles dasjenige hegen, was lateinisch
klingt; und daß man an ihnen nur die allzuaber-
gläubische Verbitterung gegen ihre Muttersprache,
als einen lächerlichen Fehler, anmerke. So be-
scheiden auch dergleichen Einschränkungen sind, so
wenig sind sie doch zu ihrer Beruhigung hinreichend.
Jhre ganze Maschine geräth in Unordnung, wenn
sie dergleichen Friedensvorschläge hören. Ad ro-
gum! ad rogum!
schreyen sie, so bald sie eine Ab-
handlung sehen, welche zur Aufnahme und Verbes-
serung der deutschen Sprache abzielt; ja einer

von

Beytrag
einem ſo deutlichen Berufe, als ſein Sohn an der
roͤmiſchen Naſe trug, nicht zu widerſtreben. Ja,
er ſoll in ſeinem Eifer ſo weit gegangen ſeyn, daß
er ſein Kind, bey vermerkter Widerſpenſtigkeit,
amtsmaͤßig und mit der Ruthe in der Fauſt ge-
zwungen, die Finger auf die lateiniſche Gramma-
tik zu legen, und ſeine deutſche Mutterſprache ſo-
lemni ritu formulaque
abzuſchwoͤren. Nichts
kam ihm toller vor, als deutſch zu lernen; denn
ſein Schuſter redete deutſch, und er redete es ſo
gut, als ſein Schuſter; beide aber hatten es nie-
mals gelernt, und verſtunden einander doch. Der-
gleichen lateiniſche Zeloten kann man dadurch kei-
nesweges beſaͤnftigen, wenn man ihnen gleich ein-
raͤumt, daß einem Gelehrten die griechiſche und
lateiniſche Sprache unentbehrlich ſey; daß ein
Mann, welcher kein Latein verſtehe, wenig Hoff-
nung habe, ein Gelehrter zu werden; daß man
nichts tadle, als die ſklaviſche Hochachtung, welche
ſie gegen alles dasjenige hegen, was lateiniſch
klingt; und daß man an ihnen nur die allzuaber-
glaͤubiſche Verbitterung gegen ihre Mutterſprache,
als einen laͤcherlichen Fehler, anmerke. So be-
ſcheiden auch dergleichen Einſchraͤnkungen ſind, ſo
wenig ſind ſie doch zu ihrer Beruhigung hinreichend.
Jhre ganze Maſchine geraͤth in Unordnung, wenn
ſie dergleichen Friedensvorſchlaͤge hoͤren. Ad ro-
gum! ad rogum!
ſchreyen ſie, ſo bald ſie eine Ab-
handlung ſehen, welche zur Aufnahme und Verbeſ-
ſerung der deutſchen Sprache abzielt; ja einer

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[212/0212] Beytrag einem ſo deutlichen Berufe, als ſein Sohn an der roͤmiſchen Naſe trug, nicht zu widerſtreben. Ja, er ſoll in ſeinem Eifer ſo weit gegangen ſeyn, daß er ſein Kind, bey vermerkter Widerſpenſtigkeit, amtsmaͤßig und mit der Ruthe in der Fauſt ge- zwungen, die Finger auf die lateiniſche Gramma- tik zu legen, und ſeine deutſche Mutterſprache ſo- lemni ritu formulaque abzuſchwoͤren. Nichts kam ihm toller vor, als deutſch zu lernen; denn ſein Schuſter redete deutſch, und er redete es ſo gut, als ſein Schuſter; beide aber hatten es nie- mals gelernt, und verſtunden einander doch. Der- gleichen lateiniſche Zeloten kann man dadurch kei- nesweges beſaͤnftigen, wenn man ihnen gleich ein- raͤumt, daß einem Gelehrten die griechiſche und lateiniſche Sprache unentbehrlich ſey; daß ein Mann, welcher kein Latein verſtehe, wenig Hoff- nung habe, ein Gelehrter zu werden; daß man nichts tadle, als die ſklaviſche Hochachtung, welche ſie gegen alles dasjenige hegen, was lateiniſch klingt; und daß man an ihnen nur die allzuaber- glaͤubiſche Verbitterung gegen ihre Mutterſprache, als einen laͤcherlichen Fehler, anmerke. So be- ſcheiden auch dergleichen Einſchraͤnkungen ſind, ſo wenig ſind ſie doch zu ihrer Beruhigung hinreichend. Jhre ganze Maſchine geraͤth in Unordnung, wenn ſie dergleichen Friedensvorſchlaͤge hoͤren. Ad ro- gum! ad rogum! ſchreyen ſie, ſo bald ſie eine Ab- handlung ſehen, welche zur Aufnahme und Verbeſ- ſerung der deutſchen Sprache abzielt; ja einer von

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/212>, abgerufen am 27.11.2024.