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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

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Selbst in meiner Familie würden wenigstens sechs
bis acht Männer mit Weib und Kind verhungern
müssen! Jch wünsche es nicht, ich sage es noch ein-
mal. Weil man eben doch nicht alle Fälle wissen
kann: So will ich gegen diese meine werthen An-
gehörigen immer im voraus liebreich seyn, damit
ich sie nicht hernach ernähren darf. Jch will mei-
nen Lesern sagen, worinnen die Gelehrsamkeit von ei-
nigen unter ihnen besteht, wenn sich etwan jemand
finden wollte, der sie zu gebrauchen wüßte.

Den ersten Platz verdient mein Oheim, der ge-
lehrte Herr Professor Titus Manlius Vermicu-
laris.
Es geht nunmehr in das drey und funfzigste
Jahr, daß er mit unermüdetem Eifer, Tag und Nacht,
mit Zusetzung seiner eignen Gesundheit, bloß aus
Liebe zum gemeinen Besten, und der Nachwelt zur
Warnung, Donatschnitzer gesammelt hat; und zwar,
welches wohl zu merken ist, aus den besten lateinischen
Schriften der gelehrten Männer unsrer Zeit. Der
ehrliche Mann sollte mich sehr dauern, wenn man sei-
ne erbaulichen Bemühungen für eine ungelehrte Ar-
beit ansehen wollte. Jch kann es theuer versichern, er
thut dem gemeinen Wesen mit seiner Gelehrsamkeit
nicht den geringsten Schaden, und ich habe unter allen
seinen Schriften nicht eine einzige gesehen, worinnen
etwas wider Gott und den Staat gestanden hätte.
Wie würde sich mein belesner Herr Oheim wun-
dern, wenn über die Gründlichkeit seiner Wissen-
schaften ein so grausames Urtheil ergehen sollte! Er

läßt

Verſuch
Selbſt in meiner Familie wuͤrden wenigſtens ſechs
bis acht Maͤnner mit Weib und Kind verhungern
muͤſſen! Jch wuͤnſche es nicht, ich ſage es noch ein-
mal. Weil man eben doch nicht alle Faͤlle wiſſen
kann: So will ich gegen dieſe meine werthen An-
gehoͤrigen immer im voraus liebreich ſeyn, damit
ich ſie nicht hernach ernaͤhren darf. Jch will mei-
nen Leſern ſagen, worinnen die Gelehrſamkeit von ei-
nigen unter ihnen beſteht, wenn ſich etwan jemand
finden wollte, der ſie zu gebrauchen wuͤßte.

Den erſten Platz verdient mein Oheim, der ge-
lehrte Herr Profeſſor Titus Manlius Vermicu-
laris.
Es geht nunmehr in das drey und funfzigſte
Jahr, daß er mit unermuͤdetem Eifer, Tag und Nacht,
mit Zuſetzung ſeiner eignen Geſundheit, bloß aus
Liebe zum gemeinen Beſten, und der Nachwelt zur
Warnung, Donatſchnitzer geſammelt hat; und zwar,
welches wohl zu merken iſt, aus den beſten lateiniſchen
Schriften der gelehrten Maͤnner unſrer Zeit. Der
ehrliche Mann ſollte mich ſehr dauern, wenn man ſei-
ne erbaulichen Bemuͤhungen fuͤr eine ungelehrte Ar-
beit anſehen wollte. Jch kann es theuer verſichern, er
thut dem gemeinen Weſen mit ſeiner Gelehrſamkeit
nicht den geringſten Schaden, und ich habe unter allen
ſeinen Schriften nicht eine einzige geſehen, worinnen
etwas wider Gott und den Staat geſtanden haͤtte.
Wie wuͤrde ſich mein beleſner Herr Oheim wun-
dern, wenn uͤber die Gruͤndlichkeit ſeiner Wiſſen-
ſchaften ein ſo grauſames Urtheil ergehen ſollte! Er

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[186/0186] Verſuch Selbſt in meiner Familie wuͤrden wenigſtens ſechs bis acht Maͤnner mit Weib und Kind verhungern muͤſſen! Jch wuͤnſche es nicht, ich ſage es noch ein- mal. Weil man eben doch nicht alle Faͤlle wiſſen kann: So will ich gegen dieſe meine werthen An- gehoͤrigen immer im voraus liebreich ſeyn, damit ich ſie nicht hernach ernaͤhren darf. Jch will mei- nen Leſern ſagen, worinnen die Gelehrſamkeit von ei- nigen unter ihnen beſteht, wenn ſich etwan jemand finden wollte, der ſie zu gebrauchen wuͤßte. Den erſten Platz verdient mein Oheim, der ge- lehrte Herr Profeſſor Titus Manlius Vermicu- laris. Es geht nunmehr in das drey und funfzigſte Jahr, daß er mit unermuͤdetem Eifer, Tag und Nacht, mit Zuſetzung ſeiner eignen Geſundheit, bloß aus Liebe zum gemeinen Beſten, und der Nachwelt zur Warnung, Donatſchnitzer geſammelt hat; und zwar, welches wohl zu merken iſt, aus den beſten lateiniſchen Schriften der gelehrten Maͤnner unſrer Zeit. Der ehrliche Mann ſollte mich ſehr dauern, wenn man ſei- ne erbaulichen Bemuͤhungen fuͤr eine ungelehrte Ar- beit anſehen wollte. Jch kann es theuer verſichern, er thut dem gemeinen Weſen mit ſeiner Gelehrſamkeit nicht den geringſten Schaden, und ich habe unter allen ſeinen Schriften nicht eine einzige geſehen, worinnen etwas wider Gott und den Staat geſtanden haͤtte. Wie wuͤrde ſich mein beleſner Herr Oheim wun- dern, wenn uͤber die Gruͤndlichkeit ſeiner Wiſſen- ſchaften ein ſo grauſames Urtheil ergehen ſollte! Er laͤßt

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/186>, abgerufen am 22.11.2024.