Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite

Versuch
stande verdienen: Solches werden alle vernünftige,
aber nur die nicht einsehen, welche auf einmal lä-
cherlich und verächtlich werden würden, wenn man
ihnen ihre schwarze Kleidung, und das Amt nähme,
in welches sie sich geschlichen haben. Noch eine Re-
densart fällt mir ein. Ein ehrwürdiges Amt
suchen,
heißt in einigen Parochien so viel, als des
gnädigen Herrn Kammermädchen heirathen.

Gelehrt.

Das Wort gelehrt hat mit dem Worte tu-
gendhaft beynahe ein gleiches Schicksal. Alle Leute
wollen tugendhaft, alle, die studirt haben, wollen
gelehrt seyn; aber, im Vertrauen zu sagen, sind es
die wenigsten. Freylich liegt dieser Fehler nicht
an denen, welche sich des Titels eines Gelehrten
anmaaßen, sondern nur an etlichen eigensinnigen
Köpfen, welche uns bereden wollen; es sey noch ein
sehr großer Unterscheid zwischen einem Gelehrten,
und zwischen einem Manne, der keine Profeßion oder
kein Handwerk treibt, der in seiner Jugend die niedern
Schulen frequentirt, auf höhern Schulen absolvirt,
und endlich promovirt hat. Diese närrischen Rich-
ter vergehen sich so weit, daß sie nicht einmal alle
diejenigen für Gelehrte wollen gelten lassen, welche
Bücher geschrieben haben. Was bleibt aber als-
dann übrig? Sollten etwan nur diejenigen den Na-
men eines Gelehrten verdienen, welche sich den Wis-

senschaf-

Verſuch
ſtande verdienen: Solches werden alle vernuͤnftige,
aber nur die nicht einſehen, welche auf einmal laͤ-
cherlich und veraͤchtlich werden wuͤrden, wenn man
ihnen ihre ſchwarze Kleidung, und das Amt naͤhme,
in welches ſie ſich geſchlichen haben. Noch eine Re-
densart faͤllt mir ein. Ein ehrwuͤrdiges Amt
ſuchen,
heißt in einigen Parochien ſo viel, als des
gnaͤdigen Herrn Kammermaͤdchen heirathen.

Gelehrt.

Das Wort gelehrt hat mit dem Worte tu-
gendhaft beynahe ein gleiches Schickſal. Alle Leute
wollen tugendhaft, alle, die ſtudirt haben, wollen
gelehrt ſeyn; aber, im Vertrauen zu ſagen, ſind es
die wenigſten. Freylich liegt dieſer Fehler nicht
an denen, welche ſich des Titels eines Gelehrten
anmaaßen, ſondern nur an etlichen eigenſinnigen
Koͤpfen, welche uns bereden wollen; es ſey noch ein
ſehr großer Unterſcheid zwiſchen einem Gelehrten,
und zwiſchen einem Manne, der keine Profeßion oder
kein Handwerk treibt, der in ſeiner Jugend die niedern
Schulen frequentirt, auf hoͤhern Schulen abſolvirt,
und endlich promovirt hat. Dieſe naͤrriſchen Rich-
ter vergehen ſich ſo weit, daß ſie nicht einmal alle
diejenigen fuͤr Gelehrte wollen gelten laſſen, welche
Buͤcher geſchrieben haben. Was bleibt aber als-
dann uͤbrig? Sollten etwan nur diejenigen den Na-
men eines Gelehrten verdienen, welche ſich den Wiſ-

ſenſchaf-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0184" n="184"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Ver&#x017F;uch</hi></hi></fw><lb/>
&#x017F;tande verdienen: Solches werden alle vernu&#x0364;nftige,<lb/>
aber nur die nicht ein&#x017F;ehen, welche auf einmal la&#x0364;-<lb/>
cherlich und vera&#x0364;chtlich werden wu&#x0364;rden, wenn man<lb/>
ihnen ihre &#x017F;chwarze Kleidung, und das Amt na&#x0364;hme,<lb/>
in welches &#x017F;ie &#x017F;ich ge&#x017F;chlichen haben. Noch eine Re-<lb/>
densart fa&#x0364;llt mir ein. <hi rendition="#fr">Ein ehrwu&#x0364;rdiges Amt<lb/>
&#x017F;uchen,</hi> heißt in einigen Parochien &#x017F;o viel, als des<lb/>
gna&#x0364;digen Herrn Kammerma&#x0364;dchen heirathen.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Gelehrt.</hi> </hi> </head><lb/>
          <p>Das Wort <hi rendition="#fr">gelehrt</hi> hat mit dem Worte tu-<lb/>
gendhaft beynahe ein gleiches Schick&#x017F;al. Alle Leute<lb/>
wollen tugendhaft, alle, die &#x017F;tudirt haben, wollen<lb/>
gelehrt &#x017F;eyn; aber, im Vertrauen zu &#x017F;agen, &#x017F;ind es<lb/>
die wenig&#x017F;ten. Freylich liegt die&#x017F;er Fehler nicht<lb/>
an denen, welche &#x017F;ich des Titels eines Gelehrten<lb/>
anmaaßen, &#x017F;ondern nur an etlichen eigen&#x017F;innigen<lb/>
Ko&#x0364;pfen, welche uns bereden wollen; es &#x017F;ey noch ein<lb/>
&#x017F;ehr großer Unter&#x017F;cheid zwi&#x017F;chen einem Gelehrten,<lb/>
und zwi&#x017F;chen einem Manne, der keine Profeßion oder<lb/>
kein Handwerk treibt, der in &#x017F;einer Jugend die niedern<lb/>
Schulen frequentirt, auf ho&#x0364;hern Schulen ab&#x017F;olvirt,<lb/>
und endlich promovirt hat. Die&#x017F;e na&#x0364;rri&#x017F;chen Rich-<lb/>
ter vergehen &#x017F;ich &#x017F;o weit, daß &#x017F;ie nicht einmal alle<lb/>
diejenigen fu&#x0364;r Gelehrte wollen gelten la&#x017F;&#x017F;en, welche<lb/>
Bu&#x0364;cher ge&#x017F;chrieben haben. Was bleibt aber als-<lb/>
dann u&#x0364;brig? Sollten etwan nur diejenigen den Na-<lb/>
men eines Gelehrten verdienen, welche &#x017F;ich den Wi&#x017F;-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;en&#x017F;chaf-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[184/0184] Verſuch ſtande verdienen: Solches werden alle vernuͤnftige, aber nur die nicht einſehen, welche auf einmal laͤ- cherlich und veraͤchtlich werden wuͤrden, wenn man ihnen ihre ſchwarze Kleidung, und das Amt naͤhme, in welches ſie ſich geſchlichen haben. Noch eine Re- densart faͤllt mir ein. Ein ehrwuͤrdiges Amt ſuchen, heißt in einigen Parochien ſo viel, als des gnaͤdigen Herrn Kammermaͤdchen heirathen. Gelehrt. Das Wort gelehrt hat mit dem Worte tu- gendhaft beynahe ein gleiches Schickſal. Alle Leute wollen tugendhaft, alle, die ſtudirt haben, wollen gelehrt ſeyn; aber, im Vertrauen zu ſagen, ſind es die wenigſten. Freylich liegt dieſer Fehler nicht an denen, welche ſich des Titels eines Gelehrten anmaaßen, ſondern nur an etlichen eigenſinnigen Koͤpfen, welche uns bereden wollen; es ſey noch ein ſehr großer Unterſcheid zwiſchen einem Gelehrten, und zwiſchen einem Manne, der keine Profeßion oder kein Handwerk treibt, der in ſeiner Jugend die niedern Schulen frequentirt, auf hoͤhern Schulen abſolvirt, und endlich promovirt hat. Dieſe naͤrriſchen Rich- ter vergehen ſich ſo weit, daß ſie nicht einmal alle diejenigen fuͤr Gelehrte wollen gelten laſſen, welche Buͤcher geſchrieben haben. Was bleibt aber als- dann uͤbrig? Sollten etwan nur diejenigen den Na- men eines Gelehrten verdienen, welche ſich den Wiſ- ſenſchaf-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/184
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/184>, abgerufen am 22.12.2024.