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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

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Einen Eid ablegen, ist bey Leuten, die etwas
weiter denken, als der gemeine Pöbel, gemeiniglich
nichts anders, als eine gewisse Cäremonie, da man
aufrechts steht, die Finger in die Höhe reckt, den Huth
unter dem Arme hält, und etwas verspricht, oder be-
theuert, das man nicht länger hält, als bis man den
Huth wieder aufsetzt. Mit einem Worte; es ist ein
Compliment, das man Gott macht. Was aber
ein Compliment sey, davon siehe Compliment!

Etwas eidlich versichern, heißt an vielen
Orten so viel, als eine Lügen recht wahrscheinlich
machen.

Van Höken, in seinem allezeit fertigen Juristen,
nennt den Eid, herbam betonicam, und versichert,
einem den Eid deferiren, sey nichts anders, als
seinem klagenden Clienten die Sache muthwillig
verspielen; und die Formel, sich mit einem
Eide reinigen,
heiße so viel, als den Proceß ge-
winnen, denn zu einem Reinigungseide gehöre
weiter nichts, als drey gesunde Finger, und ein
Mann ohne Gewissen. Jene hätten fast alle Men-
schen, und dieses die wenigsten. Und wenn auch ja
jemand von den Vorurtheilen der Jugend eingenom-
men wäre, und ein so genanntes Gewissen hätte: So
würde es doch nirgends an solchen Advocaten fehlen,
welche ihn eines bessern belehrten, und für ein billi-
ges Geld aus seinem Jrrthume helfen könnten.

Gott
Verſuch

Einen Eid ablegen, iſt bey Leuten, die etwas
weiter denken, als der gemeine Poͤbel, gemeiniglich
nichts anders, als eine gewiſſe Caͤremonie, da man
aufrechts ſteht, die Finger in die Hoͤhe reckt, den Huth
unter dem Arme haͤlt, und etwas verſpricht, oder be-
theuert, das man nicht laͤnger haͤlt, als bis man den
Huth wieder aufſetzt. Mit einem Worte; es iſt ein
Compliment, das man Gott macht. Was aber
ein Compliment ſey, davon ſiehe Compliment!

Etwas eidlich verſichern, heißt an vielen
Orten ſo viel, als eine Luͤgen recht wahrſcheinlich
machen.

Van Hoͤken, in ſeinem allezeit fertigen Juriſten,
nennt den Eid, herbam betonicam, und verſichert,
einem den Eid deferiren, ſey nichts anders, als
ſeinem klagenden Clienten die Sache muthwillig
verſpielen; und die Formel, ſich mit einem
Eide reinigen,
heiße ſo viel, als den Proceß ge-
winnen, denn zu einem Reinigungseide gehoͤre
weiter nichts, als drey geſunde Finger, und ein
Mann ohne Gewiſſen. Jene haͤtten faſt alle Men-
ſchen, und dieſes die wenigſten. Und wenn auch ja
jemand von den Vorurtheilen der Jugend eingenom-
men waͤre, und ein ſo genanntes Gewiſſen haͤtte: So
wuͤrde es doch nirgends an ſolchen Advocaten fehlen,
welche ihn eines beſſern belehrten, und fuͤr ein billi-
ges Geld aus ſeinem Jrrthume helfen koͤnnten.

Gott
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[176/0176] Verſuch Einen Eid ablegen, iſt bey Leuten, die etwas weiter denken, als der gemeine Poͤbel, gemeiniglich nichts anders, als eine gewiſſe Caͤremonie, da man aufrechts ſteht, die Finger in die Hoͤhe reckt, den Huth unter dem Arme haͤlt, und etwas verſpricht, oder be- theuert, das man nicht laͤnger haͤlt, als bis man den Huth wieder aufſetzt. Mit einem Worte; es iſt ein Compliment, das man Gott macht. Was aber ein Compliment ſey, davon ſiehe Compliment! Etwas eidlich verſichern, heißt an vielen Orten ſo viel, als eine Luͤgen recht wahrſcheinlich machen. Van Hoͤken, in ſeinem allezeit fertigen Juriſten, nennt den Eid, herbam betonicam, und verſichert, einem den Eid deferiren, ſey nichts anders, als ſeinem klagenden Clienten die Sache muthwillig verſpielen; und die Formel, ſich mit einem Eide reinigen, heiße ſo viel, als den Proceß ge- winnen, denn zu einem Reinigungseide gehoͤre weiter nichts, als drey geſunde Finger, und ein Mann ohne Gewiſſen. Jene haͤtten faſt alle Men- ſchen, und dieſes die wenigſten. Und wenn auch ja jemand von den Vorurtheilen der Jugend eingenom- men waͤre, und ein ſo genanntes Gewiſſen haͤtte: So wuͤrde es doch nirgends an ſolchen Advocaten fehlen, welche ihn eines beſſern belehrten, und fuͤr ein billi- ges Geld aus ſeinem Jrrthume helfen koͤnnten. Gott

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/176>, abgerufen am 25.11.2024.