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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

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Noten ohne Text.
die Sentenzen alter und neuer Autoren ausputzen;
aber dieses würde ich doch gern sehen, wenn sie da-
mit etwas sparsamer umgiengen, als die meisten zu
thun pflegen. Jch finde zwischen dergleichen Schrif-
ten und unsern Lustgärten in diesem Stücke eine ziem-
liche Aehnlichkeit. Es ist dem Gesichte angenehm,
wenn man in denselben einige wohlgearbeitete Sta-
tuen erblickt; nur müssen deren nicht gar zu viel
seyn, wenn der Garten nicht das Ansehen eines Bil-
dersaals gewinnen soll. Es kann auch daraus für
den Gärtner noch dieser empfindliche Schaden er-
wachsen, daß man sich bloß mit Betrachtung der
Statuen beschäfftigen, und auf den Garten entweder
seine Aufmerksamkeit gar nicht richten, oder doch ziem-
lich gleichgültig dabey seyn würde. Wo ich mich nicht
sehr irre, so läuft ein Schriftsteller bey seinem Wer-
ke eine gleiche Gefahr. Wenn ich auf einer jedwe-
den Seite ein, auch mehrere, Sentenzen der Alten
und Neuern finde, so wird mich dieses so zerstreuen,
daß ich den Spruch des Horaz bewundere, und
meinen Autor darüber vergessen werde; oder ver-
gesse ich ihn auch nicht gänzlich; so wird er doch mei-
ne Aufmerksamkeit mit den Horaz theilen müssen,
die er sonst ganz zu fodern hätte. Zu geschweigen,
daß es bey vielen eine große Unbedachtsamkeit ver-
räth, wenn sie den Leser zu oft an den Witz der Al-
ten und Neuern Gelehrten erinnern. Sie verwöh-
nen ihn dadurch, und machen, daß er lauter gleich
witzige Sachen von ihnen verlangt. Jst der Ver-
fasser nicht im Stande, seinen Leser mit dergleichen

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Noten ohne Text.
die Sentenzen alter und neuer Autoren ausputzen;
aber dieſes wuͤrde ich doch gern ſehen, wenn ſie da-
mit etwas ſparſamer umgiengen, als die meiſten zu
thun pflegen. Jch finde zwiſchen dergleichen Schrif-
ten und unſern Luſtgaͤrten in dieſem Stuͤcke eine ziem-
liche Aehnlichkeit. Es iſt dem Geſichte angenehm,
wenn man in denſelben einige wohlgearbeitete Sta-
tuen erblickt; nur muͤſſen deren nicht gar zu viel
ſeyn, wenn der Garten nicht das Anſehen eines Bil-
derſaals gewinnen ſoll. Es kann auch daraus fuͤr
den Gaͤrtner noch dieſer empfindliche Schaden er-
wachſen, daß man ſich bloß mit Betrachtung der
Statuen beſchaͤfftigen, und auf den Garten entweder
ſeine Aufmerkſamkeit gar nicht richten, oder doch ziem-
lich gleichguͤltig dabey ſeyn wuͤrde. Wo ich mich nicht
ſehr irre, ſo laͤuft ein Schriftſteller bey ſeinem Wer-
ke eine gleiche Gefahr. Wenn ich auf einer jedwe-
den Seite ein, auch mehrere, Sentenzen der Alten
und Neuern finde, ſo wird mich dieſes ſo zerſtreuen,
daß ich den Spruch des Horaz bewundere, und
meinen Autor daruͤber vergeſſen werde; oder ver-
geſſe ich ihn auch nicht gaͤnzlich; ſo wird er doch mei-
ne Aufmerkſamkeit mit den Horaz theilen muͤſſen,
die er ſonſt ganz zu fodern haͤtte. Zu geſchweigen,
daß es bey vielen eine große Unbedachtſamkeit ver-
raͤth, wenn ſie den Leſer zu oft an den Witz der Al-
ten und Neuern Gelehrten erinnern. Sie verwoͤh-
nen ihn dadurch, und machen, daß er lauter gleich
witzige Sachen von ihnen verlangt. Jſt der Ver-
faſſer nicht im Stande, ſeinen Leſer mit dergleichen

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[165/0165] Noten ohne Text. die Sentenzen alter und neuer Autoren ausputzen; aber dieſes wuͤrde ich doch gern ſehen, wenn ſie da- mit etwas ſparſamer umgiengen, als die meiſten zu thun pflegen. Jch finde zwiſchen dergleichen Schrif- ten und unſern Luſtgaͤrten in dieſem Stuͤcke eine ziem- liche Aehnlichkeit. Es iſt dem Geſichte angenehm, wenn man in denſelben einige wohlgearbeitete Sta- tuen erblickt; nur muͤſſen deren nicht gar zu viel ſeyn, wenn der Garten nicht das Anſehen eines Bil- derſaals gewinnen ſoll. Es kann auch daraus fuͤr den Gaͤrtner noch dieſer empfindliche Schaden er- wachſen, daß man ſich bloß mit Betrachtung der Statuen beſchaͤfftigen, und auf den Garten entweder ſeine Aufmerkſamkeit gar nicht richten, oder doch ziem- lich gleichguͤltig dabey ſeyn wuͤrde. Wo ich mich nicht ſehr irre, ſo laͤuft ein Schriftſteller bey ſeinem Wer- ke eine gleiche Gefahr. Wenn ich auf einer jedwe- den Seite ein, auch mehrere, Sentenzen der Alten und Neuern finde, ſo wird mich dieſes ſo zerſtreuen, daß ich den Spruch des Horaz bewundere, und meinen Autor daruͤber vergeſſen werde; oder ver- geſſe ich ihn auch nicht gaͤnzlich; ſo wird er doch mei- ne Aufmerkſamkeit mit den Horaz theilen muͤſſen, die er ſonſt ganz zu fodern haͤtte. Zu geſchweigen, daß es bey vielen eine große Unbedachtſamkeit ver- raͤth, wenn ſie den Leſer zu oft an den Witz der Al- ten und Neuern Gelehrten erinnern. Sie verwoͤh- nen ihn dadurch, und machen, daß er lauter gleich witzige Sachen von ihnen verlangt. Jſt der Ver- faſſer nicht im Stande, ſeinen Leſer mit dergleichen beſtaͤn- L 3

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/165>, abgerufen am 22.11.2024.