Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite
Noten ohne Text.

Nach Gründen) Denn eben itzt ist die merk-
würdige Zeit, da man nichts ohne zureichenden
Grund thut.

Das Gedicht aber auf seine Ehefrau)
Man findet darinnen alles dasjenige zärtliche und
verbindliche, was die Sprache einer vernünftigen
Liebe erfodert. Und denen, welche die grosse Welt
kennen, hat es um deßwillen sehr wahrscheinlich vor-
kommen wollen, daß dieses Gedicht unter die lehr-
reichen Fabeln, oder poetischen Erzählungen, gehö-
re. Es sey nirgends erhört, sprechen sie, daß ein
paar Eheleute einander, bey lebendigem Leibe, so
viele Schmeicheleyen in Versen vorsagen könnten.
Es sey gar nicht mehr gebräuchlich, daß ein vereh-
lichter Dichter, bey dem Leben seiner Frau, ihr zu
Ehren, nur die Hälfte von dem Weihrauche ver-
schwende, welchen er sonst mit vollen Händen auf
fremden Altären geopfert. Gemeiniglich kämen
sie nicht eher ins poetische Feuer, bis die Wohlse-
ligverstorbne auf der Bahre liege, und die häufi-
gen Proben der Wittwerthränen ließen uns noch
vielmals ungewiß, ob der Schmerzlichgebeugte un-
ter seinem Flore vor Freuden, oder vor Schmerzen,
geweint habe. Allein mir scheinen diese Urtheile
und angeführten Gründe sehr seichte. Jch könnte
unterschiedne gesammelte Proben von dergleichen
Gedichten hier einrücken, aus denen man gleich
in den ersten Zeilen sieht, daß der betrübte Witt-
wer seiner nicht mächtig gewesen ist. Jch will mich

aber
K 3
Noten ohne Text.

Nach Gruͤnden) Denn eben itzt iſt die merk-
wuͤrdige Zeit, da man nichts ohne zureichenden
Grund thut.

Das Gedicht aber auf ſeine Ehefrau)
Man findet darinnen alles dasjenige zaͤrtliche und
verbindliche, was die Sprache einer vernuͤnftigen
Liebe erfodert. Und denen, welche die groſſe Welt
kennen, hat es um deßwillen ſehr wahrſcheinlich vor-
kommen wollen, daß dieſes Gedicht unter die lehr-
reichen Fabeln, oder poetiſchen Erzaͤhlungen, gehoͤ-
re. Es ſey nirgends erhoͤrt, ſprechen ſie, daß ein
paar Eheleute einander, bey lebendigem Leibe, ſo
viele Schmeicheleyen in Verſen vorſagen koͤnnten.
Es ſey gar nicht mehr gebraͤuchlich, daß ein vereh-
lichter Dichter, bey dem Leben ſeiner Frau, ihr zu
Ehren, nur die Haͤlfte von dem Weihrauche ver-
ſchwende, welchen er ſonſt mit vollen Haͤnden auf
fremden Altaͤren geopfert. Gemeiniglich kaͤmen
ſie nicht eher ins poetiſche Feuer, bis die Wohlſe-
ligverſtorbne auf der Bahre liege, und die haͤufi-
gen Proben der Wittwerthraͤnen ließen uns noch
vielmals ungewiß, ob der Schmerzlichgebeugte un-
ter ſeinem Flore vor Freuden, oder vor Schmerzen,
geweint habe. Allein mir ſcheinen dieſe Urtheile
und angefuͤhrten Gruͤnde ſehr ſeichte. Jch koͤnnte
unterſchiedne geſammelte Proben von dergleichen
Gedichten hier einruͤcken, aus denen man gleich
in den erſten Zeilen ſieht, daß der betruͤbte Witt-
wer ſeiner nicht maͤchtig geweſen iſt. Jch will mich

aber
K 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0149" n="149"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Noten ohne Text.</hi> </fw><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Nach Gru&#x0364;nden)</hi> Denn eben itzt i&#x017F;t die merk-<lb/>
wu&#x0364;rdige Zeit, da man nichts ohne zureichenden<lb/>
Grund thut.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Das Gedicht aber auf &#x017F;eine Ehefrau)</hi><lb/>
Man findet darinnen alles dasjenige za&#x0364;rtliche und<lb/>
verbindliche, was die Sprache einer vernu&#x0364;nftigen<lb/>
Liebe erfodert. Und denen, welche die gro&#x017F;&#x017F;e Welt<lb/>
kennen, hat es um deßwillen &#x017F;ehr wahr&#x017F;cheinlich vor-<lb/>
kommen wollen, daß die&#x017F;es Gedicht unter die lehr-<lb/>
reichen Fabeln, oder poeti&#x017F;chen Erza&#x0364;hlungen, geho&#x0364;-<lb/>
re. Es &#x017F;ey nirgends erho&#x0364;rt, &#x017F;prechen &#x017F;ie, daß ein<lb/>
paar Eheleute einander, bey lebendigem Leibe, &#x017F;o<lb/>
viele Schmeicheleyen in Ver&#x017F;en vor&#x017F;agen ko&#x0364;nnten.<lb/>
Es &#x017F;ey gar nicht mehr gebra&#x0364;uchlich, daß ein vereh-<lb/>
lichter Dichter, bey dem Leben &#x017F;einer Frau, ihr zu<lb/>
Ehren, nur die Ha&#x0364;lfte von dem Weihrauche ver-<lb/>
&#x017F;chwende, welchen er &#x017F;on&#x017F;t mit vollen Ha&#x0364;nden auf<lb/>
fremden Alta&#x0364;ren geopfert. Gemeiniglich ka&#x0364;men<lb/>
&#x017F;ie nicht eher ins poeti&#x017F;che Feuer, bis die Wohl&#x017F;e-<lb/>
ligver&#x017F;torbne auf der Bahre liege, und die ha&#x0364;ufi-<lb/>
gen Proben der Wittwerthra&#x0364;nen ließen uns noch<lb/>
vielmals ungewiß, ob der Schmerzlichgebeugte un-<lb/>
ter &#x017F;einem Flore vor Freuden, oder vor Schmerzen,<lb/>
geweint habe. Allein mir &#x017F;cheinen die&#x017F;e Urtheile<lb/>
und angefu&#x0364;hrten Gru&#x0364;nde &#x017F;ehr &#x017F;eichte. Jch ko&#x0364;nnte<lb/>
unter&#x017F;chiedne ge&#x017F;ammelte Proben von dergleichen<lb/>
Gedichten hier einru&#x0364;cken, aus denen man gleich<lb/>
in den er&#x017F;ten Zeilen &#x017F;ieht, daß der betru&#x0364;bte Witt-<lb/>
wer &#x017F;einer nicht ma&#x0364;chtig gewe&#x017F;en i&#x017F;t. Jch will mich<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">K 3</fw><fw place="bottom" type="catch">aber</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[149/0149] Noten ohne Text. Nach Gruͤnden) Denn eben itzt iſt die merk- wuͤrdige Zeit, da man nichts ohne zureichenden Grund thut. Das Gedicht aber auf ſeine Ehefrau) Man findet darinnen alles dasjenige zaͤrtliche und verbindliche, was die Sprache einer vernuͤnftigen Liebe erfodert. Und denen, welche die groſſe Welt kennen, hat es um deßwillen ſehr wahrſcheinlich vor- kommen wollen, daß dieſes Gedicht unter die lehr- reichen Fabeln, oder poetiſchen Erzaͤhlungen, gehoͤ- re. Es ſey nirgends erhoͤrt, ſprechen ſie, daß ein paar Eheleute einander, bey lebendigem Leibe, ſo viele Schmeicheleyen in Verſen vorſagen koͤnnten. Es ſey gar nicht mehr gebraͤuchlich, daß ein vereh- lichter Dichter, bey dem Leben ſeiner Frau, ihr zu Ehren, nur die Haͤlfte von dem Weihrauche ver- ſchwende, welchen er ſonſt mit vollen Haͤnden auf fremden Altaͤren geopfert. Gemeiniglich kaͤmen ſie nicht eher ins poetiſche Feuer, bis die Wohlſe- ligverſtorbne auf der Bahre liege, und die haͤufi- gen Proben der Wittwerthraͤnen ließen uns noch vielmals ungewiß, ob der Schmerzlichgebeugte un- ter ſeinem Flore vor Freuden, oder vor Schmerzen, geweint habe. Allein mir ſcheinen dieſe Urtheile und angefuͤhrten Gruͤnde ſehr ſeichte. Jch koͤnnte unterſchiedne geſammelte Proben von dergleichen Gedichten hier einruͤcken, aus denen man gleich in den erſten Zeilen ſieht, daß der betruͤbte Witt- wer ſeiner nicht maͤchtig geweſen iſt. Jch will mich aber K 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/149
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/149>, abgerufen am 22.11.2024.