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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

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Hinkmars von Repkow.
stand, errinnern, daß Martin Qvaast bereits unter
Johann Georg dem andern gestorben ist. Jch be-
merke dieses um deswillen, damit sich mein Leser
nicht übereilen, und diesen ritterlichen Pedanten un-
ter den Jtztlebenden suchen.

Des Dichters Leyer klingt) Zum ewigen
Ruhme meiner Landsleute muß ich hier errinnern,
daß wir dem Geschmacke und den Vorschriften der
Alten weit mehr folgen, als vielleicht die Ausländer
von uns glauben. Zwar dieses will ich eben nicht
behaupten, daß wir uns angelegen seyn ließen, die
natürlichen Ausdrücke, die erhabnen Gedanken,
die lebhaften Erfindungen, die lehrreichen Sprüche,
und andre Schönheiten nachzuahmen, welche man in
alten Zeiten für wesentliche Stücke eines göttlichen
Dichters ansahe; Allein, dieses wird uns niemand
streitig machen, daß wir noch eben so wohl auf dem
Rohre blasen, noch eben so wohl leyern, und unsre
Saiten noch eben so wohl stimmen, als Homer, Ana-
kreon, und die Dichter Roms gethan haben. Alle
unsre Hochzeit- und Leichenverse zeugen davon. Kein
Poet ist zu klein, er wird seinen Mäcen versichern,
daß er, nur ihm zu Ehren, die deutsche Laute
stimme. Und was ist gemeiner, als die Sprache
der Dichter, welche über ihr heischres Rohr seufzen.
Ja viele haben es so weit gebracht, daß sie zugleich auf
der Flöte blasen, zugleich die Saiten rühren, zugleich
auf der Leyer spielen, und welches fast unbegreiflich
ist, zugleich sich auf den Pegasus schwingen, und den
geschärften Kiel in die Hippokrene eintauchen kön-
nen; und zwar dieses alles in einer Zeit von vier

Versen.

Hinkmars von Repkow.
ſtand, errinnern, daß Martin Qvaaſt bereits unter
Johann Georg dem andern geſtorben iſt. Jch be-
merke dieſes um deswillen, damit ſich mein Leſer
nicht uͤbereilen, und dieſen ritterlichen Pedanten un-
ter den Jtztlebenden ſuchen.

Des Dichters Leyer klingt) Zum ewigen
Ruhme meiner Landsleute muß ich hier errinnern,
daß wir dem Geſchmacke und den Vorſchriften der
Alten weit mehr folgen, als vielleicht die Auslaͤnder
von uns glauben. Zwar dieſes will ich eben nicht
behaupten, daß wir uns angelegen ſeyn ließen, die
natuͤrlichen Ausdruͤcke, die erhabnen Gedanken,
die lebhaften Erfindungen, die lehrreichen Spruͤche,
und andre Schoͤnheiten nachzuahmen, welche man in
alten Zeiten fuͤr weſentliche Stuͤcke eines goͤttlichen
Dichters anſahe; Allein, dieſes wird uns niemand
ſtreitig machen, daß wir noch eben ſo wohl auf dem
Rohre blaſen, noch eben ſo wohl leyern, und unſre
Saiten noch eben ſo wohl ſtimmen, als Homer, Ana-
kreon, und die Dichter Roms gethan haben. Alle
unſre Hochzeit- und Leichenverſe zeugen davon. Kein
Poet iſt zu klein, er wird ſeinen Maͤcen verſichern,
daß er, nur ihm zu Ehren, die deutſche Laute
ſtimme. Und was iſt gemeiner, als die Sprache
der Dichter, welche uͤber ihr heiſchres Rohr ſeufzen.
Ja viele haben es ſo weit gebracht, daß ſie zugleich auf
der Floͤte blaſen, zugleich die Saiten ruͤhren, zugleich
auf der Leyer ſpielen, und welches faſt unbegreiflich
iſt, zugleich ſich auf den Pegaſus ſchwingen, und den
geſchaͤrften Kiel in die Hippokrene eintauchen koͤn-
nen; und zwar dieſes alles in einer Zeit von vier

Verſen.
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[140/0140] Hinkmars von Repkow. ſtand, errinnern, daß Martin Qvaaſt bereits unter Johann Georg dem andern geſtorben iſt. Jch be- merke dieſes um deswillen, damit ſich mein Leſer nicht uͤbereilen, und dieſen ritterlichen Pedanten un- ter den Jtztlebenden ſuchen. Des Dichters Leyer klingt) Zum ewigen Ruhme meiner Landsleute muß ich hier errinnern, daß wir dem Geſchmacke und den Vorſchriften der Alten weit mehr folgen, als vielleicht die Auslaͤnder von uns glauben. Zwar dieſes will ich eben nicht behaupten, daß wir uns angelegen ſeyn ließen, die natuͤrlichen Ausdruͤcke, die erhabnen Gedanken, die lebhaften Erfindungen, die lehrreichen Spruͤche, und andre Schoͤnheiten nachzuahmen, welche man in alten Zeiten fuͤr weſentliche Stuͤcke eines goͤttlichen Dichters anſahe; Allein, dieſes wird uns niemand ſtreitig machen, daß wir noch eben ſo wohl auf dem Rohre blaſen, noch eben ſo wohl leyern, und unſre Saiten noch eben ſo wohl ſtimmen, als Homer, Ana- kreon, und die Dichter Roms gethan haben. Alle unſre Hochzeit- und Leichenverſe zeugen davon. Kein Poet iſt zu klein, er wird ſeinen Maͤcen verſichern, daß er, nur ihm zu Ehren, die deutſche Laute ſtimme. Und was iſt gemeiner, als die Sprache der Dichter, welche uͤber ihr heiſchres Rohr ſeufzen. Ja viele haben es ſo weit gebracht, daß ſie zugleich auf der Floͤte blaſen, zugleich die Saiten ruͤhren, zugleich auf der Leyer ſpielen, und welches faſt unbegreiflich iſt, zugleich ſich auf den Pegaſus ſchwingen, und den geſchaͤrften Kiel in die Hippokrene eintauchen koͤn- nen; und zwar dieſes alles in einer Zeit von vier Verſen.

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/140>, abgerufen am 28.11.2024.