[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.der Glückwünschungsschreiben. ich aber aus Mitleiden verschweige, welche in demirrigen Wahne stehen, man müsse zuförderst wissen, was man schreiben wolle, und alsdann erst um die Worte und Ausdrückungen bekümmert seyn. Ver- kehrte Meynung! Worte muß man zuförderst ha- ben. Diese muß man mit einander verknüpfen; und alsdann sieht man, was man geschrieben hat. Es ist hier eben, wie mit der Poesie. Wenn ich den Reim 17 habe, so habe ich auch den Gedan- ken, welcher in den Vers soll; und wenn der Reim fehlt, so ist mir der schönste Gedanke nichts nütze. Je fremder die Worte sind, und ie weniger sie, ge- 17 Jch werde hiervon in meinem Poeta in nuce, oder in meiner Sammlung 10000 auserlesner Reime, vermittelst welcher man, besonders bey Magisterpromotionen, auf die leichteste poetische Art, satyrische und ernsthafte Gedichte binnen kurzer Zeit zu Papiere bringen kann, ausführlich handeln. 18 Es wollte mir hier schwer fallen, einen ordentlichen
Beweis zu machen. Jch bediene mich also mit großem Nutzen der Freyheit, welcher sich meine werthesten Mit- brüder vorlängst angemaaßt haben. Daß sie nämlich mit Gleichnissen reden, wenn ihnen die trocknen Schlüsse zu mühsam sind. der Gluͤckwuͤnſchungsſchreiben. ich aber aus Mitleiden verſchweige, welche in demirrigen Wahne ſtehen, man muͤſſe zufoͤrderſt wiſſen, was man ſchreiben wolle, und alsdann erſt um die Worte und Ausdruͤckungen bekuͤmmert ſeyn. Ver- kehrte Meynung! Worte muß man zufoͤrderſt ha- ben. Dieſe muß man mit einander verknuͤpfen; und alsdann ſieht man, was man geſchrieben hat. Es iſt hier eben, wie mit der Poeſie. Wenn ich den Reim 17 habe, ſo habe ich auch den Gedan- ken, welcher in den Vers ſoll; und wenn der Reim fehlt, ſo iſt mir der ſchoͤnſte Gedanke nichts nuͤtze. Je fremder die Worte ſind, und ie weniger ſie, ge- 17 Jch werde hiervon in meinem Poeta in nuce, oder in meiner Sammlung 10000 auserleſner Reime, vermittelſt welcher man, beſonders bey Magiſterpromotionen, auf die leichteſte poetiſche Art, ſatyriſche und ernſthafte Gedichte binnen kurzer Zeit zu Papiere bringen kann, ausfuͤhrlich handeln. 18 Es wollte mir hier ſchwer fallen, einen ordentlichen
Beweis zu machen. Jch bediene mich alſo mit großem Nutzen der Freyheit, welcher ſich meine wertheſten Mit- bruͤder vorlaͤngſt angemaaßt haben. Daß ſie naͤmlich mit Gleichniſſen reden, wenn ihnen die trocknen Schluͤſſe zu muͤhſam ſind. <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0089" n="15"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">der Gluͤckwuͤnſchungsſchreiben.</hi></fw><lb/> ich aber aus Mitleiden verſchweige, welche in dem<lb/> irrigen Wahne ſtehen, man muͤſſe zufoͤrderſt wiſſen,<lb/> was man ſchreiben wolle, und alsdann erſt um die<lb/> Worte und Ausdruͤckungen bekuͤmmert ſeyn. Ver-<lb/> kehrte Meynung! Worte muß man zufoͤrderſt ha-<lb/> ben. Dieſe muß man mit einander verknuͤpfen;<lb/> und alsdann ſieht man, was man geſchrieben hat.<lb/> Es iſt hier eben, wie mit der Poeſie. Wenn ich<lb/> den Reim <note place="foot" n="17">Jch werde hiervon in meinem <hi rendition="#aq">Poeta in nuce,</hi> oder in<lb/> meiner Sammlung 10000 auserleſner Reime, vermittelſt<lb/> welcher man, beſonders bey Magiſterpromotionen, auf die<lb/> leichteſte poetiſche Art, ſatyriſche und ernſthafte Gedichte<lb/> binnen kurzer Zeit zu Papiere bringen kann, ausfuͤhrlich<lb/> handeln.</note> habe, ſo habe ich auch den Gedan-<lb/> ken, welcher in den Vers ſoll; und wenn der Reim<lb/> fehlt, ſo iſt mir der ſchoͤnſte Gedanke nichts<lb/> nuͤtze.</p><lb/> <p>Je fremder die Worte ſind, und ie weniger ſie,<lb/> außer der Verknuͤpfung, Aehnlichkeit mit einander<lb/> haben, deſto ſchoͤner wird die Schrift. Es wuͤrde<lb/> ſehr gemein laſſen, wenn man nichts ſetzen wollte,<lb/> als was durch eine natuͤrliche Folge aus einander<lb/> floͤſſe. Jch will ein Gleichniß <note place="foot" n="18">Es wollte mir hier ſchwer fallen, einen ordentlichen<lb/> Beweis zu machen. Jch bediene mich alſo mit großem<lb/> Nutzen der Freyheit, welcher ſich meine wertheſten Mit-<lb/> bruͤder vorlaͤngſt angemaaßt haben. Daß ſie naͤmlich mit<lb/> Gleichniſſen reden, wenn ihnen die trocknen Schluͤſſe zu<lb/> muͤhſam ſind.</note> geben. Du<lb/> kennſt, mein Freund, jenes Frauenzimmer, welches<lb/> ihre ganze Nachbarſchaft in Verwunderung bringt.<lb/> Jhre Spitzen nimmt ſie aus Holland. Die Ohr-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ge-</fw><lb/></p> </body> </text> </TEI> [15/0089]
der Gluͤckwuͤnſchungsſchreiben.
ich aber aus Mitleiden verſchweige, welche in dem
irrigen Wahne ſtehen, man muͤſſe zufoͤrderſt wiſſen,
was man ſchreiben wolle, und alsdann erſt um die
Worte und Ausdruͤckungen bekuͤmmert ſeyn. Ver-
kehrte Meynung! Worte muß man zufoͤrderſt ha-
ben. Dieſe muß man mit einander verknuͤpfen;
und alsdann ſieht man, was man geſchrieben hat.
Es iſt hier eben, wie mit der Poeſie. Wenn ich
den Reim 17 habe, ſo habe ich auch den Gedan-
ken, welcher in den Vers ſoll; und wenn der Reim
fehlt, ſo iſt mir der ſchoͤnſte Gedanke nichts
nuͤtze.
Je fremder die Worte ſind, und ie weniger ſie,
außer der Verknuͤpfung, Aehnlichkeit mit einander
haben, deſto ſchoͤner wird die Schrift. Es wuͤrde
ſehr gemein laſſen, wenn man nichts ſetzen wollte,
als was durch eine natuͤrliche Folge aus einander
floͤſſe. Jch will ein Gleichniß 18 geben. Du
kennſt, mein Freund, jenes Frauenzimmer, welches
ihre ganze Nachbarſchaft in Verwunderung bringt.
Jhre Spitzen nimmt ſie aus Holland. Die Ohr-
ge-
17 Jch werde hiervon in meinem Poeta in nuce, oder in
meiner Sammlung 10000 auserleſner Reime, vermittelſt
welcher man, beſonders bey Magiſterpromotionen, auf die
leichteſte poetiſche Art, ſatyriſche und ernſthafte Gedichte
binnen kurzer Zeit zu Papiere bringen kann, ausfuͤhrlich
handeln.
18 Es wollte mir hier ſchwer fallen, einen ordentlichen
Beweis zu machen. Jch bediene mich alſo mit großem
Nutzen der Freyheit, welcher ſich meine wertheſten Mit-
bruͤder vorlaͤngſt angemaaßt haben. Daß ſie naͤmlich mit
Gleichniſſen reden, wenn ihnen die trocknen Schluͤſſe zu
muͤhſam ſind.
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