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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.

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der Glückwünschungsschreiben.
Sprachen. Die Kinder Noah verstunden einan-
der nicht mehr. Sie mußten sich trennen. Die
stolzen Nachkommen Sems ließen sich in dem fetten
Grunde Asiens nieder. Der braune Mohr er-
wählte sich die sandigten Gegenden Lybiens. Ob
es die Söhne Japhets gewesen, welche sich unsre
nördliche Gegend zum Sitze ausgelesen, mag ich
nicht untersuchen. Und es bemühen sich die Ge-
schichtsforscher noch bis itzt vergebens, wie die be-
malten Einwohner in jenes Land gekommen sind,
welches Columbus nach so späten Jahren wieder
bekannt gemacht hat. So sehr wurden diejeni-
gen zerstreut, welche allerseits Kinder eines Vaters
waren; und so wenig verstehen die Nachkommen
einander, deren Aeltern nur eine Sprache geredet
haben.

§. 2. Das Gute hat seinen Ursprung vielmals
einem Uebel zu danken. Aus der Zerrüttung der
Sprachen entstunden Gesellschaften. Diejenigen,
welche eine Sprache redeten, verstunden einan-
der, und schlugen sich daher zusammen. Die
meisten von solchen Gesellschaften hatten zwar keine
andre Absicht, als sich zu schützen, und zu nähren:
Viele aber giengen hierinnen weiter. Die Sorge
für ihren Leib hinderte sie nicht, an dasjenige zu den-
ken, was noch weit edler war. Sie bemühten sich,
ihre Seele und deren Kräfte zu bessern. Sie
richteten Schulen auf. Sie erfanden schöne Wis-
senschaften, und brachten sie in Aufnahme. Aegy-
pten legte den ersten Grundstein zu diesem vortreffli-
chem Gebäude. Griechenland that es ihm nach, und

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der Gluͤckwuͤnſchungsſchreiben.
Sprachen. Die Kinder Noah verſtunden einan-
der nicht mehr. Sie mußten ſich trennen. Die
ſtolzen Nachkommen Sems ließen ſich in dem fetten
Grunde Aſiens nieder. Der braune Mohr er-
waͤhlte ſich die ſandigten Gegenden Lybiens. Ob
es die Soͤhne Japhets geweſen, welche ſich unſre
noͤrdliche Gegend zum Sitze ausgeleſen, mag ich
nicht unterſuchen. Und es bemuͤhen ſich die Ge-
ſchichtsforſcher noch bis itzt vergebens, wie die be-
malten Einwohner in jenes Land gekommen ſind,
welches Columbus nach ſo ſpaͤten Jahren wieder
bekannt gemacht hat. So ſehr wurden diejeni-
gen zerſtreut, welche allerſeits Kinder eines Vaters
waren; und ſo wenig verſtehen die Nachkommen
einander, deren Aeltern nur eine Sprache geredet
haben.

§. 2. Das Gute hat ſeinen Urſprung vielmals
einem Uebel zu danken. Aus der Zerruͤttung der
Sprachen entſtunden Geſellſchaften. Diejenigen,
welche eine Sprache redeten, verſtunden einan-
der, und ſchlugen ſich daher zuſammen. Die
meiſten von ſolchen Geſellſchaften hatten zwar keine
andre Abſicht, als ſich zu ſchuͤtzen, und zu naͤhren:
Viele aber giengen hierinnen weiter. Die Sorge
fuͤr ihren Leib hinderte ſie nicht, an dasjenige zu den-
ken, was noch weit edler war. Sie bemuͤhten ſich,
ihre Seele und deren Kraͤfte zu beſſern. Sie
richteten Schulen auf. Sie erfanden ſchoͤne Wiſ-
ſenſchaften, und brachten ſie in Aufnahme. Aegy-
pten legte den erſten Grundſtein zu dieſem vortreffli-
chem Gebaͤude. Griechenland that es ihm nach, und

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[9/0083] der Gluͤckwuͤnſchungsſchreiben. Sprachen. Die Kinder Noah verſtunden einan- der nicht mehr. Sie mußten ſich trennen. Die ſtolzen Nachkommen Sems ließen ſich in dem fetten Grunde Aſiens nieder. Der braune Mohr er- waͤhlte ſich die ſandigten Gegenden Lybiens. Ob es die Soͤhne Japhets geweſen, welche ſich unſre noͤrdliche Gegend zum Sitze ausgeleſen, mag ich nicht unterſuchen. Und es bemuͤhen ſich die Ge- ſchichtsforſcher noch bis itzt vergebens, wie die be- malten Einwohner in jenes Land gekommen ſind, welches Columbus nach ſo ſpaͤten Jahren wieder bekannt gemacht hat. So ſehr wurden diejeni- gen zerſtreut, welche allerſeits Kinder eines Vaters waren; und ſo wenig verſtehen die Nachkommen einander, deren Aeltern nur eine Sprache geredet haben. §. 2. Das Gute hat ſeinen Urſprung vielmals einem Uebel zu danken. Aus der Zerruͤttung der Sprachen entſtunden Geſellſchaften. Diejenigen, welche eine Sprache redeten, verſtunden einan- der, und ſchlugen ſich daher zuſammen. Die meiſten von ſolchen Geſellſchaften hatten zwar keine andre Abſicht, als ſich zu ſchuͤtzen, und zu naͤhren: Viele aber giengen hierinnen weiter. Die Sorge fuͤr ihren Leib hinderte ſie nicht, an dasjenige zu den- ken, was noch weit edler war. Sie bemuͤhten ſich, ihre Seele und deren Kraͤfte zu beſſern. Sie richteten Schulen auf. Sie erfanden ſchoͤne Wiſ- ſenſchaften, und brachten ſie in Aufnahme. Aegy- pten legte den erſten Grundſtein zu dieſem vortreffli- chem Gebaͤude. Griechenland that es ihm nach, und uͤber- A 5

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/83>, abgerufen am 24.11.2024.