Gedanken des Autors über das Schreiben des Gratulanten*.
Der rechtschaffne Mann! Wie sehr würde ich dem guten Geschmack auf helfen, wenn ich ihn bey der Welt in einiges Ansehen setzen könnte! Es ist ohnedem aus mit unsrer Poesie; es ist ganz aus damit, denn man hat andre Begriffe von ihren Regeln, und Schönheiten, als ich davon habe. Die Vorschläge, die er indessen von mir er- warten kann, sind leicht vorauszusehen. Jch bin der Autor; ich rathe also zum Drucke. Vielleicht thut die undankbare Welt die Augen auf, wenn sie seine Wünsche beysammen sieht! Wenigstens kön- nen doch die Einkünfte davon, auf einige Zeit seine Seufzer hemmen. Sollte sich aber, weil der Ge- schmack sehr böse ist, kein Verleger finden: So will ich ihm eine Heirath vorschlagen, die ich vielleicht selbst suchen würde, wenn keine Philippine wäre. Folgende Liebeserklärung, welche schon vergangne Michaelmesse, bey meinem Verleger eingelaufen, aus Versehen aber liegen geblieben ist, wird ihm mehr Licht geben.
Allerschönster Herr Autor,
As ich gestern, meiner Gewohnheit nach, um die Zeit, wenn die jungen Herren und die Schrift- steller sich in der Allee sehen lassen, auch daselbst
spa-
* S. Belustigungen des Verstandes und Witzes 6 B. d. 168 u. f. S.
Gedanken des Autors uͤber das Schreiben des Gratulanten*.
Der rechtſchaffne Mann! Wie ſehr wuͤrde ich dem guten Geſchmack auf helfen, wenn ich ihn bey der Welt in einiges Anſehen ſetzen koͤnnte! Es iſt ohnedem aus mit unſrer Poeſie; es iſt ganz aus damit, denn man hat andre Begriffe von ihren Regeln, und Schoͤnheiten, als ich davon habe. Die Vorſchlaͤge, die er indeſſen von mir er- warten kann, ſind leicht vorauszuſehen. Jch bin der Autor; ich rathe alſo zum Drucke. Vielleicht thut die undankbare Welt die Augen auf, wenn ſie ſeine Wuͤnſche beyſammen ſieht! Wenigſtens koͤn- nen doch die Einkuͤnfte davon, auf einige Zeit ſeine Seufzer hemmen. Sollte ſich aber, weil der Ge- ſchmack ſehr boͤſe iſt, kein Verleger finden: So will ich ihm eine Heirath vorſchlagen, die ich vielleicht ſelbſt ſuchen wuͤrde, wenn keine Philippine waͤre. Folgende Liebeserklaͤrung, welche ſchon vergangne Michaelmeſſe, bey meinem Verleger eingelaufen, aus Verſehen aber liegen geblieben iſt, wird ihm mehr Licht geben.
Allerſchoͤnſter Herr Autor,
As ich geſtern, meiner Gewohnheit nach, um die Zeit, wenn die jungen Herren und die Schrift- ſteller ſich in der Allee ſehen laſſen, auch daſelbſt
ſpa-
* S. Beluſtigungen des Verſtandes und Witzes 6 B. d. 168 u. f. S.
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Gedanken des Autors
uͤber das Schreiben des Gratulanten *.
Der rechtſchaffne Mann! Wie ſehr wuͤrde ich
dem guten Geſchmack auf helfen, wenn ich
ihn bey der Welt in einiges Anſehen ſetzen
koͤnnte! Es iſt ohnedem aus mit unſrer Poeſie; es
iſt ganz aus damit, denn man hat andre Begriffe
von ihren Regeln, und Schoͤnheiten, als ich davon
habe. Die Vorſchlaͤge, die er indeſſen von mir er-
warten kann, ſind leicht vorauszuſehen. Jch bin
der Autor; ich rathe alſo zum Drucke. Vielleicht
thut die undankbare Welt die Augen auf, wenn ſie
ſeine Wuͤnſche beyſammen ſieht! Wenigſtens koͤn-
nen doch die Einkuͤnfte davon, auf einige Zeit ſeine
Seufzer hemmen. Sollte ſich aber, weil der Ge-
ſchmack ſehr boͤſe iſt, kein Verleger finden: So will
ich ihm eine Heirath vorſchlagen, die ich vielleicht
ſelbſt ſuchen wuͤrde, wenn keine Philippine waͤre.
Folgende Liebeserklaͤrung, welche ſchon vergangne
Michaelmeſſe, bey meinem Verleger eingelaufen,
aus Verſehen aber liegen geblieben iſt, wird ihm
mehr Licht geben.
Allerſchoͤnſter Herr Autor,
As ich geſtern, meiner Gewohnheit nach, um die
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* S. Beluſtigungen des Verſtandes und Witzes 6 B. d. 168
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/279>, abgerufen am 22.02.2025.
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