[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.Eine Todtenliste von Nic. Klimen. wieder von mir, und ließ mich voller Schrecken ste-hen; denn ich hatte geglaubt, er würde mich zum wenigsten erwürgen wollen. Er hat sich vielmals des Nachts aus den Armen seiner Frau gerissen, wenn ihm eine astronomische Speculation einfiel. Anfangs kam ihr dieses sehr unerträglich vor, und sie hat zu gewissen Zeiten mehr über die Sterne ge- seufzet, als mancher Liebhaber nicht thut. Endlich aber fand sie Gelegenheit, die Abwesenheit ihres Mannes durch den Zuspruch solcher Leute zu erse- tzen, welche irrdischer gesinnt waren, als jener. Je gestirnter der Himmel war, desto ungestörter blieb sie in ihrem Vergnügen; und wenn der Mann eine Mondenfinsterniß zu besorgen hatte, so konnte sie gewiß glauben, daß er an sie nicht denken würde. Schrei-
Eine Todtenliſte von Nic. Klimen. wieder von mir, und ließ mich voller Schrecken ſte-hen; denn ich hatte geglaubt, er wuͤrde mich zum wenigſten erwuͤrgen wollen. Er hat ſich vielmals des Nachts aus den Armen ſeiner Frau geriſſen, wenn ihm eine aſtronomiſche Speculation einfiel. Anfangs kam ihr dieſes ſehr unertraͤglich vor, und ſie hat zu gewiſſen Zeiten mehr uͤber die Sterne ge- ſeufzet, als mancher Liebhaber nicht thut. Endlich aber fand ſie Gelegenheit, die Abweſenheit ihres Mannes durch den Zuſpruch ſolcher Leute zu erſe- tzen, welche irrdiſcher geſinnt waren, als jener. Je geſtirnter der Himmel war, deſto ungeſtoͤrter blieb ſie in ihrem Vergnuͤgen; und wenn der Mann eine Mondenfinſterniß zu beſorgen hatte, ſo konnte ſie gewiß glauben, daß er an ſie nicht denken wuͤrde. Schrei-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div> <p><pb facs="#f0266" n="192"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Eine Todtenliſte von Nic. Klimen.</hi></fw><lb/> wieder von mir, und ließ mich voller Schrecken ſte-<lb/> hen; denn ich hatte geglaubt, er wuͤrde mich zum<lb/> wenigſten erwuͤrgen wollen. Er hat ſich vielmals<lb/> des Nachts aus den Armen ſeiner Frau geriſſen,<lb/> wenn ihm eine aſtronomiſche Speculation einfiel.<lb/> Anfangs kam ihr dieſes ſehr unertraͤglich vor, und<lb/> ſie hat zu gewiſſen Zeiten mehr uͤber die Sterne ge-<lb/> ſeufzet, als mancher Liebhaber nicht thut. Endlich<lb/> aber fand ſie Gelegenheit, die Abweſenheit ihres<lb/> Mannes durch den Zuſpruch ſolcher Leute zu erſe-<lb/> tzen, welche irrdiſcher geſinnt waren, als jener. Je<lb/> geſtirnter der Himmel war, deſto ungeſtoͤrter blieb<lb/> ſie in ihrem Vergnuͤgen; und wenn der Mann eine<lb/><hi rendition="#c">Mondenfinſterniß zu beſorgen hatte, ſo konnte<lb/> ſie gewiß glauben, daß er an ſie nicht<lb/> denken wuͤrde.</hi></p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">Schrei-</hi> </fw><lb/> </body> </text> </TEI> [192/0266]
Eine Todtenliſte von Nic. Klimen.
wieder von mir, und ließ mich voller Schrecken ſte-
hen; denn ich hatte geglaubt, er wuͤrde mich zum
wenigſten erwuͤrgen wollen. Er hat ſich vielmals
des Nachts aus den Armen ſeiner Frau geriſſen,
wenn ihm eine aſtronomiſche Speculation einfiel.
Anfangs kam ihr dieſes ſehr unertraͤglich vor, und
ſie hat zu gewiſſen Zeiten mehr uͤber die Sterne ge-
ſeufzet, als mancher Liebhaber nicht thut. Endlich
aber fand ſie Gelegenheit, die Abweſenheit ihres
Mannes durch den Zuſpruch ſolcher Leute zu erſe-
tzen, welche irrdiſcher geſinnt waren, als jener. Je
geſtirnter der Himmel war, deſto ungeſtoͤrter blieb
ſie in ihrem Vergnuͤgen; und wenn der Mann eine
Mondenfinſterniß zu beſorgen hatte, ſo konnte
ſie gewiß glauben, daß er an ſie nicht
denken wuͤrde.
Schrei-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |