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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.

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von Nicolaus Klimen.
War noch etwas vermögend, ihn zu beruhigen, so
waren es die vielen Exempel kluger Kinder, welche
eben diese frühzeitige Klugheit unter die Erde ge-
bracht hatte. Er prophezeihte sich um deswillen ein
hohes Alter, und die ganze Stadt glaubt es, daß er
über hundert Jahr leben kann, wenn der Verstand
der Gesundheit schädlich ist.

Sivard Stärcoter, ein Astronomus, welcher
am Tage die Sonne, und des Nachts den Mond
mit so unermüdetem Fleiße beschaute, daß er zu
nichts weiter geschickt war, als an die Gestirne zu
sehen. Bey den unaufhörlichen Betrachtungen
des Himmels, hatte er memals Zeit gehabt, dasje-
nige zu lernen, was auf der Erde, und in dem Um-
gange mit Menschen, zu wissen nöthig ist. Er war
dadurch so tiefsinnig geworden, daß er seiner selbst
vergaß. Mehr als einmal geschah es, daß er des
Morgens im Schlafpelze, und ohne Hosen aus-
gieng. Wer ihm begegnete, dem sah er starr in die
Augen, schüttelte mit dem Kopfe, und redete nicht
ein Wort. Aber von allem diesen wußte seine
Seele nichts; denn der Körper bewegte sich nur
mechanisch. Kurz vor seinem Tode sah er mich in
der Kirche; er gieng auf mich los, packte mich bey
der Halskrause an, und sagte mit einer zerstreuten und
mathematischen Miene zu mir: Die eccentrische
Anomalie ist der Bogen des eccentrischen Zir-
kels, zwischen der Linie Apsidum; das sollte
er lange wissen, und ich schäme mich, daß ich
es ihm erst itzt sagen muß.
Darauf gieng er

wieder

von Nicolaus Klimen.
War noch etwas vermoͤgend, ihn zu beruhigen, ſo
waren es die vielen Exempel kluger Kinder, welche
eben dieſe fruͤhzeitige Klugheit unter die Erde ge-
bracht hatte. Er prophezeihte ſich um deswillen ein
hohes Alter, und die ganze Stadt glaubt es, daß er
uͤber hundert Jahr leben kann, wenn der Verſtand
der Geſundheit ſchaͤdlich iſt.

Sivard Staͤrcoter, ein Aſtronomus, welcher
am Tage die Sonne, und des Nachts den Mond
mit ſo unermuͤdetem Fleiße beſchaute, daß er zu
nichts weiter geſchickt war, als an die Geſtirne zu
ſehen. Bey den unaufhoͤrlichen Betrachtungen
des Himmels, hatte er memals Zeit gehabt, dasje-
nige zu lernen, was auf der Erde, und in dem Um-
gange mit Menſchen, zu wiſſen noͤthig iſt. Er war
dadurch ſo tiefſinnig geworden, daß er ſeiner ſelbſt
vergaß. Mehr als einmal geſchah es, daß er des
Morgens im Schlafpelze, und ohne Hoſen aus-
gieng. Wer ihm begegnete, dem ſah er ſtarr in die
Augen, ſchuͤttelte mit dem Kopfe, und redete nicht
ein Wort. Aber von allem dieſen wußte ſeine
Seele nichts; denn der Koͤrper bewegte ſich nur
mechaniſch. Kurz vor ſeinem Tode ſah er mich in
der Kirche; er gieng auf mich los, packte mich bey
der Halskrauſe an, und ſagte mit einer zerſtreuten und
mathematiſchen Miene zu mir: Die eccentriſche
Anomalie iſt der Bogen des eccentriſchen Zir-
kels, zwiſchen der Linie Apſidum; das ſollte
er lange wiſſen, und ich ſchaͤme mich, daß ich
es ihm erſt itzt ſagen muß.
Darauf gieng er

wieder
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[191/0265] von Nicolaus Klimen. War noch etwas vermoͤgend, ihn zu beruhigen, ſo waren es die vielen Exempel kluger Kinder, welche eben dieſe fruͤhzeitige Klugheit unter die Erde ge- bracht hatte. Er prophezeihte ſich um deswillen ein hohes Alter, und die ganze Stadt glaubt es, daß er uͤber hundert Jahr leben kann, wenn der Verſtand der Geſundheit ſchaͤdlich iſt. Sivard Staͤrcoter, ein Aſtronomus, welcher am Tage die Sonne, und des Nachts den Mond mit ſo unermuͤdetem Fleiße beſchaute, daß er zu nichts weiter geſchickt war, als an die Geſtirne zu ſehen. Bey den unaufhoͤrlichen Betrachtungen des Himmels, hatte er memals Zeit gehabt, dasje- nige zu lernen, was auf der Erde, und in dem Um- gange mit Menſchen, zu wiſſen noͤthig iſt. Er war dadurch ſo tiefſinnig geworden, daß er ſeiner ſelbſt vergaß. Mehr als einmal geſchah es, daß er des Morgens im Schlafpelze, und ohne Hoſen aus- gieng. Wer ihm begegnete, dem ſah er ſtarr in die Augen, ſchuͤttelte mit dem Kopfe, und redete nicht ein Wort. Aber von allem dieſen wußte ſeine Seele nichts; denn der Koͤrper bewegte ſich nur mechaniſch. Kurz vor ſeinem Tode ſah er mich in der Kirche; er gieng auf mich los, packte mich bey der Halskrauſe an, und ſagte mit einer zerſtreuten und mathematiſchen Miene zu mir: Die eccentriſche Anomalie iſt der Bogen des eccentriſchen Zir- kels, zwiſchen der Linie Apſidum; das ſollte er lange wiſſen, und ich ſchaͤme mich, daß ich es ihm erſt itzt ſagen muß. Darauf gieng er wieder

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/265>, abgerufen am 24.11.2024.