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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.

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von Nicolaus Klimen.
talien. Als sie zum fünftenmale in die Wochen
kam, so schien er ganz untröstbar; da er aber gar
hörte, daß es eine Tochter wäre, so gerieth er in
eiue solche Verzweiflung, daß er Bonis cediren woll-
te, weil er glaubte, wer Töchter hätte, und sie nach
der Mode erziehen sollte, der müßte banquerot wer-
den, er sey auch so ehrlich, als er wolle. Starb
ihm ein Kind, so war er allemal so vergnügt dar-
über, als wäre ihm eine ungewisse Schuld einge-
gangen. Seine Frau gewöhnte er zu allen Arten
der Mäßigkeit, und sie würde sich haben sehr elend
behelfen müssen, wenn sie nicht schön ausgesehen
hätte, auf solche Weise aber fanden sich verschiedne
Liebhaber ihrer Waare, und sie verstund ihren
Handel vortrefflich. Der Mann wußte dieses;
er schien aber nicht eifersüchtig zu seyn: denn er
meynte, es müsse jedermann mit seinem Pfunde
wuchern, so gut er könne; seine Frau thue nichts
umsonst, und was ihm dadurch an der Ehre ab-
gienge, das komme ihm am Gelde wieder zu gute;
er gewinne also mehr dabey, als er verliere. Er
war mit seiner Tochter unglücklich; er konnte auch
in der That seine Betrübniß darüber nicht bergen,
doch zog er sich nicht so wohl die Schande, als die
Vermehrung, seiner Familie zu Gemüthe. Er
wollte diese ungerathne Tochter enterben, als er
hörte, daß sie bloß aus Neigung gegen ihren Lieb-
haber diesen Fehltritt gethan hatte. Da aber die-
ser sich erklärte, sie zu heirathen, und zwar ohne
Mitgift, so kam er auf einmal wieder zu sich selbst,
und hielt diese Begebenheit für die glücklichste in

sei-

von Nicolaus Klimen.
talien. Als ſie zum fuͤnftenmale in die Wochen
kam, ſo ſchien er ganz untroͤſtbar; da er aber gar
hoͤrte, daß es eine Tochter waͤre, ſo gerieth er in
eiue ſolche Verzweiflung, daß er Bonis cediren woll-
te, weil er glaubte, wer Toͤchter haͤtte, und ſie nach
der Mode erziehen ſollte, der muͤßte banquerot wer-
den, er ſey auch ſo ehrlich, als er wolle. Starb
ihm ein Kind, ſo war er allemal ſo vergnuͤgt dar-
uͤber, als waͤre ihm eine ungewiſſe Schuld einge-
gangen. Seine Frau gewoͤhnte er zu allen Arten
der Maͤßigkeit, und ſie wuͤrde ſich haben ſehr elend
behelfen muͤſſen, wenn ſie nicht ſchoͤn ausgeſehen
haͤtte, auf ſolche Weiſe aber fanden ſich verſchiedne
Liebhaber ihrer Waare, und ſie verſtund ihren
Handel vortrefflich. Der Mann wußte dieſes;
er ſchien aber nicht eiferſuͤchtig zu ſeyn: denn er
meynte, es muͤſſe jedermann mit ſeinem Pfunde
wuchern, ſo gut er koͤnne; ſeine Frau thue nichts
umſonſt, und was ihm dadurch an der Ehre ab-
gienge, das komme ihm am Gelde wieder zu gute;
er gewinne alſo mehr dabey, als er verliere. Er
war mit ſeiner Tochter ungluͤcklich; er konnte auch
in der That ſeine Betruͤbniß daruͤber nicht bergen,
doch zog er ſich nicht ſo wohl die Schande, als die
Vermehrung, ſeiner Familie zu Gemuͤthe. Er
wollte dieſe ungerathne Tochter enterben, als er
hoͤrte, daß ſie bloß aus Neigung gegen ihren Lieb-
haber dieſen Fehltritt gethan hatte. Da aber die-
ſer ſich erklaͤrte, ſie zu heirathen, und zwar ohne
Mitgift, ſo kam er auf einmal wieder zu ſich ſelbſt,
und hielt dieſe Begebenheit fuͤr die gluͤcklichſte in

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[187/0261] von Nicolaus Klimen. talien. Als ſie zum fuͤnftenmale in die Wochen kam, ſo ſchien er ganz untroͤſtbar; da er aber gar hoͤrte, daß es eine Tochter waͤre, ſo gerieth er in eiue ſolche Verzweiflung, daß er Bonis cediren woll- te, weil er glaubte, wer Toͤchter haͤtte, und ſie nach der Mode erziehen ſollte, der muͤßte banquerot wer- den, er ſey auch ſo ehrlich, als er wolle. Starb ihm ein Kind, ſo war er allemal ſo vergnuͤgt dar- uͤber, als waͤre ihm eine ungewiſſe Schuld einge- gangen. Seine Frau gewoͤhnte er zu allen Arten der Maͤßigkeit, und ſie wuͤrde ſich haben ſehr elend behelfen muͤſſen, wenn ſie nicht ſchoͤn ausgeſehen haͤtte, auf ſolche Weiſe aber fanden ſich verſchiedne Liebhaber ihrer Waare, und ſie verſtund ihren Handel vortrefflich. Der Mann wußte dieſes; er ſchien aber nicht eiferſuͤchtig zu ſeyn: denn er meynte, es muͤſſe jedermann mit ſeinem Pfunde wuchern, ſo gut er koͤnne; ſeine Frau thue nichts umſonſt, und was ihm dadurch an der Ehre ab- gienge, das komme ihm am Gelde wieder zu gute; er gewinne alſo mehr dabey, als er verliere. Er war mit ſeiner Tochter ungluͤcklich; er konnte auch in der That ſeine Betruͤbniß daruͤber nicht bergen, doch zog er ſich nicht ſo wohl die Schande, als die Vermehrung, ſeiner Familie zu Gemuͤthe. Er wollte dieſe ungerathne Tochter enterben, als er hoͤrte, daß ſie bloß aus Neigung gegen ihren Lieb- haber dieſen Fehltritt gethan hatte. Da aber die- ſer ſich erklaͤrte, ſie zu heirathen, und zwar ohne Mitgift, ſo kam er auf einmal wieder zu ſich ſelbſt, und hielt dieſe Begebenheit fuͤr die gluͤcklichſte in ſei-

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/261>, abgerufen am 24.11.2024.