[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.Eine Todtenliste doch so lange herum zu zerren, bis er in demselbeneinen Gedanken fand, der sich zur Wiege schickte. Die Deutschen haben ihm die Erfindung der Leber- reime zu danken, welche er, zum erstenmale an des Stadtschulzens Geburtstage, aus dem Stegreife machte, da er so trunken war, daß er von seinem Verstande nicht wußte. Er war weder eigennützig, noch geizig, und für sechzehen Groschen schüttete er sein ganzes Herz aus. Er starb auch in großer Ar- muth, und hinterließ nichts, als einen Lorbeerkranz, und einen zerrißnen Mantel. Suante Stuve, verwaltete das Stadtschul- Peter Brahe, ein witziger Kopf, ein Wunder men
Eine Todtenliſte doch ſo lange herum zu zerren, bis er in demſelbeneinen Gedanken fand, der ſich zur Wiege ſchickte. Die Deutſchen haben ihm die Erfindung der Leber- reime zu danken, welche er, zum erſtenmale an des Stadtſchulzens Geburtstage, aus dem Stegreife machte, da er ſo trunken war, daß er von ſeinem Verſtande nicht wußte. Er war weder eigennuͤtzig, noch geizig, und fuͤr ſechzehen Groſchen ſchuͤttete er ſein ganzes Herz aus. Er ſtarb auch in großer Ar- muth, und hinterließ nichts, als einen Lorbeerkranz, und einen zerrißnen Mantel. Suante Stuve, verwaltete das Stadtſchul- Peter Brahe, ein witziger Kopf, ein Wunder men
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Eine Todtenliſte
doch ſo lange herum zu zerren, bis er in demſelben
einen Gedanken fand, der ſich zur Wiege ſchickte.
Die Deutſchen haben ihm die Erfindung der Leber-
reime zu danken, welche er, zum erſtenmale an des
Stadtſchulzens Geburtstage, aus dem Stegreife
machte, da er ſo trunken war, daß er von ſeinem
Verſtande nicht wußte. Er war weder eigennuͤtzig,
noch geizig, und fuͤr ſechzehen Groſchen ſchuͤttete er
ſein ganzes Herz aus. Er ſtarb auch in großer Ar-
muth, und hinterließ nichts, als einen Lorbeerkranz,
und einen zerrißnen Mantel.
Suante Stuve, verwaltete das Stadtſchul-
zenamt zwanzig Jahre lang; ſeine Frau aber hatte
das Directorium actorum. Dieſe machte auch die
Abſchiede, und die Parteyen mußten in ihrer Kuͤ-
che gegen einander verfahren. Wer daſelbſt nicht
erſchien, der ward ſachfaͤllig; wer aber den groͤßten
Braten ſchickte, der hatte das groͤßte Recht. Schie-
nen die Sachen gar zu zweifelhaft zu ſeyn, ſo muß-
ten die Parteyen wuͤrfeln; derjenige gewann den
Proceß, der die meiſten Augen warf. Der Stadt-
ſchreiber war ſein Schwiegerſohn, und hatte bey
ihm freyen Tiſch.
Peter Brahe, ein witziger Kopf, ein Wunder
der ſpielenden Natur, ein Greis von zwanzig Jah-
ren. Alles war fruͤhzeitig an unſerm Brahe.
Schon im ſiebenten Jahre war er kluͤger, als ſeine
Aeltern und Lehrmeiſter; im vierzehenten verwickel-
te er ſich in gelehrte Streitigkeiten, und ſchrieb kri-
tiſche Anmerkungen uͤber die philoſophiſchen Buͤcher
ſeiner Zeit, welches in Norwegen einen großen Laͤr-
men
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