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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.

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Von der Zuläßigkeit
geiz, und die Wollust. Jch glaube, es giebt noch
einige Sachen, welche man so gar füglich unter ei-
nes von diesen dreyen Lastern nicht bringen kann,
und mit denen die Satyre doch auch zu thun hat.
Jch weis nicht, ob ich es werde ehrgeizig, geld-
geizig oder gar wollüstig nennen können, wenn
das Frauenzimmer Jhres Orts in der größten
Kälte mit dem Fächer geht, oder ein artiger Herr
im Sturme und Regen den Huth unter dem Arme
trägt. Dergleichen Gewohnheiten sind nicht la-
sterhaft, aber vielleicht lächerlich; und es bleibt ei-
nem Satyrenschreiber unverwehrt, über beide zu
lachen. Mit einigen Dingen der Gelehrsamkeit
hat es gleiche Bewandniß. Jch will nur ein ein-
ziges anführen. Wer über diejenige Schreibart
spotten wollte, die in öffentlichen Gerichten einge-
führt ist, und die man den Stylum curiae nennt,
der würde unrecht handeln. Wenn aber Javole-
nus an seine Schöne ein Schreiben schickt, das ei-
ner Rüge ähnlicher sieht, als einem Liebesbriefe; so
ist Javolenus ein Pedant. Er ist nicht lasterhaft;
er verdient aber doch, daß man ihm seine Thorheit
vorrückt.

Wenn die Satyre die Laster der Menschen
straft: So vertritt sie die Stelle der Wahrheit.
Gleichwie aber diese keine Verstellung, noch einiges
Ansehen der Person, leidet; also könnte es auch
scheinen, daß die Satyre keines Menschen schonen
dürfe. Wenn ich dieses behauptete, so würden

sonder

Von der Zulaͤßigkeit
geiz, und die Wolluſt. Jch glaube, es giebt noch
einige Sachen, welche man ſo gar fuͤglich unter ei-
nes von dieſen dreyen Laſtern nicht bringen kann,
und mit denen die Satyre doch auch zu thun hat.
Jch weis nicht, ob ich es werde ehrgeizig, geld-
geizig oder gar wolluͤſtig nennen koͤnnen, wenn
das Frauenzimmer Jhres Orts in der groͤßten
Kaͤlte mit dem Faͤcher geht, oder ein artiger Herr
im Sturme und Regen den Huth unter dem Arme
traͤgt. Dergleichen Gewohnheiten ſind nicht la-
ſterhaft, aber vielleicht laͤcherlich; und es bleibt ei-
nem Satyrenſchreiber unverwehrt, uͤber beide zu
lachen. Mit einigen Dingen der Gelehrſamkeit
hat es gleiche Bewandniß. Jch will nur ein ein-
ziges anfuͤhren. Wer uͤber diejenige Schreibart
ſpotten wollte, die in oͤffentlichen Gerichten einge-
fuͤhrt iſt, und die man den Stylum curiae nennt,
der wuͤrde unrecht handeln. Wenn aber Javole-
nus an ſeine Schoͤne ein Schreiben ſchickt, das ei-
ner Ruͤge aͤhnlicher ſieht, als einem Liebesbriefe; ſo
iſt Javolenus ein Pedant. Er iſt nicht laſterhaft;
er verdient aber doch, daß man ihm ſeine Thorheit
vorruͤckt.

Wenn die Satyre die Laſter der Menſchen
ſtraft: So vertritt ſie die Stelle der Wahrheit.
Gleichwie aber dieſe keine Verſtellung, noch einiges
Anſehen der Perſon, leidet; alſo koͤnnte es auch
ſcheinen, daß die Satyre keines Menſchen ſchonen
duͤrfe. Wenn ich dieſes behauptete, ſo wuͤrden

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[142/0216] Von der Zulaͤßigkeit geiz, und die Wolluſt. Jch glaube, es giebt noch einige Sachen, welche man ſo gar fuͤglich unter ei- nes von dieſen dreyen Laſtern nicht bringen kann, und mit denen die Satyre doch auch zu thun hat. Jch weis nicht, ob ich es werde ehrgeizig, geld- geizig oder gar wolluͤſtig nennen koͤnnen, wenn das Frauenzimmer Jhres Orts in der groͤßten Kaͤlte mit dem Faͤcher geht, oder ein artiger Herr im Sturme und Regen den Huth unter dem Arme traͤgt. Dergleichen Gewohnheiten ſind nicht la- ſterhaft, aber vielleicht laͤcherlich; und es bleibt ei- nem Satyrenſchreiber unverwehrt, uͤber beide zu lachen. Mit einigen Dingen der Gelehrſamkeit hat es gleiche Bewandniß. Jch will nur ein ein- ziges anfuͤhren. Wer uͤber diejenige Schreibart ſpotten wollte, die in oͤffentlichen Gerichten einge- fuͤhrt iſt, und die man den Stylum curiae nennt, der wuͤrde unrecht handeln. Wenn aber Javole- nus an ſeine Schoͤne ein Schreiben ſchickt, das ei- ner Ruͤge aͤhnlicher ſieht, als einem Liebesbriefe; ſo iſt Javolenus ein Pedant. Er iſt nicht laſterhaft; er verdient aber doch, daß man ihm ſeine Thorheit vorruͤckt. Wenn die Satyre die Laſter der Menſchen ſtraft: So vertritt ſie die Stelle der Wahrheit. Gleichwie aber dieſe keine Verſtellung, noch einiges Anſehen der Perſon, leidet; alſo koͤnnte es auch ſcheinen, daß die Satyre keines Menſchen ſchonen duͤrfe. Wenn ich dieſes behauptete, ſo wuͤrden ſonder

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/216>, abgerufen am 27.11.2024.