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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.

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der Satyre.

Allein, die Satyre hat noch andre Feinde, wel-
che behutsamer gehen. Sie loben die Einrichtung
und Absicht derselben; sie geben aber nicht zu, daß je-
mals ein Lasterhafter dadurch gebessert worden sey.
Jchweis nicht, ob diese Wahrheit allgemein ist.
Bessert die Satyre nicht allemal den Lasterhaften;
so hält sie doch vielleicht andre ab, lasterhaft zu wer-
den. Fiele aber auch gleich beides weg; so muß
die Satyre doch in ihrem Werthe bleiben. Nicht
in ihr, sondern in den Gemüthern der Menschen
wäre der Fehler zu suchen. Wenn die Schaubüh-
ne so eingerichtet ist, wie sie seyn soll: So verdient
sie alle diejenige Hochachtung, welche man einer
Sittenschule schuldig ist; und dennoch halte ich es
für mühsam, die Beyspiele derer beyzubringen, wel-
che durch die Schaubühne gebessert worden sind.
Wir stehen dabey; wir lachen über die Thorheiten;
wir haben Mitleiden mit der unterdrückten Tugend;
wir können uns kaum der Thränen enthalten, wenn
wir das standhafte Christenthum der Zayre sehen:
Werden wir aber allemal tugendhafter? Werden
wir beßre Christen? Wenigstens liegt der Fehler
nicht an der Schaubühne.

Man könnte noch sagen: Durch die Satyre
erregen wir den Zorn andrer gegen uns; wir ma-
chen uns Feinde: wäre es nicht also den Regeln
der Klugheit gemäß, sich mit einer so gefährlichen
Arbeit gar nicht zu vermengen? Jch weis beynahe
nicht, was ich hierauf antworten soll.

Die
der Satyre.

Allein, die Satyre hat noch andre Feinde, wel-
che behutſamer gehen. Sie loben die Einrichtung
und Abſicht derſelben; ſie geben aber nicht zu, daß je-
mals ein Laſterhafter dadurch gebeſſert worden ſey.
Jchweis nicht, ob dieſe Wahrheit allgemein iſt.
Beſſert die Satyre nicht allemal den Laſterhaften;
ſo haͤlt ſie doch vielleicht andre ab, laſterhaft zu wer-
den. Fiele aber auch gleich beides weg; ſo muß
die Satyre doch in ihrem Werthe bleiben. Nicht
in ihr, ſondern in den Gemuͤthern der Menſchen
waͤre der Fehler zu ſuchen. Wenn die Schaubuͤh-
ne ſo eingerichtet iſt, wie ſie ſeyn ſoll: So verdient
ſie alle diejenige Hochachtung, welche man einer
Sittenſchule ſchuldig iſt; und dennoch halte ich es
fuͤr muͤhſam, die Beyſpiele derer beyzubringen, wel-
che durch die Schaubuͤhne gebeſſert worden ſind.
Wir ſtehen dabey; wir lachen uͤber die Thorheiten;
wir haben Mitleiden mit der unterdruͤckten Tugend;
wir koͤnnen uns kaum der Thraͤnen enthalten, wenn
wir das ſtandhafte Chriſtenthum der Zayre ſehen:
Werden wir aber allemal tugendhafter? Werden
wir beßre Chriſten? Wenigſtens liegt der Fehler
nicht an der Schaubuͤhne.

Man koͤnnte noch ſagen: Durch die Satyre
erregen wir den Zorn andrer gegen uns; wir ma-
chen uns Feinde: waͤre es nicht alſo den Regeln
der Klugheit gemaͤß, ſich mit einer ſo gefaͤhrlichen
Arbeit gar nicht zu vermengen? Jch weis beynahe
nicht, was ich hierauf antworten ſoll.

Die
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[139/0213] der Satyre. Allein, die Satyre hat noch andre Feinde, wel- che behutſamer gehen. Sie loben die Einrichtung und Abſicht derſelben; ſie geben aber nicht zu, daß je- mals ein Laſterhafter dadurch gebeſſert worden ſey. Jchweis nicht, ob dieſe Wahrheit allgemein iſt. Beſſert die Satyre nicht allemal den Laſterhaften; ſo haͤlt ſie doch vielleicht andre ab, laſterhaft zu wer- den. Fiele aber auch gleich beides weg; ſo muß die Satyre doch in ihrem Werthe bleiben. Nicht in ihr, ſondern in den Gemuͤthern der Menſchen waͤre der Fehler zu ſuchen. Wenn die Schaubuͤh- ne ſo eingerichtet iſt, wie ſie ſeyn ſoll: So verdient ſie alle diejenige Hochachtung, welche man einer Sittenſchule ſchuldig iſt; und dennoch halte ich es fuͤr muͤhſam, die Beyſpiele derer beyzubringen, wel- che durch die Schaubuͤhne gebeſſert worden ſind. Wir ſtehen dabey; wir lachen uͤber die Thorheiten; wir haben Mitleiden mit der unterdruͤckten Tugend; wir koͤnnen uns kaum der Thraͤnen enthalten, wenn wir das ſtandhafte Chriſtenthum der Zayre ſehen: Werden wir aber allemal tugendhafter? Werden wir beßre Chriſten? Wenigſtens liegt der Fehler nicht an der Schaubuͤhne. Man koͤnnte noch ſagen: Durch die Satyre erregen wir den Zorn andrer gegen uns; wir ma- chen uns Feinde: waͤre es nicht alſo den Regeln der Klugheit gemaͤß, ſich mit einer ſo gefaͤhrlichen Arbeit gar nicht zu vermengen? Jch weis beynahe nicht, was ich hierauf antworten ſoll. Die

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/213>, abgerufen am 24.11.2024.