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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.

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Mein Herr,

Sie verlangen meine Gedanken von der Saty-
re zu wissen. Jch soll Jhnen sagen, ob ich
solche für zuläßig halte, und was vornehm-
lich bey deren Verfertigung zu beobachten sey.
Vielleicht könnte ich der Mühe, davon zu schreiben,
überhoben seyn, wenn ich Sie auf diejenigen Bü-
cher wiese, welche von beiden umständlich gehandelt
haben. Jch nehme aber dennoch diese Arbeit mit
Vergnügen auf mich, weil ich glaube, der Unter-
richt eines Freundes werde hierinnen mit noch meh-
rerem Nachdrucke bey Jhnen wirken, als die Re-
geln fremder Personen. Sie haben mich gebeten,
Jhnen meine Gedanken davon zu schreiben; Sie
dürfen Sich also um so viel weniger wundern,
wenn Sie keine philosophische Abhandlung erhal-
ten; und weil es ein Brief ist, den ich an Sie schi-
cke, so bin ich hoffentlich entschuldigt, wenn ich keine
systematische Ordnung dabey beobachte.

Von der Zuläßigkeit der Satyre weitläuftige
Gründe beyzubringen, scheint mir überflüßig zu
seyn. Jch kenne Jhre angeborne Neigung zu die-
ser Art von Schriften, und ich glaube, es würde
mir schwerer fallen, Sie zu überzeugen, daß sie ver-
werflich wären, als zu beweisen, daß ich sie aller-
dings für ein nöthiges Stück der Sittenlehre halte.
So lange eine Satyre diese Absicht behält, daß sie
die Laster lächerlich machen, und den Menschen ei-

nen
J 4




Mein Herr,

Sie verlangen meine Gedanken von der Saty-
re zu wiſſen. Jch ſoll Jhnen ſagen, ob ich
ſolche fuͤr zulaͤßig halte, und was vornehm-
lich bey deren Verfertigung zu beobachten ſey.
Vielleicht koͤnnte ich der Muͤhe, davon zu ſchreiben,
uͤberhoben ſeyn, wenn ich Sie auf diejenigen Buͤ-
cher wieſe, welche von beiden umſtaͤndlich gehandelt
haben. Jch nehme aber dennoch dieſe Arbeit mit
Vergnuͤgen auf mich, weil ich glaube, der Unter-
richt eines Freundes werde hierinnen mit noch meh-
rerem Nachdrucke bey Jhnen wirken, als die Re-
geln fremder Perſonen. Sie haben mich gebeten,
Jhnen meine Gedanken davon zu ſchreiben; Sie
duͤrfen Sich alſo um ſo viel weniger wundern,
wenn Sie keine philoſophiſche Abhandlung erhal-
ten; und weil es ein Brief iſt, den ich an Sie ſchi-
cke, ſo bin ich hoffentlich entſchuldigt, wenn ich keine
ſyſtematiſche Ordnung dabey beobachte.

Von der Zulaͤßigkeit der Satyre weitlaͤuftige
Gruͤnde beyzubringen, ſcheint mir uͤberfluͤßig zu
ſeyn. Jch kenne Jhre angeborne Neigung zu die-
ſer Art von Schriften, und ich glaube, es wuͤrde
mir ſchwerer fallen, Sie zu uͤberzeugen, daß ſie ver-
werflich waͤren, als zu beweiſen, daß ich ſie aller-
dings fuͤr ein noͤthiges Stuͤck der Sittenlehre halte.
So lange eine Satyre dieſe Abſicht behaͤlt, daß ſie
die Laſter laͤcherlich machen, und den Menſchen ei-

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J 4
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[135/0209] Mein Herr, Sie verlangen meine Gedanken von der Saty- re zu wiſſen. Jch ſoll Jhnen ſagen, ob ich ſolche fuͤr zulaͤßig halte, und was vornehm- lich bey deren Verfertigung zu beobachten ſey. Vielleicht koͤnnte ich der Muͤhe, davon zu ſchreiben, uͤberhoben ſeyn, wenn ich Sie auf diejenigen Buͤ- cher wieſe, welche von beiden umſtaͤndlich gehandelt haben. Jch nehme aber dennoch dieſe Arbeit mit Vergnuͤgen auf mich, weil ich glaube, der Unter- richt eines Freundes werde hierinnen mit noch meh- rerem Nachdrucke bey Jhnen wirken, als die Re- geln fremder Perſonen. Sie haben mich gebeten, Jhnen meine Gedanken davon zu ſchreiben; Sie duͤrfen Sich alſo um ſo viel weniger wundern, wenn Sie keine philoſophiſche Abhandlung erhal- ten; und weil es ein Brief iſt, den ich an Sie ſchi- cke, ſo bin ich hoffentlich entſchuldigt, wenn ich keine ſyſtematiſche Ordnung dabey beobachte. Von der Zulaͤßigkeit der Satyre weitlaͤuftige Gruͤnde beyzubringen, ſcheint mir uͤberfluͤßig zu ſeyn. Jch kenne Jhre angeborne Neigung zu die- ſer Art von Schriften, und ich glaube, es wuͤrde mir ſchwerer fallen, Sie zu uͤberzeugen, daß ſie ver- werflich waͤren, als zu beweiſen, daß ich ſie aller- dings fuͤr ein noͤthiges Stuͤck der Sittenlehre halte. So lange eine Satyre dieſe Abſicht behaͤlt, daß ſie die Laſter laͤcherlich machen, und den Menſchen ei- nen J 4

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/209>, abgerufen am 23.11.2024.