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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.

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Trauerrede
ja, ich habe nach der Zeit erfahren, daß ich so gar in
Versen geredet habe. Bald verwandelte mich mei-
ne Zauberinn in einen Schäfer, und ich beschwur die
Felsen; bald dünkte mich, ich sey mehr, als alle Kö-
nige, und der Zepter war das geringste, was ich zu
den Füßen meiner Gebieterinn legen konnte. End-
lich erbarmte sich meine Grausame. Sie gab mir
ihre Hand, und dieses endigte meine Bezauberung
auf einmal. Meine Gesichter verschwanden, und
ich sah meine Frau. Alle schmeichelnde Entzückun-
gen verloren sich. Jch war weder Schäfer, noch
König; nichts blieb mir übrig, als eine Gebieterinn.
Sie werden es entschuldigen, meine Herren, wenn
ich in dieser Beschreibung zu weitläuftig gewesen bin.
Sie haben sich vielleicht mehr als einmal gewundert,
wie ich mich entschließen können, eine Frau, wie die
meinige, zu heirathen: nunmehr werden Sie einse-
hen können, daß die Ueberlegung an dieser Wahl
keinen Antheil gehabt hat.

Jch habe Jhnen einen ganz kurzen Abriß von den
ganz besondern Eigenschaften meiner Frau verspro-
chen; ich will dieses Versprechen erfüllen, und Sie
werden finden, daß alles ganz besonders gewesen
ist.

Mich dünkt, diejenigen sehen den Nachdruck und
Gebrauch unsrer Sprache nicht genugsam ein, wel-
che das Wort, Ehestand, als einen Jnnbegriff alles
desjenigen betrachten, was man durch zärtliche Liebe,
durch den höchsten Grad der Freundschaft, durch

ver-

Trauerrede
ja, ich habe nach der Zeit erfahren, daß ich ſo gar in
Verſen geredet habe. Bald verwandelte mich mei-
ne Zauberinn in einen Schaͤfer, und ich beſchwur die
Felſen; bald duͤnkte mich, ich ſey mehr, als alle Koͤ-
nige, und der Zepter war das geringſte, was ich zu
den Fuͤßen meiner Gebieterinn legen konnte. End-
lich erbarmte ſich meine Grauſame. Sie gab mir
ihre Hand, und dieſes endigte meine Bezauberung
auf einmal. Meine Geſichter verſchwanden, und
ich ſah meine Frau. Alle ſchmeichelnde Entzuͤckun-
gen verloren ſich. Jch war weder Schaͤfer, noch
Koͤnig; nichts blieb mir uͤbrig, als eine Gebieterinn.
Sie werden es entſchuldigen, meine Herren, wenn
ich in dieſer Beſchreibung zu weitlaͤuftig geweſen bin.
Sie haben ſich vielleicht mehr als einmal gewundert,
wie ich mich entſchließen koͤnnen, eine Frau, wie die
meinige, zu heirathen: nunmehr werden Sie einſe-
hen koͤnnen, daß die Ueberlegung an dieſer Wahl
keinen Antheil gehabt hat.

Jch habe Jhnen einen ganz kurzen Abriß von den
ganz beſondern Eigenſchaften meiner Frau verſpro-
chen; ich will dieſes Verſprechen erfuͤllen, und Sie
werden finden, daß alles ganz beſonders geweſen
iſt.

Mich duͤnkt, diejenigen ſehen den Nachdruck und
Gebrauch unſrer Sprache nicht genugſam ein, wel-
che das Wort, Eheſtand, als einen Jnnbegriff alles
desjenigen betrachten, was man durch zaͤrtliche Liebe,
durch den hoͤchſten Grad der Freundſchaft, durch

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[76/0150] Trauerrede ja, ich habe nach der Zeit erfahren, daß ich ſo gar in Verſen geredet habe. Bald verwandelte mich mei- ne Zauberinn in einen Schaͤfer, und ich beſchwur die Felſen; bald duͤnkte mich, ich ſey mehr, als alle Koͤ- nige, und der Zepter war das geringſte, was ich zu den Fuͤßen meiner Gebieterinn legen konnte. End- lich erbarmte ſich meine Grauſame. Sie gab mir ihre Hand, und dieſes endigte meine Bezauberung auf einmal. Meine Geſichter verſchwanden, und ich ſah meine Frau. Alle ſchmeichelnde Entzuͤckun- gen verloren ſich. Jch war weder Schaͤfer, noch Koͤnig; nichts blieb mir uͤbrig, als eine Gebieterinn. Sie werden es entſchuldigen, meine Herren, wenn ich in dieſer Beſchreibung zu weitlaͤuftig geweſen bin. Sie haben ſich vielleicht mehr als einmal gewundert, wie ich mich entſchließen koͤnnen, eine Frau, wie die meinige, zu heirathen: nunmehr werden Sie einſe- hen koͤnnen, daß die Ueberlegung an dieſer Wahl keinen Antheil gehabt hat. Jch habe Jhnen einen ganz kurzen Abriß von den ganz beſondern Eigenſchaften meiner Frau verſpro- chen; ich will dieſes Verſprechen erfuͤllen, und Sie werden finden, daß alles ganz beſonders geweſen iſt. Mich duͤnkt, diejenigen ſehen den Nachdruck und Gebrauch unſrer Sprache nicht genugſam ein, wel- che das Wort, Eheſtand, als einen Jnnbegriff alles desjenigen betrachten, was man durch zaͤrtliche Liebe, durch den hoͤchſten Grad der Freundſchaft, durch ver-

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/150>, abgerufen am 25.11.2024.