[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.Vorbericht. rer Feinde würden ihre öffentlichen Freunde werden,und diejenigen, welche nicht dazu gemacht sind, ver- nünftig zu denken, würden sich, wo nicht vor sich selbst, doch wenigstens vor der Welt schämen, län- ger ihre Feinde zu heißen. Es ist wahr, wir wür- den, wenn diese strengen Regeln beobachtet werden sollten, ein paar hundert Satyrenschreiber weniger haben. Aber, das ist auch in der That alles, was man dem Vaterlande nur wünschen kann. So lan- ge dieser Wunsch unerhört bleibt; so lange haben die Verfasser die meiste Schuld, daß die Satyren so vielen Lesern verdächtig sind. Kein Pasquillant ist zu lasterhaft, er flüchtet Wir sind sehr geneigt, die Fehler an unsern Fein- er
Vorbericht. rer Feinde wuͤrden ihre oͤffentlichen Freunde werden,und diejenigen, welche nicht dazu gemacht ſind, ver- nuͤnftig zu denken, wuͤrden ſich, wo nicht vor ſich ſelbſt, doch wenigſtens vor der Welt ſchaͤmen, laͤn- ger ihre Feinde zu heißen. Es iſt wahr, wir wuͤr- den, wenn dieſe ſtrengen Regeln beobachtet werden ſollten, ein paar hundert Satyrenſchreiber weniger haben. Aber, das iſt auch in der That alles, was man dem Vaterlande nur wuͤnſchen kann. So lan- ge dieſer Wunſch unerhoͤrt bleibt; ſo lange haben die Verfaſſer die meiſte Schuld, daß die Satyren ſo vielen Leſern verdaͤchtig ſind. Kein Pasquillant iſt zu laſterhaft, er fluͤchtet Wir ſind ſehr geneigt, die Fehler an unſern Fein- er
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Vorbericht.
rer Feinde wuͤrden ihre oͤffentlichen Freunde werden,
und diejenigen, welche nicht dazu gemacht ſind, ver-
nuͤnftig zu denken, wuͤrden ſich, wo nicht vor ſich
ſelbſt, doch wenigſtens vor der Welt ſchaͤmen, laͤn-
ger ihre Feinde zu heißen. Es iſt wahr, wir wuͤr-
den, wenn dieſe ſtrengen Regeln beobachtet werden
ſollten, ein paar hundert Satyrenſchreiber weniger
haben. Aber, das iſt auch in der That alles, was
man dem Vaterlande nur wuͤnſchen kann. So lan-
ge dieſer Wunſch unerhoͤrt bleibt; ſo lange haben
die Verfaſſer die meiſte Schuld, daß die Satyren
ſo vielen Leſern verdaͤchtig ſind.
Kein Pasquillant iſt zu laſterhaft, er fluͤchtet
ſich hinter die Satyre. Er ſchaͤmt ſich nicht, dem
Unſchuldigen Laſter anzudichten; aber ein Pasquil-
lant zu heißen, ſchaͤmt er ſich doch. Seine Bos-
heit iſt gefaͤhrlicher, als die Tuͤcke des Straßenraͤu-
bers. Er verdient, wie dieſer, die Rache der Ge-
ſetze, und er iſt unwuͤrdig, daß wir weiter ſeiner
gedenken.
Wir ſind ſehr geneigt, die Fehler an unſern Fein-
den laͤcherlich zu machen, und ſchmeicheln uns, daß
wir eine Satyre ſchreiben, wenn wir dieſes thun.
Jch zweifle daran. Schreiben wir aus redlichen Her-
zen? Schreiben wir, unſern Feind zu beſſern? Hat
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