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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.

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Lobschrift auf die bösen Männer.
daß du dein Leben fristen kannst. Dieses ist die Ur-
sache, warum wir essen, warum wir trinken, warum
wir Kleider tragen. Der geringste Ueberfluß würde
eine Quelle tausendfachen Unglücks seyn. Jch habe
nicht nöthig, dieses genauer auszuführen; du wirst
es selbst einsehen können.

Jst die Mäßigkeit eine so große Tugend, wie sie es
denn wirklich ist, so muß wohl derjenige Mann laster-
haft seyn, welcher sich unmäßig und wollüstig auffüh-
ret? Keinesweges! Die Männer geben uns die Ge-
setze, niemand aber, der Gesetze giebt, ist denselben
weiter unterworfen, als er es selbst für gut befindet.
Dein Mann verspielt alle sein Vermögen. Wie
löblich ist dieses? Könnte dich nicht der Besitz vie-
les Geldes geizig machen, oder im Gegentheile zur
Verschwendung reizen? Er ist niemals nüchtern.
Allein, was kann dir wohl einen lebhaftern Abscheu
vor der Trunkenheit machen, als ein besoffner Mann?
Nur um deinetwillen besäuft er sich, damit du sehen
sollst, was es für eine edle Sache um die Mäßigkeit
sey. Er entzieht sich deinen Armen, und bringt die
meiste Zeit bey andern Weibsbildern zu. Er thut
recht daran. Der beständige Besitz eines Gutes
macht uns dasselbe ekelhaft. Du würdest ihn über-
drüßig werden, wenn er niemals von deiner Seite
käme. Dein Mann ist lobenswürdig.

Dieses sind die Vortheile noch nicht alle, die wir
von unsern bösen Männern haben. Nichts ist em-
pfindlicher, als der Tod eines Mannes, welchen man
innigst liebt. Wie sehr wird uns aber dieser hef-
tige Schmerz erleichtert, wenn uns ein wollüstiger,

ein
Erster Theil. E

Lobſchrift auf die boͤſen Maͤnner.
daß du dein Leben friſten kannſt. Dieſes iſt die Ur-
ſache, warum wir eſſen, warum wir trinken, warum
wir Kleider tragen. Der geringſte Ueberfluß wuͤrde
eine Quelle tauſendfachen Ungluͤcks ſeyn. Jch habe
nicht noͤthig, dieſes genauer auszufuͤhren; du wirſt
es ſelbſt einſehen koͤnnen.

Jſt die Maͤßigkeit eine ſo große Tugend, wie ſie es
denn wirklich iſt, ſo muß wohl derjenige Mann laſter-
haft ſeyn, welcher ſich unmaͤßig und wolluͤſtig auffuͤh-
ret? Keinesweges! Die Maͤnner geben uns die Ge-
ſetze, niemand aber, der Geſetze giebt, iſt denſelben
weiter unterworfen, als er es ſelbſt fuͤr gut befindet.
Dein Mann verſpielt alle ſein Vermoͤgen. Wie
loͤblich iſt dieſes? Koͤnnte dich nicht der Beſitz vie-
les Geldes geizig machen, oder im Gegentheile zur
Verſchwendung reizen? Er iſt niemals nuͤchtern.
Allein, was kann dir wohl einen lebhaftern Abſcheu
vor der Trunkenheit machen, als ein beſoffner Mann?
Nur um deinetwillen beſaͤuft er ſich, damit du ſehen
ſollſt, was es fuͤr eine edle Sache um die Maͤßigkeit
ſey. Er entzieht ſich deinen Armen, und bringt die
meiſte Zeit bey andern Weibsbildern zu. Er thut
recht daran. Der beſtaͤndige Beſitz eines Gutes
macht uns daſſelbe ekelhaft. Du wuͤrdeſt ihn uͤber-
druͤßig werden, wenn er niemals von deiner Seite
kaͤme. Dein Mann iſt lobenswuͤrdig.

Dieſes ſind die Vortheile noch nicht alle, die wir
von unſern boͤſen Maͤnnern haben. Nichts iſt em-
pfindlicher, als der Tod eines Mannes, welchen man
innigſt liebt. Wie ſehr wird uns aber dieſer hef-
tige Schmerz erleichtert, wenn uns ein wolluͤſtiger,

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[65/0139] Lobſchrift auf die boͤſen Maͤnner. daß du dein Leben friſten kannſt. Dieſes iſt die Ur- ſache, warum wir eſſen, warum wir trinken, warum wir Kleider tragen. Der geringſte Ueberfluß wuͤrde eine Quelle tauſendfachen Ungluͤcks ſeyn. Jch habe nicht noͤthig, dieſes genauer auszufuͤhren; du wirſt es ſelbſt einſehen koͤnnen. Jſt die Maͤßigkeit eine ſo große Tugend, wie ſie es denn wirklich iſt, ſo muß wohl derjenige Mann laſter- haft ſeyn, welcher ſich unmaͤßig und wolluͤſtig auffuͤh- ret? Keinesweges! Die Maͤnner geben uns die Ge- ſetze, niemand aber, der Geſetze giebt, iſt denſelben weiter unterworfen, als er es ſelbſt fuͤr gut befindet. Dein Mann verſpielt alle ſein Vermoͤgen. Wie loͤblich iſt dieſes? Koͤnnte dich nicht der Beſitz vie- les Geldes geizig machen, oder im Gegentheile zur Verſchwendung reizen? Er iſt niemals nuͤchtern. Allein, was kann dir wohl einen lebhaftern Abſcheu vor der Trunkenheit machen, als ein beſoffner Mann? Nur um deinetwillen beſaͤuft er ſich, damit du ſehen ſollſt, was es fuͤr eine edle Sache um die Maͤßigkeit ſey. Er entzieht ſich deinen Armen, und bringt die meiſte Zeit bey andern Weibsbildern zu. Er thut recht daran. Der beſtaͤndige Beſitz eines Gutes macht uns daſſelbe ekelhaft. Du wuͤrdeſt ihn uͤber- druͤßig werden, wenn er niemals von deiner Seite kaͤme. Dein Mann iſt lobenswuͤrdig. Dieſes ſind die Vortheile noch nicht alle, die wir von unſern boͤſen Maͤnnern haben. Nichts iſt em- pfindlicher, als der Tod eines Mannes, welchen man innigſt liebt. Wie ſehr wird uns aber dieſer hef- tige Schmerz erleichtert, wenn uns ein wolluͤſtiger, ein Erſter Theil. E

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/139>, abgerufen am 24.11.2024.