Es erhellt hieraus, daß der Ursprung der bösen Männer in dem Wesen der Sache und in der Natur selbst liegt. Wäre dieses nicht, so würde mir es eben so wohl erlaubt seyn, den Adam an ihre Spitze zu stellen, als es einigen gefallen hat, die Eva zur bösen Frau zu machen. Jch halte aber die Anführung solcher Exempel für allzu leichtsinnig, und ich glaube, ich werde besser thun, wenn ich ohne fernern Um- schweif dem Leser zeige, daß ich Ursache habe, die bösen Männer zu loben.
Das Laster der Eigenliebe ist so reizend, als ge- fährlich. Man giebt es dem Frauenzimmer am meisten Schuld. Jch weis nicht, ob man Ursache darzu hat; so viel aber weis ich wohl, daß wir dem- jenigen unendlich verbunden sind, welcher uns davor schützt. Jch kenne einen Mann, ein Muster seines Geschlechts, die Krone aller bösen Männer. Wäre er nicht so sittsam und bescheiden, so würde ich ihn nennen. Dieser Mann giebt sich alle Mühe, die Eigenliebe seiner Frau zu dämpfen. Er kann nicht läugnen, daß sie vernünftig ist; er will aber doch nicht, daß sie es glauben soll, oder daß sie andre Leu- te für vernünftig halten. Wie soll er es anfangen? Er tadelt alle ihre Mienen; sie darf kein Wort re- den, so weist er, wie abgeschmackt es sey. Er beschämt sie in öffentlichen Gesellschaften, ja er gesteht ihr nicht einmal die Fähigkeit zu, daß sie vernünftige Kinder gebären könne, da er an dem Kinde erster Ehe weit mehr Verstand anmerkt, als an dem ihrigen, unge- achtet er der Vater zu beiden ist. Müssen wir nicht alle diesen Mann loben? Wie unglücklich könnte seine
Frau
Lobſchrift auf die boͤſen Manner.
Es erhellt hieraus, daß der Urſprung der boͤſen Maͤnner in dem Weſen der Sache und in der Natur ſelbſt liegt. Waͤre dieſes nicht, ſo wuͤrde mir es eben ſo wohl erlaubt ſeyn, den Adam an ihre Spitze zu ſtellen, als es einigen gefallen hat, die Eva zur boͤſen Frau zu machen. Jch halte aber die Anfuͤhrung ſolcher Exempel fuͤr allzu leichtſinnig, und ich glaube, ich werde beſſer thun, wenn ich ohne fernern Um- ſchweif dem Leſer zeige, daß ich Urſache habe, die boͤſen Maͤnner zu loben.
Das Laſter der Eigenliebe iſt ſo reizend, als ge- faͤhrlich. Man giebt es dem Frauenzimmer am meiſten Schuld. Jch weis nicht, ob man Urſache darzu hat; ſo viel aber weis ich wohl, daß wir dem- jenigen unendlich verbunden ſind, welcher uns davor ſchuͤtzt. Jch kenne einen Mann, ein Muſter ſeines Geſchlechts, die Krone aller boͤſen Maͤnner. Waͤre er nicht ſo ſittſam und beſcheiden, ſo wuͤrde ich ihn nennen. Dieſer Mann giebt ſich alle Muͤhe, die Eigenliebe ſeiner Frau zu daͤmpfen. Er kann nicht laͤugnen, daß ſie vernuͤnftig iſt; er will aber doch nicht, daß ſie es glauben ſoll, oder daß ſie andre Leu- te fuͤr vernuͤnftig halten. Wie ſoll er es anfangen? Er tadelt alle ihre Mienen; ſie darf kein Wort re- den, ſo weiſt er, wie abgeſchmackt es ſey. Er beſchaͤmt ſie in oͤffentlichen Geſellſchaften, ja er geſteht ihr nicht einmal die Faͤhigkeit zu, daß ſie vernuͤnftige Kinder gebaͤren koͤnne, da er an dem Kinde erſter Ehe weit mehr Verſtand anmerkt, als an dem ihrigen, unge- achtet er der Vater zu beiden iſt. Muͤſſen wir nicht alle dieſen Mann loben? Wie ungluͤcklich koͤnnte ſeine
Frau
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Lobſchrift auf die boͤſen Manner.
Es erhellt hieraus, daß der Urſprung der boͤſen
Maͤnner in dem Weſen der Sache und in der Natur
ſelbſt liegt. Waͤre dieſes nicht, ſo wuͤrde mir es eben
ſo wohl erlaubt ſeyn, den Adam an ihre Spitze zu
ſtellen, als es einigen gefallen hat, die Eva zur boͤſen
Frau zu machen. Jch halte aber die Anfuͤhrung
ſolcher Exempel fuͤr allzu leichtſinnig, und ich glaube,
ich werde beſſer thun, wenn ich ohne fernern Um-
ſchweif dem Leſer zeige, daß ich Urſache habe, die
boͤſen Maͤnner zu loben.
Das Laſter der Eigenliebe iſt ſo reizend, als ge-
faͤhrlich. Man giebt es dem Frauenzimmer am
meiſten Schuld. Jch weis nicht, ob man Urſache
darzu hat; ſo viel aber weis ich wohl, daß wir dem-
jenigen unendlich verbunden ſind, welcher uns davor
ſchuͤtzt. Jch kenne einen Mann, ein Muſter ſeines
Geſchlechts, die Krone aller boͤſen Maͤnner. Waͤre
er nicht ſo ſittſam und beſcheiden, ſo wuͤrde ich ihn
nennen. Dieſer Mann giebt ſich alle Muͤhe, die
Eigenliebe ſeiner Frau zu daͤmpfen. Er kann nicht
laͤugnen, daß ſie vernuͤnftig iſt; er will aber doch
nicht, daß ſie es glauben ſoll, oder daß ſie andre Leu-
te fuͤr vernuͤnftig halten. Wie ſoll er es anfangen?
Er tadelt alle ihre Mienen; ſie darf kein Wort re-
den, ſo weiſt er, wie abgeſchmackt es ſey. Er beſchaͤmt
ſie in oͤffentlichen Geſellſchaften, ja er geſteht ihr nicht
einmal die Faͤhigkeit zu, daß ſie vernuͤnftige Kinder
gebaͤren koͤnne, da er an dem Kinde erſter Ehe weit
mehr Verſtand anmerkt, als an dem ihrigen, unge-
achtet er der Vater zu beiden iſt. Muͤſſen wir nicht
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/137>, abgerufen am 16.07.2024.
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