Die vornehmste Sorge eines Schriftstellers geht dahin, wie er sich des Beyfalls seiner Leser versichern möge. Die meisten schrei- ben heutiges Tages aus Hunger; viele suchen be- rühmt zu werden; einige wenige haben die Absicht zu erbauen; alle aber bemühen sich, ihre Schriften beliebt zu machen. Meine gegenwärtige Absicht ist keine von diesen dreyen. Jch schreibe einzig und allein darum, damit ich meine Gedanken will ge- druckt lesen. Dieses ist meine vornehmste Leiden- schaft. Jch habe dir es schon einmal zugestanden; ich will es auch itzt nicht leugnen. Jst es ja eine Sünde; so ist es doch nur eine Erbsünde. Mein Vater ist ein Autor gewesen; mein Großvater hat Bücher geschrieben; von meines Urgroßvaters Fä- higkeit habe ich nur gestern noch eine nicht übelge- rathne Probe aus dem Würzladen bekommen; und bloß eine unvermuthete Feuerbrunst ist Schuld dar- an, daß wir den Fleiß meines Aeltervaters nicht he- wundern können. Wird man es mir also wohl übel nehmen, wenn ich dem angebohrnen Triebe, zu schreiben, nicht widerstehen kann? Daß unsre Frauenzimmer noch itzt gern Liebesbriefe abfassen, solches kömmt uns gar nicht fremd vor. Denn schon Eva hat sehr zärtlich an ihren Adam geschrieben, wie man den Beweis davon in Zieglers Heldenliebe fin- det. Hier siehst du also, geneigter Leser, meine Be- fugniß zum Schreiben. Und ob ich gleich weder aus
Geld-
Geneigter Leſer!
Die vornehmſte Sorge eines Schriftſtellers geht dahin, wie er ſich des Beyfalls ſeiner Leſer verſichern moͤge. Die meiſten ſchrei- ben heutiges Tages aus Hunger; viele ſuchen be- ruͤhmt zu werden; einige wenige haben die Abſicht zu erbauen; alle aber bemuͤhen ſich, ihre Schriften beliebt zu machen. Meine gegenwaͤrtige Abſicht iſt keine von dieſen dreyen. Jch ſchreibe einzig und allein darum, damit ich meine Gedanken will ge- druckt leſen. Dieſes iſt meine vornehmſte Leiden- ſchaft. Jch habe dir es ſchon einmal zugeſtanden; ich will es auch itzt nicht leugnen. Jſt es ja eine Suͤnde; ſo iſt es doch nur eine Erbſuͤnde. Mein Vater iſt ein Autor geweſen; mein Großvater hat Buͤcher geſchrieben; von meines Urgroßvaters Faͤ- higkeit habe ich nur geſtern noch eine nicht uͤbelge- rathne Probe aus dem Wuͤrzladen bekommen; und bloß eine unvermuthete Feuerbrunſt iſt Schuld dar- an, daß wir den Fleiß meines Aeltervaters nicht he- wundern koͤnnen. Wird man es mir alſo wohl uͤbel nehmen, wenn ich dem angebohrnen Triebe, zu ſchreiben, nicht widerſtehen kann? Daß unſre Frauenzimmer noch itzt gern Liebesbriefe abfaſſen, ſolches koͤmmt uns gar nicht fremd vor. Denn ſchon Eva hat ſehr zaͤrtlich an ihren Adam geſchrieben, wie man den Beweis davon in Zieglers Heldenliebe fin- det. Hier ſiehſt du alſo, geneigter Leſer, meine Be- fugniß zum Schreiben. Und ob ich gleich weder aus
Geld-
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0121"n="47"/><fwplace="top"type="header"><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/></fw><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><salute><hirendition="#et"><hirendition="#fr">Geneigter Leſer!</hi></hi></salute><lb/><p><hirendition="#in">D</hi>ie vornehmſte Sorge eines Schriftſtellers<lb/>
geht dahin, wie er ſich des Beyfalls ſeiner<lb/>
Leſer verſichern moͤge. Die meiſten ſchrei-<lb/>
ben heutiges Tages aus Hunger; viele ſuchen be-<lb/>
ruͤhmt zu werden; einige wenige haben die Abſicht<lb/>
zu erbauen; alle aber bemuͤhen ſich, ihre Schriften<lb/>
beliebt zu machen. Meine gegenwaͤrtige Abſicht<lb/>
iſt keine von dieſen dreyen. Jch ſchreibe einzig und<lb/>
allein darum, damit ich meine Gedanken will ge-<lb/>
druckt leſen. Dieſes iſt meine vornehmſte Leiden-<lb/>ſchaft. Jch habe dir es ſchon einmal zugeſtanden;<lb/>
ich will es auch itzt nicht leugnen. Jſt es ja eine<lb/>
Suͤnde; ſo iſt es doch nur eine Erbſuͤnde. Mein<lb/>
Vater iſt ein Autor geweſen; mein Großvater hat<lb/>
Buͤcher geſchrieben; von meines Urgroßvaters Faͤ-<lb/>
higkeit habe ich nur geſtern noch eine nicht uͤbelge-<lb/>
rathne Probe aus dem Wuͤrzladen bekommen; und<lb/>
bloß eine unvermuthete Feuerbrunſt iſt Schuld dar-<lb/>
an, daß wir den Fleiß meines Aeltervaters nicht he-<lb/>
wundern koͤnnen. Wird man es mir alſo wohl<lb/>
uͤbel nehmen, wenn ich dem angebohrnen Triebe, zu<lb/>ſchreiben, nicht widerſtehen kann? Daß unſre<lb/>
Frauenzimmer noch itzt gern Liebesbriefe abfaſſen,<lb/>ſolches koͤmmt uns gar nicht fremd vor. Denn ſchon<lb/>
Eva hat ſehr zaͤrtlich an ihren Adam geſchrieben, wie<lb/>
man den Beweis davon in Zieglers Heldenliebe fin-<lb/>
det. Hier ſiehſt du alſo, geneigter Leſer, meine Be-<lb/>
fugniß zum Schreiben. Und ob ich gleich weder aus<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Geld-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[47/0121]
Geneigter Leſer!
Die vornehmſte Sorge eines Schriftſtellers
geht dahin, wie er ſich des Beyfalls ſeiner
Leſer verſichern moͤge. Die meiſten ſchrei-
ben heutiges Tages aus Hunger; viele ſuchen be-
ruͤhmt zu werden; einige wenige haben die Abſicht
zu erbauen; alle aber bemuͤhen ſich, ihre Schriften
beliebt zu machen. Meine gegenwaͤrtige Abſicht
iſt keine von dieſen dreyen. Jch ſchreibe einzig und
allein darum, damit ich meine Gedanken will ge-
druckt leſen. Dieſes iſt meine vornehmſte Leiden-
ſchaft. Jch habe dir es ſchon einmal zugeſtanden;
ich will es auch itzt nicht leugnen. Jſt es ja eine
Suͤnde; ſo iſt es doch nur eine Erbſuͤnde. Mein
Vater iſt ein Autor geweſen; mein Großvater hat
Buͤcher geſchrieben; von meines Urgroßvaters Faͤ-
higkeit habe ich nur geſtern noch eine nicht uͤbelge-
rathne Probe aus dem Wuͤrzladen bekommen; und
bloß eine unvermuthete Feuerbrunſt iſt Schuld dar-
an, daß wir den Fleiß meines Aeltervaters nicht he-
wundern koͤnnen. Wird man es mir alſo wohl
uͤbel nehmen, wenn ich dem angebohrnen Triebe, zu
ſchreiben, nicht widerſtehen kann? Daß unſre
Frauenzimmer noch itzt gern Liebesbriefe abfaſſen,
ſolches koͤmmt uns gar nicht fremd vor. Denn ſchon
Eva hat ſehr zaͤrtlich an ihren Adam geſchrieben, wie
man den Beweis davon in Zieglers Heldenliebe fin-
det. Hier ſiehſt du alſo, geneigter Leſer, meine Be-
fugniß zum Schreiben. Und ob ich gleich weder aus
Geld-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/121>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.