würde ich in Gefahr seyn, von diesen unwissenden Richtern für einen Verführer der Jugend gehalten zu werden. Was soll man mit diesen Leuten an- fangen? Man schicke sie wieder in Secunde! Da mögen sie den Voßius lernen, und sich erklären las- sen, was die Figur der Jronie heiße!
Nichts ist gemeiner, als die Frage: Wer hat dir aber den Beruf gegeben, Satyren zu schreiben? Das ist leicht zu beantworten. Sagt mir erst: Wer hat euch den Beruf gegeben, mich zu fragen? Uns? Die Begierde, dich von deinem sündlichen Vorhaben abzuziehen; das Verlangen, die Unschuld deinen bittern Spöttereyen zu entreis- sen; mit einem Worte, die allgemeine Men- schenliebe: Jst dieses nicht Beruf genug? Gut! Und eben diese allgemeine Menschenliebe ist auch mein Beruf, Satyren zu schreiben. Die Laster zu schrecken, die lächerlichen Fehler den Menschen ver- ächtlich vorzustellen, vernünftige Bürger zu schaffen, alle Welt mit mir glücklich zu machen; sind euch diese Ursachen nicht wichtig genug? Brauche ich dazu eine schriftliche Vocation? Jch werde mich weiter verantworten, wenn man eben diese Frage an alle diejenigen thut, welche Bücher schreiben.
Daß
Vorbericht.
wuͤrde ich in Gefahr ſeyn, von dieſen unwiſſenden Richtern fuͤr einen Verfuͤhrer der Jugend gehalten zu werden. Was ſoll man mit dieſen Leuten an- fangen? Man ſchicke ſie wieder in Secunde! Da moͤgen ſie den Voßius lernen, und ſich erklaͤren laſ- ſen, was die Figur der Jronie heiße!
Nichts iſt gemeiner, als die Frage: Wer hat dir aber den Beruf gegeben, Satyren zu ſchreiben? Das iſt leicht zu beantworten. Sagt mir erſt: Wer hat euch den Beruf gegeben, mich zu fragen? Uns? Die Begierde, dich von deinem ſuͤndlichen Vorhaben abzuziehen; das Verlangen, die Unſchuld deinen bittern Spoͤttereyen zu entreiſ- ſen; mit einem Worte, die allgemeine Men- ſchenliebe: Jſt dieſes nicht Beruf genug? Gut! Und eben dieſe allgemeine Menſchenliebe iſt auch mein Beruf, Satyren zu ſchreiben. Die Laſter zu ſchrecken, die laͤcherlichen Fehler den Menſchen ver- aͤchtlich vorzuſtellen, vernuͤnftige Buͤrger zu ſchaffen, alle Welt mit mir gluͤcklich zu machen; ſind euch dieſe Urſachen nicht wichtig genug? Brauche ich dazu eine ſchriftliche Vocation? Jch werde mich weiter verantworten, wenn man eben dieſe Frage an alle diejenigen thut, welche Buͤcher ſchreiben.
Daß
<TEI><text><front><div><p><pbfacs="#f0012"n="12"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g">Vorbericht.</hi></hi></fw><lb/>
wuͤrde ich in Gefahr ſeyn, von dieſen unwiſſenden<lb/>
Richtern fuͤr einen Verfuͤhrer der Jugend gehalten<lb/>
zu werden. Was ſoll man mit dieſen Leuten an-<lb/>
fangen? Man ſchicke ſie wieder in Secunde! Da<lb/>
moͤgen ſie den Voßius lernen, und ſich erklaͤren laſ-<lb/>ſen, was die Figur der Jronie heiße!</p><lb/><p>Nichts iſt gemeiner, als die Frage: Wer hat<lb/>
dir aber den Beruf gegeben, Satyren zu ſchreiben?<lb/>
Das iſt leicht zu beantworten. Sagt mir erſt: Wer<lb/>
hat euch den Beruf gegeben, mich zu fragen? <hirendition="#fr">Uns?<lb/>
Die Begierde, dich von deinem ſuͤndlichen<lb/>
Vorhaben abzuziehen; das Verlangen, die<lb/>
Unſchuld deinen bittern Spoͤttereyen zu entreiſ-<lb/>ſen; mit einem Worte, die allgemeine Men-<lb/>ſchenliebe: Jſt dieſes nicht Beruf genug?</hi> Gut!<lb/>
Und eben dieſe allgemeine Menſchenliebe iſt auch<lb/>
mein Beruf, Satyren zu ſchreiben. Die Laſter zu<lb/>ſchrecken, die laͤcherlichen Fehler den Menſchen ver-<lb/>
aͤchtlich vorzuſtellen, vernuͤnftige Buͤrger zu ſchaffen,<lb/>
alle Welt mit mir gluͤcklich zu machen; ſind euch<lb/>
dieſe Urſachen nicht wichtig genug? Brauche ich<lb/>
dazu eine ſchriftliche Vocation? Jch werde mich<lb/>
weiter verantworten, wenn man eben dieſe Frage<lb/>
an alle diejenigen thut, welche Buͤcher ſchreiben.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Daß</fw><lb/></div></front></text></TEI>
[12/0012]
Vorbericht.
wuͤrde ich in Gefahr ſeyn, von dieſen unwiſſenden
Richtern fuͤr einen Verfuͤhrer der Jugend gehalten
zu werden. Was ſoll man mit dieſen Leuten an-
fangen? Man ſchicke ſie wieder in Secunde! Da
moͤgen ſie den Voßius lernen, und ſich erklaͤren laſ-
ſen, was die Figur der Jronie heiße!
Nichts iſt gemeiner, als die Frage: Wer hat
dir aber den Beruf gegeben, Satyren zu ſchreiben?
Das iſt leicht zu beantworten. Sagt mir erſt: Wer
hat euch den Beruf gegeben, mich zu fragen? Uns?
Die Begierde, dich von deinem ſuͤndlichen
Vorhaben abzuziehen; das Verlangen, die
Unſchuld deinen bittern Spoͤttereyen zu entreiſ-
ſen; mit einem Worte, die allgemeine Men-
ſchenliebe: Jſt dieſes nicht Beruf genug? Gut!
Und eben dieſe allgemeine Menſchenliebe iſt auch
mein Beruf, Satyren zu ſchreiben. Die Laſter zu
ſchrecken, die laͤcherlichen Fehler den Menſchen ver-
aͤchtlich vorzuſtellen, vernuͤnftige Buͤrger zu ſchaffen,
alle Welt mit mir gluͤcklich zu machen; ſind euch
dieſe Urſachen nicht wichtig genug? Brauche ich
dazu eine ſchriftliche Vocation? Jch werde mich
weiter verantworten, wenn man eben dieſe Frage
an alle diejenigen thut, welche Buͤcher ſchreiben.
Daß
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/12>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.