der besagte Punkt! Ich habe mich wahrhaftig nicht weiter in der Welt bringen können, als bis in den Schatten der rothen Schanze. Ich kann wirklich nichts dafür. Hier war mein schwacher oder, wenn Du willst, starker Punkt. Hier faßte mich das Schicksal. Ich habe mich gewehrt, aber ich habe mich fügen müssen, und ich habe mich seufzend ge- fügt. Dich, lieber Eduard, haben Störzer und Mr. Le Vaillant nach dem heißen Afrika gebracht, und mich haben meine schwachen Verstandeskräfte und noch schwächeren Füße im kühlen Schatten von Quakatzenhof festgehalten. Eduard, das Schicksal be- nutzt meistens doch unsere schwachen Punkte um uns auf das uns Dienliche aufmerksam zu machen."
Dieser Mensch war so frech-undankbar, hier wahr- haftig einen Seufzer aus der Tiefe seines Wanstes hervorzuholen. Natürlich nur um mir sein Behagen noch beneidenswerther vorzurücken. Ich ging aber nicht darauf ein. Den Gefallen meinerseits jetzt noch tiefer und mit besserer Berechtigung zu seufzen, that ich ihm nicht.
"Ruhig, Eduard," sagte ich mir. "Sollst doch zu erfahren suchen, was er noch weiter mehr weiß als Du."
Ich ließ ihn also am Worte, still von einer Ecke des alten jetzt so friedlichen Kriegsbollwerkes, aus dem Schatten heraus, in die sonnige, weite Landschaft mit meiner Heimathstadt, ihren Dörfern, Wäldern, nahen Hügeln und fernem Gebirge hinaus- schauend.
der beſagte Punkt! Ich habe mich wahrhaftig nicht weiter in der Welt bringen können, als bis in den Schatten der rothen Schanze. Ich kann wirklich nichts dafür. Hier war mein ſchwacher oder, wenn Du willſt, ſtarker Punkt. Hier faßte mich das Schickſal. Ich habe mich gewehrt, aber ich habe mich fügen müſſen, und ich habe mich ſeufzend ge- fügt. Dich, lieber Eduard, haben Störzer und Mr. Le Vaillant nach dem heißen Afrika gebracht, und mich haben meine ſchwachen Verſtandeskräfte und noch ſchwächeren Füße im kühlen Schatten von Quakatzenhof feſtgehalten. Eduard, das Schickſal be- nutzt meiſtens doch unſere ſchwachen Punkte um uns auf das uns Dienliche aufmerkſam zu machen.“
Dieſer Menſch war ſo frech-undankbar, hier wahr- haftig einen Seufzer aus der Tiefe ſeines Wanſtes hervorzuholen. Natürlich nur um mir ſein Behagen noch beneidenswerther vorzurücken. Ich ging aber nicht darauf ein. Den Gefallen meinerſeits jetzt noch tiefer und mit beſſerer Berechtigung zu ſeufzen, that ich ihm nicht.
„Ruhig, Eduard,“ ſagte ich mir. „Sollſt doch zu erfahren ſuchen, was er noch weiter mehr weiß als Du.“
Ich ließ ihn alſo am Worte, ſtill von einer Ecke des alten jetzt ſo friedlichen Kriegsbollwerkes, aus dem Schatten heraus, in die ſonnige, weite Landſchaft mit meiner Heimathſtadt, ihren Dörfern, Wäldern, nahen Hügeln und fernem Gebirge hinaus- ſchauend.
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der beſagte Punkt! Ich habe mich wahrhaftig nicht
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nichts dafür. Hier war mein ſchwacher oder, wenn
Du willſt, ſtarker Punkt. Hier faßte mich das
Schickſal. Ich habe mich gewehrt, aber ich habe
mich fügen müſſen, und ich habe mich ſeufzend ge-
fügt. Dich, lieber Eduard, haben Störzer und Mr.
Le Vaillant nach dem heißen Afrika gebracht, und
mich haben meine ſchwachen Verſtandeskräfte und
noch ſchwächeren Füße im kühlen Schatten von
Quakatzenhof feſtgehalten. Eduard, das Schickſal be-
nutzt meiſtens doch unſere ſchwachen Punkte um uns
auf das uns Dienliche aufmerkſam zu machen.“
Dieſer Menſch war ſo frech-undankbar, hier wahr-
haftig einen Seufzer aus der Tiefe ſeines Wanſtes
hervorzuholen. Natürlich nur um mir ſein Behagen
noch beneidenswerther vorzurücken. Ich ging aber
nicht darauf ein. Den Gefallen meinerſeits jetzt
noch tiefer und mit beſſerer Berechtigung zu ſeufzen,
that ich ihm nicht.
„Ruhig, Eduard,“ ſagte ich mir. „Sollſt doch
zu erfahren ſuchen, was er noch weiter mehr weiß
als Du.“
Ich ließ ihn alſo am Worte, ſtill von einer
Ecke des alten jetzt ſo friedlichen Kriegsbollwerkes,
aus dem Schatten heraus, in die ſonnige, weite
Landſchaft mit meiner Heimathſtadt, ihren Dörfern,
Wäldern, nahen Hügeln und fernem Gebirge hinaus-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte" entstand ca. 1888/90. Der Text erschien zuerst 1891 in der Deutschen Roman-Zeitung (28. Jg., Nr. 1–6) und wurde für das Deutsche Textarchiv, gemäß den DTA-Leitlinien, nach der ersten selbstständigen Veröffentlichung digitalisiert.
Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/89>, abgerufen am 17.02.2025.
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