blicke entschuldigen. Sei nur ruhig, Schaumann, ich weiß schon!"
Sie entschlüpfte, und ein Weib, das von einem alten Mörder, von Kienbaums Mörder abstammte und ebenfalls mit Mordgedanken umging, konnte wahrlich dabei nicht lieber und gutmüthiger und be- haglicher mir zunicken und mir ihre Freude darob zu erkennen geben, daß sie mich heute Mittag bei Tisch haben werde. Aber es lag auch eine Welt voll Vertrauen in der Rauchwolke, die ihr der Gatte aus seiner Pfeife nachblies mit den Worten:
"Alte -- Achtung! Das Afrika verwöhnt seine Leute. Ein in der Asche gebratener Elephantenfuß soll keine Kleinigkeit sein. Tinchen, das wäre doch endlich ein wahrer, guter Ruf, wenn dieser fremde Herr daheim, zu Hause, bei sich, von uns Beiden mit Vergnügen erzählen -- müßte!"
"Welch eine wirklich liebe Frau," sagte ich.
"Nicht wahr?" fragte Stopfkuchen, und fügte hinzu: "Was -- und wie gut konservirt?"
Und dann saßen wir einige Zeit in Nachdenken und die Behaglichkeit der Stunde versunken, und be- merkten es währenddem erst allmählich, daß nach und nach um uns her eine Bewegung entstand. Es kam nämlich ein Aufhorchen, ein Umhersehen, ein Schnabel- zusammenstecken in das Federviehvolk um den Früh- stückstisch der rothen Schanze, -- Alles in Folge eines heftigen Gegackers und Gekreisches aus dem Hofraum hinter dem Hause. Und nicht ohne Grund, denn von dorther über das niedrige Gatter um den obbe-
blicke entſchuldigen. Sei nur ruhig, Schaumann, ich weiß ſchon!“
Sie entſchlüpfte, und ein Weib, das von einem alten Mörder, von Kienbaums Mörder abſtammte und ebenfalls mit Mordgedanken umging, konnte wahrlich dabei nicht lieber und gutmüthiger und be- haglicher mir zunicken und mir ihre Freude darob zu erkennen geben, daß ſie mich heute Mittag bei Tiſch haben werde. Aber es lag auch eine Welt voll Vertrauen in der Rauchwolke, die ihr der Gatte aus ſeiner Pfeife nachblies mit den Worten:
„Alte — Achtung! Das Afrika verwöhnt ſeine Leute. Ein in der Aſche gebratener Elephantenfuß ſoll keine Kleinigkeit ſein. Tinchen, das wäre doch endlich ein wahrer, guter Ruf, wenn dieſer fremde Herr daheim, zu Hauſe, bei ſich, von uns Beiden mit Vergnügen erzählen — müßte!“
„Welch eine wirklich liebe Frau,“ ſagte ich.
„Nicht wahr?“ fragte Stopfkuchen, und fügte hinzu: „Was — und wie gut konſervirt?“
Und dann ſaßen wir einige Zeit in Nachdenken und die Behaglichkeit der Stunde verſunken, und be- merkten es währenddem erſt allmählich, daß nach und nach um uns her eine Bewegung entſtand. Es kam nämlich ein Aufhorchen, ein Umherſehen, ein Schnabel- zuſammenſtecken in das Federviehvolk um den Früh- ſtückstiſch der rothen Schanze, — Alles in Folge eines heftigen Gegackers und Gekreiſches aus dem Hofraum hinter dem Hauſe. Und nicht ohne Grund, denn von dorther über das niedrige Gatter um den obbe-
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blicke entſchuldigen. Sei nur ruhig, Schaumann,
ich weiß ſchon!“
Sie entſchlüpfte, und ein Weib, das von einem
alten Mörder, von Kienbaums Mörder abſtammte
und ebenfalls mit Mordgedanken umging, konnte
wahrlich dabei nicht lieber und gutmüthiger und be-
haglicher mir zunicken und mir ihre Freude darob
zu erkennen geben, daß ſie mich heute Mittag bei
Tiſch haben werde. Aber es lag auch eine Welt
voll Vertrauen in der Rauchwolke, die ihr der Gatte
aus ſeiner Pfeife nachblies mit den Worten:
„Alte — Achtung! Das Afrika verwöhnt ſeine
Leute. Ein in der Aſche gebratener Elephantenfuß
ſoll keine Kleinigkeit ſein. Tinchen, das wäre doch
endlich ein wahrer, guter Ruf, wenn dieſer fremde
Herr daheim, zu Hauſe, bei ſich, von uns Beiden
mit Vergnügen erzählen — müßte!“
„Welch eine wirklich liebe Frau,“ ſagte ich.
„Nicht wahr?“ fragte Stopfkuchen, und fügte
hinzu: „Was — und wie gut konſervirt?“
Und dann ſaßen wir einige Zeit in Nachdenken
und die Behaglichkeit der Stunde verſunken, und be-
merkten es währenddem erſt allmählich, daß nach und
nach um uns her eine Bewegung entſtand. Es kam
nämlich ein Aufhorchen, ein Umherſehen, ein Schnabel-
zuſammenſtecken in das Federviehvolk um den Früh-
ſtückstiſch der rothen Schanze, — Alles in Folge eines
heftigen Gegackers und Gekreiſches aus dem Hofraum
hinter dem Hauſe. Und nicht ohne Grund, denn von
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte" entstand ca. 1888/90. Der Text erschien zuerst 1891 in der Deutschen Roman-Zeitung (28. Jg., Nr. 1–6) und wurde für das Deutsche Textarchiv, gemäß den DTA-Leitlinien, nach der ersten selbstständigen Veröffentlichung digitalisiert.
Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/82>, abgerufen am 17.02.2025.
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