Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.Ein wirklich feiner Morgen. In der Stadt hatte "Und Alles noch ganz so, wie zu Deiner Zeit, Da war zum Beispiel, bei näherer Betrachtung Früher aller geheimnißvoll wimmelnden Wunder 3*
Ein wirklich feiner Morgen. In der Stadt hatte „Und Alles noch ganz ſo, wie zu Deiner Zeit, Da war zum Beiſpiel, bei näherer Betrachtung Früher aller geheimnißvoll wimmelnden Wunder 3*
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0045" n="35"/> <p>Ein wirklich feiner Morgen. In der Stadt hatte<lb/> die Polizei ſich löblichſt dafür an die Laden gelegt,<lb/> daß die Gaſſen ſauber gekehrt worden waren, und<lb/> draußen im Freien, im „Felde“ hatte Mutter Natur<lb/> dafür geſorgt, daß ſich Alles hübſch gewaſchen hatte.<lb/> Ja, ſie hatte es ſelber beſorgt, mit Seife und<lb/> Schwamm, mit Donner und Blitz; und wie friſch ge-<lb/> waſchenen Kindern hingen Baum, Buſch, Gras und<lb/> Blume noch die Thränen ob der Operation an den<lb/> Wimpern, und manchem ſah man es auch recht gut<lb/> an, wie es ſich mit Strampeln und Zappeln gewehrt<lb/> hatte. Aber einerlei, überſtanden war's noch mal,<lb/> und hübſch war's doch jetzt ſo. Die Welt glänzte,<lb/> und daß ein friſch wohlig Wehen darüber hinfuhr,<lb/> machte den Morgen auch nicht verdrießlicher; — drüben<lb/> im jungfräulichen Kaffernlande bei den Betſchuanen<lb/> und Buren konnte nach einem Nachtgewitter die Land-<lb/> ſchaft nicht jugendlicher ausſehen, als wie hier im<lb/> alten durch das Bedürfniß ungezählter Jahrtauſende<lb/> abgebrauchten, ausgenutzten Europa.</p><lb/> <p>„Und Alles noch ganz ſo, wie zu Deiner Zeit,<lb/> Eduard!“ ſeufzte ich mit wehmüthiger Befriedigung.<lb/> Dem war aber doch nicht vollſtändig ſo.</p><lb/> <p>Da war zum Beiſpiel, bei näherer Betrachtung<lb/> früher rechts vom Wege, der nach der rothen Schanze<lb/> führt, ein ungefähr vier bis fünf Ar großer Teich,<lb/> oder eigentlich Sumpf; — der war nicht mehr da.</p><lb/> <p>Früher aller geheimnißvoll wimmelnden Wunder<lb/> voll hatte man ihn jetzt zu einem Stück mehr oder<lb/> weniger fruchtbaren Kartoffellandes gemacht, und ſo<lb/> <fw place="bottom" type="sig">3*</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [35/0045]
Ein wirklich feiner Morgen. In der Stadt hatte
die Polizei ſich löblichſt dafür an die Laden gelegt,
daß die Gaſſen ſauber gekehrt worden waren, und
draußen im Freien, im „Felde“ hatte Mutter Natur
dafür geſorgt, daß ſich Alles hübſch gewaſchen hatte.
Ja, ſie hatte es ſelber beſorgt, mit Seife und
Schwamm, mit Donner und Blitz; und wie friſch ge-
waſchenen Kindern hingen Baum, Buſch, Gras und
Blume noch die Thränen ob der Operation an den
Wimpern, und manchem ſah man es auch recht gut
an, wie es ſich mit Strampeln und Zappeln gewehrt
hatte. Aber einerlei, überſtanden war's noch mal,
und hübſch war's doch jetzt ſo. Die Welt glänzte,
und daß ein friſch wohlig Wehen darüber hinfuhr,
machte den Morgen auch nicht verdrießlicher; — drüben
im jungfräulichen Kaffernlande bei den Betſchuanen
und Buren konnte nach einem Nachtgewitter die Land-
ſchaft nicht jugendlicher ausſehen, als wie hier im
alten durch das Bedürfniß ungezählter Jahrtauſende
abgebrauchten, ausgenutzten Europa.
„Und Alles noch ganz ſo, wie zu Deiner Zeit,
Eduard!“ ſeufzte ich mit wehmüthiger Befriedigung.
Dem war aber doch nicht vollſtändig ſo.
Da war zum Beiſpiel, bei näherer Betrachtung
früher rechts vom Wege, der nach der rothen Schanze
führt, ein ungefähr vier bis fünf Ar großer Teich,
oder eigentlich Sumpf; — der war nicht mehr da.
Früher aller geheimnißvoll wimmelnden Wunder
voll hatte man ihn jetzt zu einem Stück mehr oder
weniger fruchtbaren Kartoffellandes gemacht, und ſo
3*
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeWilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr] Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |