Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

im Grunde ja Niemand mehr was anging als vielleicht
noch ein wenig seine Frau -- Herrn Schaumanns
Frau, eine geborene Quakatz. Ja, weshalb sollten
die Beiden und noch dazu von ihrer jetzigen ganz
sichern Schanze aus um den alten, guten Störzer
die hohe Justiz bemühen, ihr auf die Sprünge helfen,
um sie eigentlich doch nur dadurch zu beschämen?
Überlegen Sie das einmal."

"Ich kann es doch nicht fassen!" seufzte mein
Herr Wirth und ging, kopfschüttelnd und durchaus
nicht befriedigt von mir. Ich aber faßte mich an
die Stirn: Du lieber Himmel, wie sehr hatte
Stopfkuchen Recht! Schon was ich jetzt über mich
nur kommen sah, genügte vollständig, um mich nun-
mehr ganz in seine Situation während der Zeit nach
einem plötzlichen Aufmerken an dem schönen Sommer-
morgen beim Begräbniß seines Schwiegervaters zu
versetzen. Sofort aber folgte auch die Überlegung:
"Und nun kannst auch Du mit ausbaden, was der
Dicke hinter aufgezogener Zugbrücke der Welt so lange
als möglich so schnöde als möglich vorenthalten hat!
Und der Feistling ist auch jetzt noch im Stande, seine
Schanze um sich und sein Weib herum noch mehr
in Vertheidigungszustand zu setzen, die Bulldoggen,
Fleischer- und Schäferhunde, die giftigen Spitze, kurz alle
die bissigen Wächter seines seligen Schwiegervaters
wieder aus der Gruft zu beschwören, und Dir, Eduard
es ganz allein zu überlassen, die Sache Störzer-Kien-
baum gegen die Menschheit auszutragen!"

W. Raabe. Stopfkuchen. 18

im Grunde ja Niemand mehr was anging als vielleicht
noch ein wenig ſeine Frau — Herrn Schaumanns
Frau, eine geborene Quakatz. Ja, weshalb ſollten
die Beiden und noch dazu von ihrer jetzigen ganz
ſichern Schanze aus um den alten, guten Störzer
die hohe Juſtiz bemühen, ihr auf die Sprünge helfen,
um ſie eigentlich doch nur dadurch zu beſchämen?
Überlegen Sie das einmal.“

„Ich kann es doch nicht faſſen!“ ſeufzte mein
Herr Wirth und ging, kopfſchüttelnd und durchaus
nicht befriedigt von mir. Ich aber faßte mich an
die Stirn: Du lieber Himmel, wie ſehr hatte
Stopfkuchen Recht! Schon was ich jetzt über mich
nur kommen ſah, genügte vollſtändig, um mich nun-
mehr ganz in ſeine Situation während der Zeit nach
einem plötzlichen Aufmerken an dem ſchönen Sommer-
morgen beim Begräbniß ſeines Schwiegervaters zu
verſetzen. Sofort aber folgte auch die Überlegung:
„Und nun kannſt auch Du mit ausbaden, was der
Dicke hinter aufgezogener Zugbrücke der Welt ſo lange
als möglich ſo ſchnöde als möglich vorenthalten hat!
Und der Feiſtling iſt auch jetzt noch im Stande, ſeine
Schanze um ſich und ſein Weib herum noch mehr
in Vertheidigungszuſtand zu ſetzen, die Bulldoggen,
Fleiſcher- und Schäferhunde, die giftigen Spitze, kurz alle
die biſſigen Wächter ſeines ſeligen Schwiegervaters
wieder aus der Gruft zu beſchwören, und Dir, Eduard
es ganz allein zu überlaſſen, die Sache Störzer-Kien-
baum gegen die Menſchheit auszutragen!“

W. Raabe. Stopfkuchen. 18
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0283" n="273"/>
im Grunde ja Niemand mehr was anging als vielleicht<lb/>
noch ein wenig &#x017F;eine Frau &#x2014; Herrn Schaumanns<lb/>
Frau, eine geborene Quakatz. Ja, weshalb &#x017F;ollten<lb/>
die Beiden und noch dazu von ihrer jetzigen ganz<lb/>
&#x017F;ichern Schanze aus um den alten, guten Störzer<lb/>
die hohe Ju&#x017F;tiz bemühen, ihr auf die Sprünge helfen,<lb/>
um &#x017F;ie eigentlich doch nur dadurch zu be&#x017F;chämen?<lb/>
Überlegen Sie das einmal.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich kann es doch nicht fa&#x017F;&#x017F;en!&#x201C; &#x017F;eufzte mein<lb/>
Herr Wirth und ging, kopf&#x017F;chüttelnd und durchaus<lb/>
nicht befriedigt von mir. Ich aber faßte mich an<lb/>
die Stirn: Du lieber Himmel, wie &#x017F;ehr hatte<lb/>
Stopfkuchen Recht! Schon was ich jetzt über mich<lb/>
nur kommen &#x017F;ah, genügte voll&#x017F;tändig, um mich nun-<lb/>
mehr ganz in &#x017F;eine Situation während der Zeit nach<lb/>
einem plötzlichen Aufmerken an dem &#x017F;chönen Sommer-<lb/>
morgen beim Begräbniß &#x017F;eines Schwiegervaters zu<lb/>
ver&#x017F;etzen. Sofort aber folgte auch die Überlegung:<lb/>
&#x201E;Und nun kann&#x017F;t auch Du mit ausbaden, was der<lb/>
Dicke hinter aufgezogener Zugbrücke der Welt &#x017F;o lange<lb/>
als möglich &#x017F;o &#x017F;chnöde als möglich vorenthalten hat!<lb/>
Und der Fei&#x017F;tling i&#x017F;t auch jetzt noch im Stande, &#x017F;eine<lb/>
Schanze um &#x017F;ich und &#x017F;ein Weib herum noch mehr<lb/>
in Vertheidigungszu&#x017F;tand zu &#x017F;etzen, die Bulldoggen,<lb/>
Flei&#x017F;cher- und Schäferhunde, die giftigen Spitze, kurz alle<lb/>
die bi&#x017F;&#x017F;igen Wächter &#x017F;eines &#x017F;eligen Schwiegervaters<lb/>
wieder aus der Gruft zu be&#x017F;chwören, und Dir, Eduard<lb/>
es ganz allein zu überla&#x017F;&#x017F;en, die Sache Störzer-Kien-<lb/>
baum gegen die Men&#x017F;chheit auszutragen!&#x201C;</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">W. Raabe. Stopfkuchen. 18</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[273/0283] im Grunde ja Niemand mehr was anging als vielleicht noch ein wenig ſeine Frau — Herrn Schaumanns Frau, eine geborene Quakatz. Ja, weshalb ſollten die Beiden und noch dazu von ihrer jetzigen ganz ſichern Schanze aus um den alten, guten Störzer die hohe Juſtiz bemühen, ihr auf die Sprünge helfen, um ſie eigentlich doch nur dadurch zu beſchämen? Überlegen Sie das einmal.“ „Ich kann es doch nicht faſſen!“ ſeufzte mein Herr Wirth und ging, kopfſchüttelnd und durchaus nicht befriedigt von mir. Ich aber faßte mich an die Stirn: Du lieber Himmel, wie ſehr hatte Stopfkuchen Recht! Schon was ich jetzt über mich nur kommen ſah, genügte vollſtändig, um mich nun- mehr ganz in ſeine Situation während der Zeit nach einem plötzlichen Aufmerken an dem ſchönen Sommer- morgen beim Begräbniß ſeines Schwiegervaters zu verſetzen. Sofort aber folgte auch die Überlegung: „Und nun kannſt auch Du mit ausbaden, was der Dicke hinter aufgezogener Zugbrücke der Welt ſo lange als möglich ſo ſchnöde als möglich vorenthalten hat! Und der Feiſtling iſt auch jetzt noch im Stande, ſeine Schanze um ſich und ſein Weib herum noch mehr in Vertheidigungszuſtand zu ſetzen, die Bulldoggen, Fleiſcher- und Schäferhunde, die giftigen Spitze, kurz alle die biſſigen Wächter ſeines ſeligen Schwiegervaters wieder aus der Gruft zu beſchwören, und Dir, Eduard es ganz allein zu überlaſſen, die Sache Störzer-Kien- baum gegen die Menſchheit auszutragen!“ W. Raabe. Stopfkuchen. 18

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/283
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/283>, abgerufen am 24.11.2024.