Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

"Es ist doch nicht möglich! Ein Theil der Stadt
ist ja freilich schon gestern Abend, gestern Nacht, vom
goldenen Arm aus darüber in die größte Aufregung
gerathen. Leider waren Sie bereits zur Ruhe ge-
gangen als die Überraschung auch noch zu mir drang,
und ich nahm mir die Freiheit nicht --"

"Mich zu wecken und sofort um die genaueste
Auskunft anzugehen. Ich danke Ihnen verbindlichst
lieber --"

"Aber, mein Gott, Sie verzeihen, bester, ver-
ehrtester Herr, Sie sind doch auch ein Stadtkind und
gehören so zu sagen noch zu uns, und womit man
sich die langen Jahre so schwer und interessirt
herumgetragen hat -- wenn da nun mit einem Male
eine so merkwürdige Aufklärung kommt! . . . Und
dieser alte Störzer! Es hielt ihn ja Keiner für mehr als
für einen guten, unschädlichen, alten Mann und
Hammel! und heute Morgen begraben sie ihn, dem
Arme der irdischen Gerechtigkeit vollständig entzogen!
Und unser verehrter Herr Schaumann von der rothen
Schanze, der doch schon längst so viel zur völligen
Aufklärung hätte thun können! der so viel dazu hätte
thun können --"

"Uns noch eine letzte angenehm-unheimliche Auf-
regung zu verschaffen. Na, na, lieber Sichert, dazu war
er eben zu dick, zu unbeholfen, zu schwerfällig, oder
wie Sie es sonst nennen wollen. Auch wohl ein
wenig zu gutmüthig und für seine Bequemlichkeit be-
sorgt. Und dann -- na, dann war es ja doch auch
eine so alte Geschichte, eine so verjährte Sache, die

„Es iſt doch nicht möglich! Ein Theil der Stadt
iſt ja freilich ſchon geſtern Abend, geſtern Nacht, vom
goldenen Arm aus darüber in die größte Aufregung
gerathen. Leider waren Sie bereits zur Ruhe ge-
gangen als die Überraſchung auch noch zu mir drang,
und ich nahm mir die Freiheit nicht —“

„Mich zu wecken und ſofort um die genaueſte
Auskunft anzugehen. Ich danke Ihnen verbindlichſt
lieber —“

„Aber, mein Gott, Sie verzeihen, beſter, ver-
ehrteſter Herr, Sie ſind doch auch ein Stadtkind und
gehören ſo zu ſagen noch zu uns, und womit man
ſich die langen Jahre ſo ſchwer und intereſſirt
herumgetragen hat — wenn da nun mit einem Male
eine ſo merkwürdige Aufklärung kommt! . . . Und
dieſer alte Störzer! Es hielt ihn ja Keiner für mehr als
für einen guten, unſchädlichen, alten Mann und
Hammel! und heute Morgen begraben ſie ihn, dem
Arme der irdiſchen Gerechtigkeit vollſtändig entzogen!
Und unſer verehrter Herr Schaumann von der rothen
Schanze, der doch ſchon längſt ſo viel zur völligen
Aufklärung hätte thun können! der ſo viel dazu hätte
thun können —“

„Uns noch eine letzte angenehm-unheimliche Auf-
regung zu verſchaffen. Na, na, lieber Sichert, dazu war
er eben zu dick, zu unbeholfen, zu ſchwerfällig, oder
wie Sie es ſonſt nennen wollen. Auch wohl ein
wenig zu gutmüthig und für ſeine Bequemlichkeit be-
ſorgt. Und dann — na, dann war es ja doch auch
eine ſo alte Geſchichte, eine ſo verjährte Sache, die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0282" n="272"/>
        <p>&#x201E;Es i&#x017F;t doch nicht möglich! Ein Theil der Stadt<lb/>
i&#x017F;t ja freilich &#x017F;chon ge&#x017F;tern Abend, ge&#x017F;tern Nacht, vom<lb/>
goldenen Arm aus darüber in die größte Aufregung<lb/>
gerathen. Leider waren Sie bereits zur Ruhe ge-<lb/>
gangen als die Überra&#x017F;chung auch noch zu mir drang,<lb/>
und ich nahm mir die Freiheit nicht &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Mich zu wecken und &#x017F;ofort um die genaue&#x017F;te<lb/>
Auskunft anzugehen. Ich danke Ihnen verbindlich&#x017F;t<lb/>
lieber &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Aber, mein Gott, Sie verzeihen, be&#x017F;ter, ver-<lb/>
ehrte&#x017F;ter Herr, Sie &#x017F;ind doch auch ein Stadtkind und<lb/>
gehören &#x017F;o zu &#x017F;agen noch zu uns, und womit man<lb/>
&#x017F;ich die langen Jahre &#x017F;o &#x017F;chwer und intere&#x017F;&#x017F;irt<lb/>
herumgetragen hat &#x2014; wenn da nun mit einem Male<lb/>
eine &#x017F;o merkwürdige Aufklärung kommt! . . . Und<lb/>
die&#x017F;er alte Störzer! Es hielt ihn ja Keiner für mehr als<lb/>
für einen guten, un&#x017F;chädlichen, alten Mann und<lb/>
Hammel! und heute Morgen begraben &#x017F;ie ihn, dem<lb/>
Arme der irdi&#x017F;chen Gerechtigkeit voll&#x017F;tändig entzogen!<lb/>
Und un&#x017F;er verehrter Herr Schaumann von der rothen<lb/>
Schanze, der doch &#x017F;chon läng&#x017F;t &#x017F;o viel zur völligen<lb/>
Aufklärung hätte thun können! der &#x017F;o viel dazu hätte<lb/>
thun können &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Uns noch eine letzte angenehm-unheimliche Auf-<lb/>
regung zu ver&#x017F;chaffen. Na, na, lieber Sichert, dazu war<lb/>
er eben zu dick, zu unbeholfen, zu &#x017F;chwerfällig, oder<lb/>
wie Sie es &#x017F;on&#x017F;t nennen wollen. Auch wohl ein<lb/>
wenig zu gutmüthig und für &#x017F;eine Bequemlichkeit be-<lb/>
&#x017F;orgt. Und dann &#x2014; na, dann war es ja doch auch<lb/>
eine &#x017F;o alte Ge&#x017F;chichte, eine &#x017F;o verjährte Sache, die<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[272/0282] „Es iſt doch nicht möglich! Ein Theil der Stadt iſt ja freilich ſchon geſtern Abend, geſtern Nacht, vom goldenen Arm aus darüber in die größte Aufregung gerathen. Leider waren Sie bereits zur Ruhe ge- gangen als die Überraſchung auch noch zu mir drang, und ich nahm mir die Freiheit nicht —“ „Mich zu wecken und ſofort um die genaueſte Auskunft anzugehen. Ich danke Ihnen verbindlichſt lieber —“ „Aber, mein Gott, Sie verzeihen, beſter, ver- ehrteſter Herr, Sie ſind doch auch ein Stadtkind und gehören ſo zu ſagen noch zu uns, und womit man ſich die langen Jahre ſo ſchwer und intereſſirt herumgetragen hat — wenn da nun mit einem Male eine ſo merkwürdige Aufklärung kommt! . . . Und dieſer alte Störzer! Es hielt ihn ja Keiner für mehr als für einen guten, unſchädlichen, alten Mann und Hammel! und heute Morgen begraben ſie ihn, dem Arme der irdiſchen Gerechtigkeit vollſtändig entzogen! Und unſer verehrter Herr Schaumann von der rothen Schanze, der doch ſchon längſt ſo viel zur völligen Aufklärung hätte thun können! der ſo viel dazu hätte thun können —“ „Uns noch eine letzte angenehm-unheimliche Auf- regung zu verſchaffen. Na, na, lieber Sichert, dazu war er eben zu dick, zu unbeholfen, zu ſchwerfällig, oder wie Sie es ſonſt nennen wollen. Auch wohl ein wenig zu gutmüthig und für ſeine Bequemlichkeit be- ſorgt. Und dann — na, dann war es ja doch auch eine ſo alte Geſchichte, eine ſo verjährte Sache, die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/282
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/282>, abgerufen am 24.11.2024.