in seiner unverdienten Verlassenheit; aber ändern habe ich ja doch nichts dran können! Und er war dabei ja auch immer ein wohlhabender Mensche und hatte sein reichliches Auskommen und hat auch zurück- gelegt. Das war doch ein Trost, und sie konnten ihm ja auch niemals viel anhaben von Gerichtswegen! Aber denken Sie nur ja nicht, daß es mir nicht immer ein Angehen gewesen ist, der rothen Schanze von Amtswegen nahe zu kommen. Und wenn es möglich war, schickte ich auch immer einen Andern mit den Briefschaften und der Zeitung hinein. O, Herr Schaumann, Herr Schaumann, von Amtswegen mußte ich ja auch tagtäglich, tagtäglich, tagtäglich da vorbei, wo -- wo ich die That begangen habe. Von dem Elend half mir auch Keiner; gerade wie ich dem Andres auf der rothen Schanze nicht von seinem Verdruß meinetwegen helfen konnte!' -- ,Nicht helfen konnte, Störzer?' -- Nein, Herr! leider nicht! denn es war gegen die Natur. Ach, Barmherziger, wenn ich es nur ausdrücken könnte, wie ganz und gar es gegen meine Natur war!' -- ,Eine saubere Natur, Störzer!' -- ,Wie oft, Herr, habe ich dasselbe mir gesagt, hier wo wir sitzen, auf den Knieen, wenn ich den Busch und die Straße für mich allein hatte!' -- ,Hier?' -- ,Ja, hier im Papenbusch auf der Stelle, wo ich's ihm heimgezahlt habe, was er von Kindesbeinen an an mir gesündigt hatte. Wenn es über das rechte Maaß dabei gegangen ist, so habe ich vor dem barm- herzigen Gott die langen, langen Jahre schwer an der Verschuldigung und der Bangniß getragen. Es hat
in ſeiner unverdienten Verlaſſenheit; aber ändern habe ich ja doch nichts dran können! Und er war dabei ja auch immer ein wohlhabender Menſche und hatte ſein reichliches Auskommen und hat auch zurück- gelegt. Das war doch ein Troſt, und ſie konnten ihm ja auch niemals viel anhaben von Gerichtswegen! Aber denken Sie nur ja nicht, daß es mir nicht immer ein Angehen geweſen iſt, der rothen Schanze von Amtswegen nahe zu kommen. Und wenn es möglich war, ſchickte ich auch immer einen Andern mit den Briefſchaften und der Zeitung hinein. O, Herr Schaumann, Herr Schaumann, von Amtswegen mußte ich ja auch tagtäglich, tagtäglich, tagtäglich da vorbei, wo — wo ich die That begangen habe. Von dem Elend half mir auch Keiner; gerade wie ich dem Andres auf der rothen Schanze nicht von ſeinem Verdruß meinetwegen helfen konnte!‘ — ‚Nicht helfen konnte, Störzer?‘ — Nein, Herr! leider nicht! denn es war gegen die Natur. Ach, Barmherziger, wenn ich es nur ausdrücken könnte, wie ganz und gar es gegen meine Natur war!‘ — ‚Eine ſaubere Natur, Störzer!‘ — ‚Wie oft, Herr, habe ich dasſelbe mir geſagt, hier wo wir ſitzen, auf den Knieen, wenn ich den Buſch und die Straße für mich allein hatte!‘ — ‚Hier?‘ — ‚Ja, hier im Papenbuſch auf der Stelle, wo ich's ihm heimgezahlt habe, was er von Kindesbeinen an an mir geſündigt hatte. Wenn es über das rechte Maaß dabei gegangen iſt, ſo habe ich vor dem barm- herzigen Gott die langen, langen Jahre ſchwer an der Verſchuldigung und der Bangniß getragen. Es hat
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in ſeiner unverdienten Verlaſſenheit; aber ändern
habe ich ja doch nichts dran können! Und er war
dabei ja auch immer ein wohlhabender Menſche und
hatte ſein reichliches Auskommen und hat auch zurück-
gelegt. Das war doch ein Troſt, und ſie konnten
ihm ja auch niemals viel anhaben von Gerichtswegen!
Aber denken Sie nur ja nicht, daß es mir nicht
immer ein Angehen geweſen iſt, der rothen Schanze
von Amtswegen nahe zu kommen. Und wenn es
möglich war, ſchickte ich auch immer einen Andern mit
den Briefſchaften und der Zeitung hinein. O, Herr
Schaumann, Herr Schaumann, von Amtswegen mußte
ich ja auch tagtäglich, tagtäglich, tagtäglich da vorbei,
wo — wo ich die That begangen habe. Von dem
Elend half mir auch Keiner; gerade wie ich dem Andres
auf der rothen Schanze nicht von ſeinem Verdruß
meinetwegen helfen konnte!‘ — ‚Nicht helfen konnte,
Störzer?‘ — Nein, Herr! leider nicht! denn es war
gegen die Natur. Ach, Barmherziger, wenn ich es
nur ausdrücken könnte, wie ganz und gar es gegen
meine Natur war!‘ — ‚Eine ſaubere Natur, Störzer!‘
— ‚Wie oft, Herr, habe ich dasſelbe mir geſagt, hier
wo wir ſitzen, auf den Knieen, wenn ich den Buſch
und die Straße für mich allein hatte!‘ — ‚Hier?‘
— ‚Ja, hier im Papenbuſch auf der Stelle, wo ich's
ihm heimgezahlt habe, was er von Kindesbeinen an
an mir geſündigt hatte. Wenn es über das rechte
Maaß dabei gegangen iſt, ſo habe ich vor dem barm-
herzigen Gott die langen, langen Jahre ſchwer an
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Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte" entstand ca. 1888/90. Der Text erschien zuerst 1891 in der Deutschen Roman-Zeitung (28. Jg., Nr. 1–6) und wurde für das Deutsche Textarchiv, gemäß den DTA-Leitlinien, nach der ersten selbstständigen Veröffentlichung digitalisiert.
Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/263>, abgerufen am 24.11.2024.
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