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Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.

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wieder einmal genau, von der Frisur bis zu den
Schuhspitzen; und dabei dachte ich denn ausnahms-
weise auch mal ein bißchen an mich. Ich streichelte
dem Herzen die Backen: so unsägliche Mühe hatte es
mich gekostet, dies behagliche, reinliche, zierliche Rom
aufzuerbauen -- und nun sollte das alles umsonst
sein? Und warum? wegen wessen? wofür und wozu?
Kienbaums wegen? Der ewigen und der menschlichen
Gerechtigkeit wegen? Ich sah mir mein Weib an,
sah mir die Zeitgenossenschaft an und nahm Jeden
aus der letzteren, so weit sie um die rothe Schanze
herum wohnte, vor. Um nachher von der Gesammt-
heit keinen Vorwurf zu verdienen, nahm ich es mit
jedem Einzelnen ernst; und -- ich fand nicht Einen
drunter, dem ich persönlich verpflichtet gewesen wäre,
ihm sofort bekannt zu machen, wer in der That
Kienbaum todtgeschlagen hatte. ,Aber die ewige Ge-
rechtigkeit?' wirst Du fragen, Eduard. Ja, sieh mal,
lieber Freund, in deren Belieben hatte es, meiner
Meinung nach, denn doch lange genug gelegen, das
Ihrige zur Sache zu thun. Da sie es nicht gethan
hatte und den Vater Quakatz allein hatte suchen lassen,
so hatte sie, so hatte sie von seinem Schwiegersohn
garnichts zu verlangen: ich aber durfte sie dreist er-
suchen, jetzt meine Frau mit den widerwärtigen Ge-
schichten wenigstens so lange als es garnicht anders
ging, in Ruhe und Frieden zu lassen. Blieb also
nur die Frage: Aber Du? Nämlich ich, lieber Eduard,
Heinrich Schaumann, genannt Stopfkuchen. -- Dir
sitzt doch nun mal der Floh im Ohr, Heinrich! willst

wieder einmal genau, von der Friſur bis zu den
Schuhſpitzen; und dabei dachte ich denn ausnahms-
weiſe auch mal ein bißchen an mich. Ich ſtreichelte
dem Herzen die Backen: ſo unſägliche Mühe hatte es
mich gekoſtet, dies behagliche, reinliche, zierliche Rom
aufzuerbauen — und nun ſollte das alles umſonſt
ſein? Und warum? wegen weſſen? wofür und wozu?
Kienbaums wegen? Der ewigen und der menſchlichen
Gerechtigkeit wegen? Ich ſah mir mein Weib an,
ſah mir die Zeitgenoſſenſchaft an und nahm Jeden
aus der letzteren, ſo weit ſie um die rothe Schanze
herum wohnte, vor. Um nachher von der Geſammt-
heit keinen Vorwurf zu verdienen, nahm ich es mit
jedem Einzelnen ernſt; und — ich fand nicht Einen
drunter, dem ich perſönlich verpflichtet geweſen wäre,
ihm ſofort bekannt zu machen, wer in der That
Kienbaum todtgeſchlagen hatte. ‚Aber die ewige Ge-
rechtigkeit?‘ wirſt Du fragen, Eduard. Ja, ſieh mal,
lieber Freund, in deren Belieben hatte es, meiner
Meinung nach, denn doch lange genug gelegen, das
Ihrige zur Sache zu thun. Da ſie es nicht gethan
hatte und den Vater Quakatz allein hatte ſuchen laſſen,
ſo hatte ſie, ſo hatte ſie von ſeinem Schwiegerſohn
garnichts zu verlangen: ich aber durfte ſie dreiſt er-
ſuchen, jetzt meine Frau mit den widerwärtigen Ge-
ſchichten wenigſtens ſo lange als es garnicht anders
ging, in Ruhe und Frieden zu laſſen. Blieb alſo
nur die Frage: Aber Du? Nämlich ich, lieber Eduard,
Heinrich Schaumann, genannt Stopfkuchen. — Dir
ſitzt doch nun mal der Floh im Ohr, Heinrich! willſt

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[246/0256] wieder einmal genau, von der Friſur bis zu den Schuhſpitzen; und dabei dachte ich denn ausnahms- weiſe auch mal ein bißchen an mich. Ich ſtreichelte dem Herzen die Backen: ſo unſägliche Mühe hatte es mich gekoſtet, dies behagliche, reinliche, zierliche Rom aufzuerbauen — und nun ſollte das alles umſonſt ſein? Und warum? wegen weſſen? wofür und wozu? Kienbaums wegen? Der ewigen und der menſchlichen Gerechtigkeit wegen? Ich ſah mir mein Weib an, ſah mir die Zeitgenoſſenſchaft an und nahm Jeden aus der letzteren, ſo weit ſie um die rothe Schanze herum wohnte, vor. Um nachher von der Geſammt- heit keinen Vorwurf zu verdienen, nahm ich es mit jedem Einzelnen ernſt; und — ich fand nicht Einen drunter, dem ich perſönlich verpflichtet geweſen wäre, ihm ſofort bekannt zu machen, wer in der That Kienbaum todtgeſchlagen hatte. ‚Aber die ewige Ge- rechtigkeit?‘ wirſt Du fragen, Eduard. Ja, ſieh mal, lieber Freund, in deren Belieben hatte es, meiner Meinung nach, denn doch lange genug gelegen, das Ihrige zur Sache zu thun. Da ſie es nicht gethan hatte und den Vater Quakatz allein hatte ſuchen laſſen, ſo hatte ſie, ſo hatte ſie von ſeinem Schwiegerſohn garnichts zu verlangen: ich aber durfte ſie dreiſt er- ſuchen, jetzt meine Frau mit den widerwärtigen Ge- ſchichten wenigſtens ſo lange als es garnicht anders ging, in Ruhe und Frieden zu laſſen. Blieb alſo nur die Frage: Aber Du? Nämlich ich, lieber Eduard, Heinrich Schaumann, genannt Stopfkuchen. — Dir ſitzt doch nun mal der Floh im Ohr, Heinrich! willſt

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/256>, abgerufen am 22.11.2024.