Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

unserer Schanze, und die Welt lag draußen, und im
Hause war es still, und kühl unter den Bäumen.
Und die Hunde kamen, und in ihren Augen lag ein
gewisser Vorwurf, daß sie nicht mit zum Grabe ge-
nommen worden waren -- sie. Und Miezchen kam
und rieb sich zärtlich an Frau Valentine Schaumann,
einer geborenen Quakatz. Und Valentine sank in
der dämmerigen Eßstube auf einen Stuhl, und
schluchzte sich weiter aus. Die halbe Dämmerung
und die Kühle mußten aber doch auch ihr wohlthun
nach dem hellen, heißen Licht auf dem Friedhofe --"

"Und Du, Du -- Du?"

"Ich? Nun was sollte ich denn anders thun,
als sie sich ausweinen lassen und sie dabei von Zeit
zu Zeit sanft auf den Rücken klopfen? Als sie
dann in die Küche hinausgerufen wurde, stopfte ich
mir natürlich eine Pfeife und überlegte.

"Du überlegtest!"

"Was sollte ich denn anders thun? Auf was
Anderes ist denn ein Mensch angewiesen, den man
unter der Hecke hat liegen lassen? Vor allen Dingen
ruhig Blut, sagte ich mir. Zeit nehmen, Stopfkuchen!
und die fünf Sinne zusammen, Dicker! . . . Ja, was
war das nun? Hast Du wirklich da Etwas gesehen?
Der? . . . Der? Dieser brave, alte Biedermann und
Dummkopf? Die Sache ist eigentlich zu dumm und
es wird Einem selber immer dummer, je mehr man
darüber nachdenkt. Einfältig und gutmüthig genug
sieht er freilich aus; aber das hindert nicht bei der-
gleichen. Hm, die Kraniche des Ibykus über dem

unſerer Schanze, und die Welt lag draußen, und im
Hauſe war es ſtill, und kühl unter den Bäumen.
Und die Hunde kamen, und in ihren Augen lag ein
gewiſſer Vorwurf, daß ſie nicht mit zum Grabe ge-
nommen worden waren — ſie. Und Miezchen kam
und rieb ſich zärtlich an Frau Valentine Schaumann,
einer geborenen Quakatz. Und Valentine ſank in
der dämmerigen Eßſtube auf einen Stuhl, und
ſchluchzte ſich weiter aus. Die halbe Dämmerung
und die Kühle mußten aber doch auch ihr wohlthun
nach dem hellen, heißen Licht auf dem Friedhofe —“

„Und Du, Du — Du?“

„Ich? Nun was ſollte ich denn anders thun,
als ſie ſich ausweinen laſſen und ſie dabei von Zeit
zu Zeit ſanft auf den Rücken klopfen? Als ſie
dann in die Küche hinausgerufen wurde, ſtopfte ich
mir natürlich eine Pfeife und überlegte.

„Du überlegteſt!“

„Was ſollte ich denn anders thun? Auf was
Anderes iſt denn ein Menſch angewieſen, den man
unter der Hecke hat liegen laſſen? Vor allen Dingen
ruhig Blut, ſagte ich mir. Zeit nehmen, Stopfkuchen!
und die fünf Sinne zuſammen, Dicker! . . . Ja, was
war das nun? Haſt Du wirklich da Etwas geſehen?
Der? . . . Der? Dieſer brave, alte Biedermann und
Dummkopf? Die Sache iſt eigentlich zu dumm und
es wird Einem ſelber immer dummer, je mehr man
darüber nachdenkt. Einfältig und gutmüthig genug
ſieht er freilich aus; aber das hindert nicht bei der-
gleichen. Hm, die Kraniche des Ibykus über dem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0249" n="239"/>
un&#x017F;erer Schanze, und die Welt lag draußen, und im<lb/>
Hau&#x017F;e war es &#x017F;till, und kühl unter den Bäumen.<lb/>
Und die Hunde kamen, und in ihren Augen lag ein<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;er Vorwurf, daß &#x017F;ie nicht mit zum Grabe ge-<lb/>
nommen worden waren &#x2014; &#x017F;ie. Und Miezchen kam<lb/>
und rieb &#x017F;ich zärtlich an Frau Valentine Schaumann,<lb/>
einer geborenen Quakatz. Und Valentine &#x017F;ank in<lb/>
der dämmerigen Eß&#x017F;tube auf einen Stuhl, und<lb/>
&#x017F;chluchzte &#x017F;ich weiter aus. Die halbe Dämmerung<lb/>
und die Kühle mußten aber doch auch ihr wohlthun<lb/>
nach dem hellen, heißen Licht auf dem Friedhofe &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und Du, Du &#x2014; Du?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich? Nun was &#x017F;ollte ich denn anders thun,<lb/>
als &#x017F;ie &#x017F;ich ausweinen la&#x017F;&#x017F;en und &#x017F;ie dabei von Zeit<lb/>
zu Zeit &#x017F;anft auf den Rücken klopfen? Als &#x017F;ie<lb/>
dann in die Küche hinausgerufen wurde, &#x017F;topfte ich<lb/>
mir natürlich eine Pfeife und überlegte.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Du überlegte&#x017F;t!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Was &#x017F;ollte ich denn anders thun? Auf was<lb/>
Anderes i&#x017F;t denn ein Men&#x017F;ch angewie&#x017F;en, den man<lb/>
unter der Hecke hat liegen la&#x017F;&#x017F;en? Vor allen Dingen<lb/>
ruhig Blut, &#x017F;agte ich mir. Zeit nehmen, Stopfkuchen!<lb/>
und die fünf Sinne zu&#x017F;ammen, Dicker! . . . Ja, was<lb/>
war das nun? Ha&#x017F;t Du wirklich da Etwas ge&#x017F;ehen?<lb/>
Der? . . . Der? Die&#x017F;er brave, alte Biedermann und<lb/>
Dummkopf? Die Sache i&#x017F;t eigentlich zu dumm und<lb/>
es wird Einem &#x017F;elber immer dummer, je mehr man<lb/>
darüber nachdenkt. Einfältig und gutmüthig genug<lb/>
&#x017F;ieht er freilich aus; aber das hindert nicht bei der-<lb/>
gleichen. Hm, die Kraniche des Ibykus über dem<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[239/0249] unſerer Schanze, und die Welt lag draußen, und im Hauſe war es ſtill, und kühl unter den Bäumen. Und die Hunde kamen, und in ihren Augen lag ein gewiſſer Vorwurf, daß ſie nicht mit zum Grabe ge- nommen worden waren — ſie. Und Miezchen kam und rieb ſich zärtlich an Frau Valentine Schaumann, einer geborenen Quakatz. Und Valentine ſank in der dämmerigen Eßſtube auf einen Stuhl, und ſchluchzte ſich weiter aus. Die halbe Dämmerung und die Kühle mußten aber doch auch ihr wohlthun nach dem hellen, heißen Licht auf dem Friedhofe —“ „Und Du, Du — Du?“ „Ich? Nun was ſollte ich denn anders thun, als ſie ſich ausweinen laſſen und ſie dabei von Zeit zu Zeit ſanft auf den Rücken klopfen? Als ſie dann in die Küche hinausgerufen wurde, ſtopfte ich mir natürlich eine Pfeife und überlegte. „Du überlegteſt!“ „Was ſollte ich denn anders thun? Auf was Anderes iſt denn ein Menſch angewieſen, den man unter der Hecke hat liegen laſſen? Vor allen Dingen ruhig Blut, ſagte ich mir. Zeit nehmen, Stopfkuchen! und die fünf Sinne zuſammen, Dicker! . . . Ja, was war das nun? Haſt Du wirklich da Etwas geſehen? Der? . . . Der? Dieſer brave, alte Biedermann und Dummkopf? Die Sache iſt eigentlich zu dumm und es wird Einem ſelber immer dummer, je mehr man darüber nachdenkt. Einfältig und gutmüthig genug ſieht er freilich aus; aber das hindert nicht bei der- gleichen. Hm, die Kraniche des Ibykus über dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/249
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/249>, abgerufen am 24.11.2024.