Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.anderleben in der gemüthlichsten Weise aufrecht. In "O Gott, Herr Schaumann, das kann der Herr "Ich bin dabei gewesen, Kind. -- Todt ist er und anderleben in der gemüthlichſten Weiſe aufrecht. In „O Gott, Herr Schaumann, das kann der Herr „Ich bin dabei geweſen, Kind. — Todt iſt er und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0243" n="233"/> anderleben in der gemüthlichſten Weiſe aufrecht. In<lb/> der letztern Hinſicht thun wir einander ſogar alles<lb/> zu Gefallen was wir nur können. Er weiß in allen<lb/> menſchlichen Dingen Stopfkuchen zu ſchätzen und ich<lb/> ihn. Selbſtverſtändlich war ich am Tage vorher,<lb/> das heißt vor dem Begräbniß, bei ihm und beſprach<lb/> mit ihm die Sache. Ich traf ihn, oben an ſeiner<lb/> Dachrinne hängend. Es hatte einer ſeiner Bienen-<lb/> ſtöcke geſchwärmt, und der Weiſel war auf die Idee<lb/> gekommen, ſich dort feſtzuſetzen. Ich hielt dem zweit-<lb/> dickſten Mann der Gegend die Leiter und korrigirte<lb/> ihm nachher in der Laube ein wenig in ſein Manuſkript<lb/> hinein. Letzteres iſt aber nur eine kulturelle Redens-<lb/> art: der Mann ſpricht aus freier Hand und — gut,<lb/> wenn er in der Stimmung iſt. Und zu der Stimmung<lb/> des Menſchen kann der Nebenmenſch ein Erkleckliches<lb/> beitragen. Ich that dies, und als wir ſpäter an dem<lb/> warmen Abend mit einem Wetterleuchten am Horizont<lb/> an ſeiner Gartenpforte von einander Abſchied nahmen,<lb/> ſagte er: ‚Seien Sie ganz ruhig, Herr Nachbar;<lb/> ich bin vollſtändig Ihrer Anſicht.‘ Am andern<lb/> Morgen redete er denn auch, möglichſt annähernd<lb/> Das, was ich zu ſagen hatte. Ich räuſperte mich —<lb/> nein, er räuſperte ſich und ſprach: ‚Nun ſieh mal,<lb/> chriſtliche Gemeinde, da liegt er — mauſetodt!‘</p><lb/> <p>„O Gott, Herr Schaumann, das kann der Herr<lb/> Paſtor doch nicht geſagt haben!“ klang es hinter dem<lb/> Schenktiſche hervor.</p><lb/> <p>„Ich bin dabei geweſen, Kind. — Todt iſt er und<lb/> ihr lebt. Er iſt ſo todt wie Kienbaum, den er, nach<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [233/0243]
anderleben in der gemüthlichſten Weiſe aufrecht. In
der letztern Hinſicht thun wir einander ſogar alles
zu Gefallen was wir nur können. Er weiß in allen
menſchlichen Dingen Stopfkuchen zu ſchätzen und ich
ihn. Selbſtverſtändlich war ich am Tage vorher,
das heißt vor dem Begräbniß, bei ihm und beſprach
mit ihm die Sache. Ich traf ihn, oben an ſeiner
Dachrinne hängend. Es hatte einer ſeiner Bienen-
ſtöcke geſchwärmt, und der Weiſel war auf die Idee
gekommen, ſich dort feſtzuſetzen. Ich hielt dem zweit-
dickſten Mann der Gegend die Leiter und korrigirte
ihm nachher in der Laube ein wenig in ſein Manuſkript
hinein. Letzteres iſt aber nur eine kulturelle Redens-
art: der Mann ſpricht aus freier Hand und — gut,
wenn er in der Stimmung iſt. Und zu der Stimmung
des Menſchen kann der Nebenmenſch ein Erkleckliches
beitragen. Ich that dies, und als wir ſpäter an dem
warmen Abend mit einem Wetterleuchten am Horizont
an ſeiner Gartenpforte von einander Abſchied nahmen,
ſagte er: ‚Seien Sie ganz ruhig, Herr Nachbar;
ich bin vollſtändig Ihrer Anſicht.‘ Am andern
Morgen redete er denn auch, möglichſt annähernd
Das, was ich zu ſagen hatte. Ich räuſperte mich —
nein, er räuſperte ſich und ſprach: ‚Nun ſieh mal,
chriſtliche Gemeinde, da liegt er — mauſetodt!‘
„O Gott, Herr Schaumann, das kann der Herr
Paſtor doch nicht geſagt haben!“ klang es hinter dem
Schenktiſche hervor.
„Ich bin dabei geweſen, Kind. — Todt iſt er und
ihr lebt. Er iſt ſo todt wie Kienbaum, den er, nach
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