seinem Dienste treu und redlich, ohne einen einzigen Urlaubstag zu verlangen, zurückgelegt hat. Wie viele Male glauben die Herren, daß er hätte rund um die Erde herum gewesen sein können?"
"Da bin ich doch neugierig!" sagte der ganze Brummersumm.
"Fünf Mal. Rund um den Erdball. Sieben- undzwanzigtausend und zweiundachtzig Meilen in vier- undfünfzigtausendeinhundertvierundsechzig Berufs-Geh- stunden! Und, wie gesagt, keinen Tag hat der Glücks- pilz in seinen einunddreißig Dienstjahren ausgesetzt -- aussetzen müssen aus Gesundheitsrücksichten. Wie viele der Herren würden gegen seine Beine die ihrigen mit anhängendem Rheuma, mehr oder minder aus- gesprochener Ischias und was sonst so zu den Bei- gaben einer seßhaften Lebensstellung gehört, mit Ver- gnügen ausgetauscht haben. Ach, und wenn er sie hätte vererben können!"
"Das weiß der liebe Gott!" seufzten verschiedene der Herren, indem sie noch einmal hinzufügten: "Also der alte Störzer ist todt!" --
"Also der alte Störzer ist todt!" hatte auch ich gemurmelt. "Hat sich zur Ruhe gesetzt, nachdem er fünf Mal die Weglänge um den Erdball zurückge- legt hat. Hm, hm, Den hättest Du gern auch noch einmal gesehen und gesprochen vor seinem allerletzten Wege, der nicht mehr zu seinen irdischen, amtlichen gehörte!" -- Und ein unbehagliches Ge- fühl, eine Pflicht und Verpflichtung leichthin ver- säumt zu haben, überkam mich. "Mußte der Mann
ſeinem Dienſte treu und redlich, ohne einen einzigen Urlaubstag zu verlangen, zurückgelegt hat. Wie viele Male glauben die Herren, daß er hätte rund um die Erde herum geweſen ſein können?“
„Da bin ich doch neugierig!“ ſagte der ganze Brummerſumm.
„Fünf Mal. Rund um den Erdball. Sieben- undzwanzigtauſend und zweiundachtzig Meilen in vier- undfünfzigtauſendeinhundertvierundſechzig Berufs-Geh- ſtunden! Und, wie geſagt, keinen Tag hat der Glücks- pilz in ſeinen einunddreißig Dienſtjahren ausgeſetzt — ausſetzen müſſen aus Geſundheitsrückſichten. Wie viele der Herren würden gegen ſeine Beine die ihrigen mit anhängendem Rheuma, mehr oder minder aus- geſprochener Iſchias und was ſonſt ſo zu den Bei- gaben einer ſeßhaften Lebensſtellung gehört, mit Ver- gnügen ausgetauſcht haben. Ach, und wenn er ſie hätte vererben können!“
„Das weiß der liebe Gott!“ ſeufzten verſchiedene der Herren, indem ſie noch einmal hinzufügten: „Alſo der alte Störzer iſt todt!“ —
„Alſo der alte Störzer iſt todt!“ hatte auch ich gemurmelt. „Hat ſich zur Ruhe geſetzt, nachdem er fünf Mal die Weglänge um den Erdball zurückge- legt hat. Hm, hm, Den hätteſt Du gern auch noch einmal geſehen und geſprochen vor ſeinem allerletzten Wege, der nicht mehr zu ſeinen irdiſchen, amtlichen gehörte!“ — Und ein unbehagliches Ge- fühl, eine Pflicht und Verpflichtung leichthin ver- ſäumt zu haben, überkam mich. „Mußte der Mann
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[11/0021]
ſeinem Dienſte treu und redlich, ohne einen einzigen
Urlaubstag zu verlangen, zurückgelegt hat. Wie viele
Male glauben die Herren, daß er hätte rund um die
Erde herum geweſen ſein können?“
„Da bin ich doch neugierig!“ ſagte der ganze
Brummerſumm.
„Fünf Mal. Rund um den Erdball. Sieben-
undzwanzigtauſend und zweiundachtzig Meilen in vier-
undfünfzigtauſendeinhundertvierundſechzig Berufs-Geh-
ſtunden! Und, wie geſagt, keinen Tag hat der Glücks-
pilz in ſeinen einunddreißig Dienſtjahren ausgeſetzt
— ausſetzen müſſen aus Geſundheitsrückſichten. Wie
viele der Herren würden gegen ſeine Beine die ihrigen
mit anhängendem Rheuma, mehr oder minder aus-
geſprochener Iſchias und was ſonſt ſo zu den Bei-
gaben einer ſeßhaften Lebensſtellung gehört, mit Ver-
gnügen ausgetauſcht haben. Ach, und wenn er ſie
hätte vererben können!“
„Das weiß der liebe Gott!“ ſeufzten verſchiedene
der Herren, indem ſie noch einmal hinzufügten: „Alſo
der alte Störzer iſt todt!“ —
„Alſo der alte Störzer iſt todt!“ hatte auch ich
gemurmelt. „Hat ſich zur Ruhe geſetzt, nachdem er
fünf Mal die Weglänge um den Erdball zurückge-
legt hat. Hm, hm, Den hätteſt Du gern auch
noch einmal geſehen und geſprochen vor ſeinem
allerletzten Wege, der nicht mehr zu ſeinen irdiſchen,
amtlichen gehörte!“ — Und ein unbehagliches Ge-
fühl, eine Pflicht und Verpflichtung leichthin ver-
ſäumt zu haben, überkam mich. „Mußte der Mann
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte" entstand ca. 1888/90. Der Text erschien zuerst 1891 in der Deutschen Roman-Zeitung (28. Jg., Nr. 1–6) und wurde für das Deutsche Textarchiv, gemäß den DTA-Leitlinien, nach der ersten selbstständigen Veröffentlichung digitalisiert.
Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/21>, abgerufen am 17.02.2025.
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