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Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.

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wohl heute Abend wie später auf seinem weitern Wege
nach Afrika. Nun? Sprich aus!"

"Nein!" sagte Frau Valentine, mit dem Taschen-
tuch sich an die Augen fahrend.

"Schön. Es wird Eduarden aber auch wohl so
am liebsten sein; denn was soll dieser Weltwanderer
und Abenteurer auf seiner demnächstigen Fahrt über
das große Weltmeer eigentlich von uns denken, wenn
das mit unsern Lebensabenteuern und unserer Er-
zählungsweise noch lange auf diese Weise weitergeht?"


[E]twas Besonderes ist auf dem Schiffe nicht vor-
gefallen und scheint auch nicht passiren zu sollen.
Wir haben Sankt Helena angelaufen. Aber ich war
schon einmal in Longwood und habe mir nicht zum
zweitenmal die Mühe gegeben, die entsetzlichen Treppen
zu steigen, um die abgebleichten, zerfetzten Tapeten zu
sehen, auf welchen das Auge von den Pyramiden,
von Austerlitz, Jena, Leipzig und Waterloo in
seinen letzten Lebensfieber-Tagen und -Nächten das
Muster gezählt hatte. Ich gehe an Deck, wo der
Kapitän den Kindern auf seinem Schiffe, natürlich
aus der ersten Kajüte, den Kindern zu liebe, noch
einmal einen Haifisch hat fangen lassen, aus dessen
Bauche sich aber gottlob diesmal nichts dem Menschen
allzu Greuliges entwickelt. Das Vieh hat natur-

wohl heute Abend wie ſpäter auf ſeinem weitern Wege
nach Afrika. Nun? Sprich aus!“

„Nein!“ ſagte Frau Valentine, mit dem Taſchen-
tuch ſich an die Augen fahrend.

„Schön. Es wird Eduarden aber auch wohl ſo
am liebſten ſein; denn was ſoll dieſer Weltwanderer
und Abenteurer auf ſeiner demnächſtigen Fahrt über
das große Weltmeer eigentlich von uns denken, wenn
das mit unſern Lebensabenteuern und unſerer Er-
zählungsweiſe noch lange auf dieſe Weiſe weitergeht?“


[E]twas Beſonderes iſt auf dem Schiffe nicht vor-
gefallen und ſcheint auch nicht paſſiren zu ſollen.
Wir haben Sankt Helena angelaufen. Aber ich war
ſchon einmal in Longwood und habe mir nicht zum
zweitenmal die Mühe gegeben, die entſetzlichen Treppen
zu ſteigen, um die abgebleichten, zerfetzten Tapeten zu
ſehen, auf welchen das Auge von den Pyramiden,
von Auſterlitz, Jena, Leipzig und Waterloo in
ſeinen letzten Lebensfieber-Tagen und -Nächten das
Muſter gezählt hatte. Ich gehe an Deck, wo der
Kapitän den Kindern auf ſeinem Schiffe, natürlich
aus der erſten Kajüte, den Kindern zu liebe, noch
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[196/0206] wohl heute Abend wie ſpäter auf ſeinem weitern Wege nach Afrika. Nun? Sprich aus!“ „Nein!“ ſagte Frau Valentine, mit dem Taſchen- tuch ſich an die Augen fahrend. „Schön. Es wird Eduarden aber auch wohl ſo am liebſten ſein; denn was ſoll dieſer Weltwanderer und Abenteurer auf ſeiner demnächſtigen Fahrt über das große Weltmeer eigentlich von uns denken, wenn das mit unſern Lebensabenteuern und unſerer Er- zählungsweiſe noch lange auf dieſe Weiſe weitergeht?“ Etwas Beſonderes iſt auf dem Schiffe nicht vor- gefallen und ſcheint auch nicht paſſiren zu ſollen. Wir haben Sankt Helena angelaufen. Aber ich war ſchon einmal in Longwood und habe mir nicht zum zweitenmal die Mühe gegeben, die entſetzlichen Treppen zu ſteigen, um die abgebleichten, zerfetzten Tapeten zu ſehen, auf welchen das Auge von den Pyramiden, von Auſterlitz, Jena, Leipzig und Waterloo in ſeinen letzten Lebensfieber-Tagen und -Nächten das Muſter gezählt hatte. Ich gehe an Deck, wo der Kapitän den Kindern auf ſeinem Schiffe, natürlich aus der erſten Kajüte, den Kindern zu liebe, noch einmal einen Haifiſch hat fangen laſſen, aus deſſen Bauche ſich aber gottlob diesmal nichts dem Menſchen allzu Greuliges entwickelt. Das Vieh hat natur-

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/206>, abgerufen am 24.11.2024.