Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

Wacht auf der rothen Schanze entledigt. Wenn aber
wer vor den gefülltesten Freßnäpfen und umgeben
von Bergen abgenagter Knochen mit Hochzeit feierte,
so war sie es, die alte, treue, gute Wachtmannschaft
der alten rothen Schanze und meiner jungen Frau!
Ich stahl mich gleich nach dem Tusch oder Trink-
spruch aufs Brautpaar, aus dem Kreise der Freunde
und Bekannten fort und ging mal zu ihnen hinein
in ihren abgeschlossenen Bezirk hinter dem Hühner-
hofe. Sie lächelten mich sämmtlich an, das heißt,
sie wedelten sämmtlich mit den Schwänzen bis auf
den Braven, der es nicht konnte, weil ihm ein Mai-
holzener Halunke den wohlwollenden Appendix dicht
an der Wurzel abgehackt hatte. Der aber rieb zärt-
lich winselnd seine Nase an meinem Bein und ge-
stand mir so zu: ,Na ja, Du weißt es wirklich, was
das Beste für uns hier auf der rothen Schanze ist!'
-- ,Nach meinem Mädchen habt ihr das wohl zuerst
herausgeschnüffelt?' fragte ich dagegen, dem alten
Veteranen die Hand aufs Haupt legend. Ich meine,
Eduard, wir hatten Beide recht: der Eine mit seiner
Bemerkung, der Andere mit seiner Frage."

"Ich sage garnichts mehr!" sagte Frau Valen-
tine Schaumann.

"Und da hast wieder Du Recht," seufzte Heinrich,
trotz der Abendkühle sich immer doch noch mit dem
Taschentuch über die Stirn fahrend. "Aber wenn
Du doch noch etwas sagen willst, so komm jetzt damit
heraus und nicht wenn Eduard wieder weg ist, so-

13*

Wacht auf der rothen Schanze entledigt. Wenn aber
wer vor den gefüllteſten Freßnäpfen und umgeben
von Bergen abgenagter Knochen mit Hochzeit feierte,
ſo war ſie es, die alte, treue, gute Wachtmannſchaft
der alten rothen Schanze und meiner jungen Frau!
Ich ſtahl mich gleich nach dem Tuſch oder Trink-
ſpruch aufs Brautpaar, aus dem Kreiſe der Freunde
und Bekannten fort und ging mal zu ihnen hinein
in ihren abgeſchloſſenen Bezirk hinter dem Hühner-
hofe. Sie lächelten mich ſämmtlich an, das heißt,
ſie wedelten ſämmtlich mit den Schwänzen bis auf
den Braven, der es nicht konnte, weil ihm ein Mai-
holzener Halunke den wohlwollenden Appendix dicht
an der Wurzel abgehackt hatte. Der aber rieb zärt-
lich winſelnd ſeine Naſe an meinem Bein und ge-
ſtand mir ſo zu: ‚Na ja, Du weißt es wirklich, was
das Beſte für uns hier auf der rothen Schanze iſt!‘
— ‚Nach meinem Mädchen habt ihr das wohl zuerſt
herausgeſchnüffelt?‘ fragte ich dagegen, dem alten
Veteranen die Hand aufs Haupt legend. Ich meine,
Eduard, wir hatten Beide recht: der Eine mit ſeiner
Bemerkung, der Andere mit ſeiner Frage.“

„Ich ſage garnichts mehr!“ ſagte Frau Valen-
tine Schaumann.

„Und da haſt wieder Du Recht,“ ſeufzte Heinrich,
trotz der Abendkühle ſich immer doch noch mit dem
Taſchentuch über die Stirn fahrend. „Aber wenn
Du doch noch etwas ſagen willſt, ſo komm jetzt damit
heraus und nicht wenn Eduard wieder weg iſt, ſo-

13*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0205" n="195"/>
Wacht auf der rothen Schanze entledigt. Wenn aber<lb/>
wer vor den gefüllte&#x017F;ten Freßnäpfen und umgeben<lb/>
von Bergen abgenagter Knochen mit Hochzeit feierte,<lb/>
&#x017F;o war &#x017F;ie es, die alte, treue, gute Wachtmann&#x017F;chaft<lb/>
der alten rothen Schanze und meiner jungen Frau!<lb/>
Ich &#x017F;tahl mich gleich nach dem Tu&#x017F;ch oder Trink-<lb/>
&#x017F;pruch aufs Brautpaar, aus dem Krei&#x017F;e der Freunde<lb/>
und Bekannten fort und ging mal zu ihnen hinein<lb/>
in ihren abge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Bezirk hinter dem Hühner-<lb/>
hofe. Sie lächelten mich &#x017F;ämmtlich an, das heißt,<lb/>
&#x017F;ie wedelten &#x017F;ämmtlich mit den Schwänzen bis auf<lb/>
den Braven, der es nicht konnte, weil ihm ein Mai-<lb/>
holzener Halunke den wohlwollenden Appendix dicht<lb/>
an der Wurzel abgehackt hatte. Der aber rieb zärt-<lb/>
lich win&#x017F;elnd &#x017F;eine Na&#x017F;e an meinem Bein und ge-<lb/>
&#x017F;tand mir &#x017F;o zu: &#x201A;Na ja, Du weißt es wirklich, was<lb/>
das Be&#x017F;te für uns hier auf der rothen Schanze i&#x017F;t!&#x2018;<lb/>
&#x2014; &#x201A;Nach meinem Mädchen habt ihr das wohl zuer&#x017F;t<lb/>
herausge&#x017F;chnüffelt?&#x2018; fragte ich dagegen, dem alten<lb/>
Veteranen die Hand aufs Haupt legend. Ich meine,<lb/>
Eduard, wir hatten Beide recht: der Eine mit &#x017F;einer<lb/>
Bemerkung, der Andere mit &#x017F;einer Frage.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich &#x017F;age garnichts mehr!&#x201C; &#x017F;agte Frau Valen-<lb/>
tine Schaumann.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und da ha&#x017F;t wieder Du Recht,&#x201C; &#x017F;eufzte Heinrich,<lb/>
trotz der Abendkühle &#x017F;ich immer doch noch mit dem<lb/>
Ta&#x017F;chentuch über die Stirn fahrend. &#x201E;Aber wenn<lb/>
Du doch noch etwas &#x017F;agen will&#x017F;t, &#x017F;o komm jetzt damit<lb/>
heraus und nicht wenn Eduard wieder weg i&#x017F;t, &#x017F;o-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">13*</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[195/0205] Wacht auf der rothen Schanze entledigt. Wenn aber wer vor den gefüllteſten Freßnäpfen und umgeben von Bergen abgenagter Knochen mit Hochzeit feierte, ſo war ſie es, die alte, treue, gute Wachtmannſchaft der alten rothen Schanze und meiner jungen Frau! Ich ſtahl mich gleich nach dem Tuſch oder Trink- ſpruch aufs Brautpaar, aus dem Kreiſe der Freunde und Bekannten fort und ging mal zu ihnen hinein in ihren abgeſchloſſenen Bezirk hinter dem Hühner- hofe. Sie lächelten mich ſämmtlich an, das heißt, ſie wedelten ſämmtlich mit den Schwänzen bis auf den Braven, der es nicht konnte, weil ihm ein Mai- holzener Halunke den wohlwollenden Appendix dicht an der Wurzel abgehackt hatte. Der aber rieb zärt- lich winſelnd ſeine Naſe an meinem Bein und ge- ſtand mir ſo zu: ‚Na ja, Du weißt es wirklich, was das Beſte für uns hier auf der rothen Schanze iſt!‘ — ‚Nach meinem Mädchen habt ihr das wohl zuerſt herausgeſchnüffelt?‘ fragte ich dagegen, dem alten Veteranen die Hand aufs Haupt legend. Ich meine, Eduard, wir hatten Beide recht: der Eine mit ſeiner Bemerkung, der Andere mit ſeiner Frage.“ „Ich ſage garnichts mehr!“ ſagte Frau Valen- tine Schaumann. „Und da haſt wieder Du Recht,“ ſeufzte Heinrich, trotz der Abendkühle ſich immer doch noch mit dem Taſchentuch über die Stirn fahrend. „Aber wenn Du doch noch etwas ſagen willſt, ſo komm jetzt damit heraus und nicht wenn Eduard wieder weg iſt, ſo- 13*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/205
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/205>, abgerufen am 24.11.2024.