Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

Durst selbstverständlich gar nicht mitgerechnet. Unter
der Hecke noch hatte ich mir schon als Junge fest
vorgenommen, nur bei ähnlichen, oder vielmehr nur
bei gleichen Kesseln, Pfannen, Töpfen und Bratenwen-
dern auch einmal ein Mädchen glücklich zu machen!
Jetzt war ich so weit und konnte die Gegend einladen,
mir über die Hecke bei dem Vergnügen zuzusehen.
Tinchens Meinung war das so; aber nicht die mei-
nige, und das bräutliche Kind gab nach, wenn auch
seufzend: ,Aber es hat ja Keiner das um uns ver-
dient!' -- ,Grade deshalb,' sprach ich, ,einen Spaß
will doch der Mensch an seinem ernsten Hochzeitstage
haben, also laß mir dies Vergnügen. Und dann sollst
Du mal sehen: der Scherz lohnt sich zugleich und hat
Folgen.' -- ,Du meinst, sie vergeben uns nachher das
Leid, das sie uns angethan haben, und die rothe
Schanze darf sich wieder sehen lassen unter den
Leuten?' -- Auf diese lächerliche Frage antwortete
ich gar nicht; sie war zu entschuldigen, aber zeugte
doch von allzuwenig Menschenkenntniß. Ich wusch,
wie Euer Ketschwayo sich ausgedrückt haben würde,
Eduard, meine Speere in den Eingeweiden der um-
wohnenden feindlichen Stämme: frei Futter wurde
für den Tag ausgerufen, so weit das Gerücht von
Kienbaum und Kienbaums Mörder gereicht hatte,
und ich habe sie Alle, oder doch beinahe Alle, auf
Quakatzens Hofe gehabt an dem menschenfreund-
lichsten Tage meines Lebens. Sie haben uns Alle,
bis auf Wenige, welche ich für magenkrank hielt, die
Ehre gegeben: der Fleischtopf rief, und Alle, Alle

Durſt ſelbſtverſtändlich gar nicht mitgerechnet. Unter
der Hecke noch hatte ich mir ſchon als Junge feſt
vorgenommen, nur bei ähnlichen, oder vielmehr nur
bei gleichen Keſſeln, Pfannen, Töpfen und Bratenwen-
dern auch einmal ein Mädchen glücklich zu machen!
Jetzt war ich ſo weit und konnte die Gegend einladen,
mir über die Hecke bei dem Vergnügen zuzuſehen.
Tinchens Meinung war das ſo; aber nicht die mei-
nige, und das bräutliche Kind gab nach, wenn auch
ſeufzend: ‚Aber es hat ja Keiner das um uns ver-
dient!‘ — ‚Grade deshalb,‘ ſprach ich, ‚einen Spaß
will doch der Menſch an ſeinem ernſten Hochzeitstage
haben, alſo laß mir dies Vergnügen. Und dann ſollſt
Du mal ſehen: der Scherz lohnt ſich zugleich und hat
Folgen.‘ — ‚Du meinſt, ſie vergeben uns nachher das
Leid, das ſie uns angethan haben, und die rothe
Schanze darf ſich wieder ſehen laſſen unter den
Leuten?‘ — Auf dieſe lächerliche Frage antwortete
ich gar nicht; ſie war zu entſchuldigen, aber zeugte
doch von allzuwenig Menſchenkenntniß. Ich wuſch,
wie Euer Ketſchwayo ſich ausgedrückt haben würde,
Eduard, meine Speere in den Eingeweiden der um-
wohnenden feindlichen Stämme: frei Futter wurde
für den Tag ausgerufen, ſo weit das Gerücht von
Kienbaum und Kienbaums Mörder gereicht hatte,
und ich habe ſie Alle, oder doch beinahe Alle, auf
Quakatzens Hofe gehabt an dem menſchenfreund-
lichſten Tage meines Lebens. Sie haben uns Alle,
bis auf Wenige, welche ich für magenkrank hielt, die
Ehre gegeben: der Fleiſchtopf rief, und Alle, Alle

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0202" n="192"/>
Dur&#x017F;t &#x017F;elb&#x017F;tver&#x017F;tändlich gar nicht mitgerechnet. Unter<lb/>
der Hecke noch hatte ich mir &#x017F;chon als Junge fe&#x017F;t<lb/>
vorgenommen, nur bei ähnlichen, oder vielmehr nur<lb/>
bei gleichen Ke&#x017F;&#x017F;eln, Pfannen, Töpfen <choice><sic>uud</sic><corr>und</corr></choice> Bratenwen-<lb/>
dern auch einmal ein Mädchen glücklich zu machen!<lb/>
Jetzt war ich &#x017F;o weit und konnte die Gegend einladen,<lb/>
mir über die Hecke bei dem Vergnügen zuzu&#x017F;ehen.<lb/>
Tinchens Meinung war das &#x017F;o; aber nicht die mei-<lb/>
nige, und das bräutliche Kind gab nach, wenn auch<lb/>
&#x017F;eufzend: &#x201A;Aber es hat ja Keiner das um uns ver-<lb/>
dient!&#x2018; &#x2014; &#x201A;Grade deshalb,&#x2018; &#x017F;prach ich, &#x201A;einen Spaß<lb/>
will doch der Men&#x017F;ch an &#x017F;einem ern&#x017F;ten Hochzeitstage<lb/>
haben, al&#x017F;o laß mir dies Vergnügen. Und dann &#x017F;oll&#x017F;t<lb/>
Du mal &#x017F;ehen: der Scherz lohnt &#x017F;ich zugleich und hat<lb/>
Folgen.&#x2018; &#x2014; &#x201A;Du mein&#x017F;t, &#x017F;ie vergeben uns nachher das<lb/>
Leid, das &#x017F;ie uns angethan haben, und die rothe<lb/>
Schanze darf &#x017F;ich wieder &#x017F;ehen la&#x017F;&#x017F;en unter den<lb/>
Leuten?&#x2018; &#x2014; Auf die&#x017F;e lächerliche Frage antwortete<lb/>
ich gar nicht; &#x017F;ie war zu ent&#x017F;chuldigen, aber zeugte<lb/>
doch von allzuwenig Men&#x017F;chenkenntniß. Ich wu&#x017F;ch,<lb/>
wie Euer Ket&#x017F;chwayo &#x017F;ich ausgedrückt haben würde,<lb/>
Eduard, meine Speere in den Eingeweiden der um-<lb/>
wohnenden feindlichen Stämme: frei Futter wurde<lb/>
für den Tag ausgerufen, &#x017F;o weit das Gerücht von<lb/>
Kienbaum und Kienbaums Mörder gereicht hatte,<lb/>
und ich habe &#x017F;ie Alle, oder doch beinahe Alle, auf<lb/>
Quakatzens Hofe gehabt an dem men&#x017F;chenfreund-<lb/>
lich&#x017F;ten Tage meines Lebens. Sie haben uns Alle,<lb/>
bis auf Wenige, welche ich für magenkrank hielt, die<lb/>
Ehre gegeben: der Flei&#x017F;chtopf rief, und Alle, Alle<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[192/0202] Durſt ſelbſtverſtändlich gar nicht mitgerechnet. Unter der Hecke noch hatte ich mir ſchon als Junge feſt vorgenommen, nur bei ähnlichen, oder vielmehr nur bei gleichen Keſſeln, Pfannen, Töpfen und Bratenwen- dern auch einmal ein Mädchen glücklich zu machen! Jetzt war ich ſo weit und konnte die Gegend einladen, mir über die Hecke bei dem Vergnügen zuzuſehen. Tinchens Meinung war das ſo; aber nicht die mei- nige, und das bräutliche Kind gab nach, wenn auch ſeufzend: ‚Aber es hat ja Keiner das um uns ver- dient!‘ — ‚Grade deshalb,‘ ſprach ich, ‚einen Spaß will doch der Menſch an ſeinem ernſten Hochzeitstage haben, alſo laß mir dies Vergnügen. Und dann ſollſt Du mal ſehen: der Scherz lohnt ſich zugleich und hat Folgen.‘ — ‚Du meinſt, ſie vergeben uns nachher das Leid, das ſie uns angethan haben, und die rothe Schanze darf ſich wieder ſehen laſſen unter den Leuten?‘ — Auf dieſe lächerliche Frage antwortete ich gar nicht; ſie war zu entſchuldigen, aber zeugte doch von allzuwenig Menſchenkenntniß. Ich wuſch, wie Euer Ketſchwayo ſich ausgedrückt haben würde, Eduard, meine Speere in den Eingeweiden der um- wohnenden feindlichen Stämme: frei Futter wurde für den Tag ausgerufen, ſo weit das Gerücht von Kienbaum und Kienbaums Mörder gereicht hatte, und ich habe ſie Alle, oder doch beinahe Alle, auf Quakatzens Hofe gehabt an dem menſchenfreund- lichſten Tage meines Lebens. Sie haben uns Alle, bis auf Wenige, welche ich für magenkrank hielt, die Ehre gegeben: der Fleiſchtopf rief, und Alle, Alle

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/202
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/202>, abgerufen am 24.11.2024.