dem heutigen Tage zu schließen. Emerentia, ich glaube Sie werden gerufen."
"Er war noch nicht von Gerichtswegen ent- mündigt worden, unser armer, lieber Vater, Herr Freund!" schluchzte Frau Schaumann. "Heinrich, Du brauchst jetzt wirklich nicht mehr mit Litteratur- Personen und Geschichten zu kommen, um zu sagen was Du zu sagen hast. Ja, Herr Eduard, es war so! sie hatten dem Vater nur noch keinen Vormund be- stellt von Gerichtswegen bis Heinrich kam, wenn es auch manchmal noch so nöthig gewesen wäre. Und es war auch noch nicht so nöthig; denn am nächsten Morgen begriff er ganz gut, um was es sich für ihn und für mich handelte, und jetzt kam es erst heraus, wie sehr die Vorsehung ihre Hand im Spiel gehabt hatte als sie Heinrich mit dem unglücklichen Bauern von der rothen Schanze bekannt machte."
"Der Blindeste konnte die Sterne sehen, die hier geleuchtet hatten. Erst mit Dreck schmeißen und dann einander in die Arme. Und was die Be- fähigung, eine Landwirtschaft zu führen, anbetrifft, na, Eduard, so weißt Du ja auch wohl ein wenig aus Deinem afrikanischen Bauernleben wie sich das macht. Dir kam die Geschicklichkeit aus der [in]nersten lebendigen Natur, mir flog sie unter der Hecke an und auf Tinchens Birnenbaum und in der Speise- kammer der rothen Schanze. Ich hatte Tinchen Mist aufladen sehen, und -- was thut die Liebe nicht? -- ich nahm ihr die Gabel aus der Hand und probirte die Kunst ächzend ebenfalls. Der Mensch ist doch
dem heutigen Tage zu ſchließen. Emerentia, ich glaube Sie werden gerufen.“
„Er war noch nicht von Gerichtswegen ent- mündigt worden, unſer armer, lieber Vater, Herr Freund!“ ſchluchzte Frau Schaumann. „Heinrich, Du brauchſt jetzt wirklich nicht mehr mit Litteratur- Perſonen und Geſchichten zu kommen, um zu ſagen was Du zu ſagen haſt. Ja, Herr Eduard, es war ſo! ſie hatten dem Vater nur noch keinen Vormund be- ſtellt von Gerichtswegen bis Heinrich kam, wenn es auch manchmal noch ſo nöthig geweſen wäre. Und es war auch noch nicht ſo nöthig; denn am nächſten Morgen begriff er ganz gut, um was es ſich für ihn und für mich handelte, und jetzt kam es erſt heraus, wie ſehr die Vorſehung ihre Hand im Spiel gehabt hatte als ſie Heinrich mit dem unglücklichen Bauern von der rothen Schanze bekannt machte.“
„Der Blindeſte konnte die Sterne ſehen, die hier geleuchtet hatten. Erſt mit Dreck ſchmeißen und dann einander in die Arme. Und was die Be- fähigung, eine Landwirtſchaft zu führen, anbetrifft, na, Eduard, ſo weißt Du ja auch wohl ein wenig aus Deinem afrikaniſchen Bauernleben wie ſich das macht. Dir kam die Geſchicklichkeit aus der [in]nerſten lebendigen Natur, mir flog ſie unter der Hecke an und auf Tinchens Birnenbaum und in der Speiſe- kammer der rothen Schanze. Ich hatte Tinchen Miſt aufladen ſehen, und — was thut die Liebe nicht? — ich nahm ihr die Gabel aus der Hand und probirte die Kunſt ächzend ebenfalls. Der Menſch iſt doch
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dem heutigen Tage zu ſchließen. Emerentia, ich
glaube Sie werden gerufen.“
„Er war noch nicht von Gerichtswegen ent-
mündigt worden, unſer armer, lieber Vater, Herr
Freund!“ ſchluchzte Frau Schaumann. „Heinrich,
Du brauchſt jetzt wirklich nicht mehr mit Litteratur-
Perſonen und Geſchichten zu kommen, um zu ſagen
was Du zu ſagen haſt. Ja, Herr Eduard, es war
ſo! ſie hatten dem Vater nur noch keinen Vormund be-
ſtellt von Gerichtswegen bis Heinrich kam, wenn es
auch manchmal noch ſo nöthig geweſen wäre. Und es
war auch noch nicht ſo nöthig; denn am nächſten
Morgen begriff er ganz gut, um was es ſich für ihn
und für mich handelte, und jetzt kam es erſt heraus,
wie ſehr die Vorſehung ihre Hand im Spiel gehabt
hatte als ſie Heinrich mit dem unglücklichen Bauern
von der rothen Schanze bekannt machte.“
„Der Blindeſte konnte die Sterne ſehen, die
hier geleuchtet hatten. Erſt mit Dreck ſchmeißen und
dann einander in die Arme. Und was die Be-
fähigung, eine Landwirtſchaft zu führen, anbetrifft,
na, Eduard, ſo weißt Du ja auch wohl ein wenig
aus Deinem afrikaniſchen Bauernleben wie ſich das
macht. Dir kam die Geſchicklichkeit aus der innerſten
lebendigen Natur, mir flog ſie unter der Hecke an
und auf Tinchens Birnenbaum und in der Speiſe-
kammer der rothen Schanze. Ich hatte Tinchen Miſt
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ich nahm ihr die Gabel aus der Hand und probirte
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte" entstand ca. 1888/90. Der Text erschien zuerst 1891 in der Deutschen Roman-Zeitung (28. Jg., Nr. 1–6) und wurde für das Deutsche Textarchiv, gemäß den DTA-Leitlinien, nach der ersten selbstständigen Veröffentlichung digitalisiert.
Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/198>, abgerufen am 17.02.2025.
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