geordnete, und alle verlangten sie ein und dasselbe vom Profax, nämlich meine schleunige Abreise; (guck mal, Eduard, wie das Tinchen hierbei so vergnügt wie die Maus aus der Heede guckt!) gerade als ob Mutter Eruditia, unser germanisches verschleiertes Bild zu Sais, einen Menschen von meinem Gewicht so leicht wie einen Floh aus dem Gewande schüttele! Sie kamen auch zu mir. Sie schickten auch mir eine Deputation, eine Abordnung. Wenn nicht mit der Aufforderung, so doch mit der Bitte: ,Gehe uns aus dem Kasten!' Wer hätte so herzlichem Anflehen widerstehen können; zumal da auch von Hause ein ähnliches Rufen kam. Ich ging ihnen aus dem Kasten, und noch am Bahnhof war mancher, der sich schluchzend mir an den Hals hing: ,Bruder, laß uns das wenigstens von Deinem Wissen, wofür Du zu Hause gar keine Verwendung hast.' Natürlich sagte ich, mit einem Fuße im Wagen: ,Gerne!' und sagte damit keine Unwahrheit. Ich konnte ihnen in dieser Hinsicht mit Vergnügen Vieles da lassen. Ich war im Goldenen Arm wirklich gut im Zuge, spaß- haft in das Nichts zu sehen, bis ich plötzlich die Maulschelle heiß und brennend spürte, den Schlag auf die ironische Nase, den ich mir so wohl verdient hatte, nicht bloß an meinem armen kümmerlichen Erzeuger, sondern auch an diesen wohlverdienten und wohlverdienenden braven Philistern und guten Leuten und Staatsbürgern. -- Sagte Einer: ,Es geht also aus allem diesem einzig und allein hervor, Heinrich, daß Du Dich allein und einzig die ganzen Jahre durch
geordnete, und alle verlangten ſie ein und dasſelbe vom Profax, nämlich meine ſchleunige Abreiſe; (guck mal, Eduard, wie das Tinchen hierbei ſo vergnügt wie die Maus aus der Heede guckt!) gerade als ob Mutter Eruditia, unſer germaniſches verſchleiertes Bild zu Sais, einen Menſchen von meinem Gewicht ſo leicht wie einen Floh aus dem Gewande ſchüttele! Sie kamen auch zu mir. Sie ſchickten auch mir eine Deputation, eine Abordnung. Wenn nicht mit der Aufforderung, ſo doch mit der Bitte: ‚Gehe uns aus dem Kaſten!‘ Wer hätte ſo herzlichem Anflehen widerſtehen können; zumal da auch von Hauſe ein ähnliches Rufen kam. Ich ging ihnen aus dem Kaſten, und noch am Bahnhof war mancher, der ſich ſchluchzend mir an den Hals hing: ‚Bruder, laß uns das wenigſtens von Deinem Wiſſen, wofür Du zu Hauſe gar keine Verwendung haſt.‘ Natürlich ſagte ich, mit einem Fuße im Wagen: ‚Gerne!‘ und ſagte damit keine Unwahrheit. Ich konnte ihnen in dieſer Hinſicht mit Vergnügen Vieles da laſſen. Ich war im Goldenen Arm wirklich gut im Zuge, ſpaß- haft in das Nichts zu ſehen, bis ich plötzlich die Maulſchelle heiß und brennend ſpürte, den Schlag auf die ironiſche Naſe, den ich mir ſo wohl verdient hatte, nicht bloß an meinem armen kümmerlichen Erzeuger, ſondern auch an dieſen wohlverdienten und wohlverdienenden braven Philiſtern und guten Leuten und Staatsbürgern. — Sagte Einer: ‚Es geht alſo aus allem dieſem einzig und allein hervor, Heinrich, daß Du Dich allein und einzig die ganzen Jahre durch
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geordnete, und alle verlangten ſie ein und dasſelbe
vom Profax, nämlich meine ſchleunige Abreiſe; (guck
mal, Eduard, wie das Tinchen hierbei ſo vergnügt
wie die Maus aus der Heede guckt!) gerade als ob
Mutter Eruditia, unſer germaniſches verſchleiertes
Bild zu Sais, einen Menſchen von meinem Gewicht
ſo leicht wie einen Floh aus dem Gewande ſchüttele!
Sie kamen auch zu mir. Sie ſchickten auch mir eine
Deputation, eine Abordnung. Wenn nicht mit der
Aufforderung, ſo doch mit der Bitte: ‚Gehe uns
aus dem Kaſten!‘ Wer hätte ſo herzlichem Anflehen
widerſtehen können; zumal da auch von Hauſe ein
ähnliches Rufen kam. Ich ging ihnen aus dem
Kaſten, und noch am Bahnhof war mancher, der
ſich ſchluchzend mir an den Hals hing: ‚Bruder, laß
uns das wenigſtens von Deinem Wiſſen, wofür Du
zu Hauſe gar keine Verwendung haſt.‘ Natürlich
ſagte ich, mit einem Fuße im Wagen: ‚Gerne!‘ und
ſagte damit keine Unwahrheit. Ich konnte ihnen in
dieſer Hinſicht mit Vergnügen Vieles da laſſen. Ich
war im Goldenen Arm wirklich gut im Zuge, ſpaß-
haft in das Nichts zu ſehen, bis ich plötzlich die
Maulſchelle heiß und brennend ſpürte, den Schlag
auf die ironiſche Naſe, den ich mir ſo wohl verdient
hatte, nicht bloß an meinem armen kümmerlichen
Erzeuger, ſondern auch an dieſen wohlverdienten und
wohlverdienenden braven Philiſtern und guten Leuten
und Staatsbürgern. — Sagte Einer: ‚Es geht alſo aus
allem dieſem einzig und allein hervor, Heinrich, daß
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte" entstand ca. 1888/90. Der Text erschien zuerst 1891 in der Deutschen Roman-Zeitung (28. Jg., Nr. 1–6) und wurde für das Deutsche Textarchiv, gemäß den DTA-Leitlinien, nach der ersten selbstständigen Veröffentlichung digitalisiert.
Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/192>, abgerufen am 23.11.2024.
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