Rad murmeln zu hören, bis die Hunde allesammt mit einemmale anschlugen, als ob auch noch der ganze siebenjährige Krieg auf der rothen Schanze von Neuem angehe!"
"Philosophie der Geschichte, Eduard!" brummte Heinrich. "Auch der alte Fritze hatte keine Ahnung davon, wie nahe er dem Hubertusburger Frieden war, als die Kaiserin Katharine ihm seinen guten Freund Peter abgurgelte und ihre Russen ihm wieder aus den Händen, unter der Nase und aus seiner Ordre de bataille wegnahm. Es kam nur der Hu- bertusburger Frieden für die rothe Schanze, Eduard."
"Nämlich selbst der Vater, den sonst so etwas damals gar nicht mehr aufregte, fuhr aus dem Stuhl und zitterte und wimmerte leise: ,Jetzt kommen sie!' Und ich, die ich mir alles schon längst für solche Fälle zurechtphantasiert hatte: was thust Du, wenn es mal mitten in der Nacht so kommt? ich griff nach dem Hackemesser, das ich mir immer unter die Kommode geschoben hielt und faßte es hiebgerecht und sagte so gelassen wie möglich: ,Einer wenigstens geht mit, wenn es endlich so sein soll!' Es kam aber gottlob anders."
"Selbstverständlich!" brummte Heinrich.
"Die Hunde, die sich eben noch die Seele aus dem Leibe gebellt hatten, gaben mit einemmale keinen Laut mehr; und ich dachte auch da schon wieder an Gift, ohne zu bedenken, daß das doch recht schnell gewirkt haben müßte. Ich hatte das Ohr am Fenster- laden und das Hackmesser mit der Schärfe auf der
Rad murmeln zu hören, bis die Hunde alleſammt mit einemmale anſchlugen, als ob auch noch der ganze ſiebenjährige Krieg auf der rothen Schanze von Neuem angehe!“
„Philoſophie der Geſchichte, Eduard!“ brummte Heinrich. „Auch der alte Fritze hatte keine Ahnung davon, wie nahe er dem Hubertusburger Frieden war, als die Kaiſerin Katharine ihm ſeinen guten Freund Peter abgurgelte und ihre Ruſſen ihm wieder aus den Händen, unter der Naſe und aus ſeiner Ordre de bataille wegnahm. Es kam nur der Hu- bertusburger Frieden für die rothe Schanze, Eduard.“
„Nämlich ſelbſt der Vater, den ſonſt ſo etwas damals gar nicht mehr aufregte, fuhr aus dem Stuhl und zitterte und wimmerte leiſe: ‚Jetzt kommen ſie!‘ Und ich, die ich mir alles ſchon längſt für ſolche Fälle zurechtphantaſiert hatte: was thuſt Du, wenn es mal mitten in der Nacht ſo kommt? ich griff nach dem Hackemeſſer, das ich mir immer unter die Kommode geſchoben hielt und faßte es hiebgerecht und ſagte ſo gelaſſen wie möglich: ‚Einer wenigſtens geht mit, wenn es endlich ſo ſein ſoll!‘ Es kam aber gottlob anders.“
„Selbſtverſtändlich!“ brummte Heinrich.
„Die Hunde, die ſich eben noch die Seele aus dem Leibe gebellt hatten, gaben mit einemmale keinen Laut mehr; und ich dachte auch da ſchon wieder an Gift, ohne zu bedenken, daß das doch recht ſchnell gewirkt haben müßte. Ich hatte das Ohr am Fenſter- laden und das Hackmeſſer mit der Schärfe auf der
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Rad murmeln zu hören, bis die Hunde alleſammt mit
einemmale anſchlugen, als ob auch noch der ganze
ſiebenjährige Krieg auf der rothen Schanze von Neuem
angehe!“
„Philoſophie der Geſchichte, Eduard!“ brummte
Heinrich. „Auch der alte Fritze hatte keine Ahnung
davon, wie nahe er dem Hubertusburger Frieden
war, als die Kaiſerin Katharine ihm ſeinen guten
Freund Peter abgurgelte und ihre Ruſſen ihm wieder
aus den Händen, unter der Naſe und aus ſeiner
Ordre de bataille wegnahm. Es kam nur der Hu-
bertusburger Frieden für die rothe Schanze, Eduard.“
„Nämlich ſelbſt der Vater, den ſonſt ſo etwas
damals gar nicht mehr aufregte, fuhr aus dem Stuhl
und zitterte und wimmerte leiſe: ‚Jetzt kommen ſie!‘
Und ich, die ich mir alles ſchon längſt für ſolche
Fälle zurechtphantaſiert hatte: was thuſt Du, wenn
es mal mitten in der Nacht ſo kommt? ich griff nach
dem Hackemeſſer, das ich mir immer unter die Kommode
geſchoben hielt und faßte es hiebgerecht und ſagte ſo
gelaſſen wie möglich: ‚Einer wenigſtens geht mit,
wenn es endlich ſo ſein ſoll!‘ Es kam aber gottlob
anders.“
„Selbſtverſtändlich!“ brummte Heinrich.
„Die Hunde, die ſich eben noch die Seele aus
dem Leibe gebellt hatten, gaben mit einemmale keinen
Laut mehr; und ich dachte auch da ſchon wieder an
Gift, ohne zu bedenken, daß das doch recht ſchnell
gewirkt haben müßte. Ich hatte das Ohr am Fenſter-
laden und das Hackmeſſer mit der Schärfe auf der
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte" entstand ca. 1888/90. Der Text erschien zuerst 1891 in der Deutschen Roman-Zeitung (28. Jg., Nr. 1–6) und wurde für das Deutsche Textarchiv, gemäß den DTA-Leitlinien, nach der ersten selbstständigen Veröffentlichung digitalisiert.
Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/181>, abgerufen am 17.02.2025.
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