garnicht. Sie redete nur auf ihren Vater im Lehn- stuhl hinein, denn der war unruhiger als wie je, und immer verwirrter aus seinen eigenen und Anderer Mordgeschichten und Jurisprudenzen und Scharf- richtersachen. Den Namen Kienbaum, ja den konnte er immer finden und sagen! an diesem Abend; immer hatte er ihn auf der Zunge. Ja wohl, singen -- an dem Abend, Heinrich? In jedem Schneeanwehen gegen die Fenster und das Haus und die Gräben der rothen Schanze: Kienbaum! Kienbaum! Kienbaum! Singen? Nicht mal vor Angst! Aber todt wäre ich gerne gewesen, Herr Eduard! und da kam es mir fast wie eine Erlösung: ja, wenn jetzt so eine Bande bei euch einbräche, Deinen armen hülflosen Vater und Dich unnützes Geschöpf todtschlüge, und Alles nähme, was ich ihnen gerne gönnte, Alles, Alles, und über euch das Haus in Brand setzte und so dem Jammer, der Verlassenheit, dem Schimpf und der Schande auf einmal ein Ende machte! Singen? Ja wohl, nach dem Fenster hinhorchen und zwischen den Sturmstößen darauf passen, ob es nicht endlich, endlich als eine Gnade von Gott so komme! ob sich nicht endlich in dieser Hinsicht draußen was rühre! Aber es rührte sich nichts als, wie gesagt, der Wind und die Fensterläden, und dann und wann eine Stall- thür, die der Knecht offen gelassen hatte, und die hin und her schlug. Dazu im Haus allerlei Spuktöne und ein Eulenschrei vom Scheunengiebel. O, so da zu sitzen und mit den krampfigen Händen zwischen den Knieen, den Vater von Kienbaum, Galgen und
garnicht. Sie redete nur auf ihren Vater im Lehn- ſtuhl hinein, denn der war unruhiger als wie je, und immer verwirrter aus ſeinen eigenen und Anderer Mordgeſchichten und Jurisprudenzen und Scharf- richterſachen. Den Namen Kienbaum, ja den konnte er immer finden und ſagen! an dieſem Abend; immer hatte er ihn auf der Zunge. Ja wohl, ſingen — an dem Abend, Heinrich? In jedem Schneeanwehen gegen die Fenſter und das Haus und die Gräben der rothen Schanze: Kienbaum! Kienbaum! Kienbaum! Singen? Nicht mal vor Angſt! Aber todt wäre ich gerne geweſen, Herr Eduard! und da kam es mir faſt wie eine Erlöſung: ja, wenn jetzt ſo eine Bande bei euch einbräche, Deinen armen hülfloſen Vater und Dich unnützes Geſchöpf todtſchlüge, und Alles nähme, was ich ihnen gerne gönnte, Alles, Alles, und über euch das Haus in Brand ſetzte und ſo dem Jammer, der Verlaſſenheit, dem Schimpf und der Schande auf einmal ein Ende machte! Singen? Ja wohl, nach dem Fenſter hinhorchen und zwiſchen den Sturmſtößen darauf paſſen, ob es nicht endlich, endlich als eine Gnade von Gott ſo komme! ob ſich nicht endlich in dieſer Hinſicht draußen was rühre! Aber es rührte ſich nichts als, wie geſagt, der Wind und die Fenſterläden, und dann und wann eine Stall- thür, die der Knecht offen gelaſſen hatte, und die hin und her ſchlug. Dazu im Haus allerlei Spuktöne und ein Eulenſchrei vom Scheunengiebel. O, ſo da zu ſitzen und mit den krampfigen Händen zwiſchen den Knieen, den Vater von Kienbaum, Galgen und
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garnicht. Sie redete nur auf ihren Vater im Lehn-
ſtuhl hinein, denn der war unruhiger als wie je, und
immer verwirrter aus ſeinen eigenen und Anderer
Mordgeſchichten und Jurisprudenzen und Scharf-
richterſachen. Den Namen Kienbaum, ja den konnte
er immer finden und ſagen! an dieſem Abend; immer
hatte er ihn auf der Zunge. Ja wohl, ſingen —
an dem Abend, Heinrich? In jedem Schneeanwehen
gegen die Fenſter und das Haus und die Gräben
der rothen Schanze: Kienbaum! Kienbaum! Kienbaum!
Singen? Nicht mal vor Angſt! Aber todt wäre ich
gerne geweſen, Herr Eduard! und da kam es mir
faſt wie eine Erlöſung: ja, wenn jetzt ſo eine Bande
bei euch einbräche, Deinen armen hülfloſen Vater
und Dich unnützes Geſchöpf todtſchlüge, und Alles
nähme, was ich ihnen gerne gönnte, Alles, Alles,
und über euch das Haus in Brand ſetzte und ſo
dem Jammer, der Verlaſſenheit, dem Schimpf und
der Schande auf einmal ein Ende machte! Singen?
Ja wohl, nach dem Fenſter hinhorchen und zwiſchen
den Sturmſtößen darauf paſſen, ob es nicht endlich,
endlich als eine Gnade von Gott ſo komme! ob ſich
nicht endlich in dieſer Hinſicht draußen was rühre!
Aber es rührte ſich nichts als, wie geſagt, der Wind
und die Fenſterläden, und dann und wann eine Stall-
thür, die der Knecht offen gelaſſen hatte, und die hin
und her ſchlug. Dazu im Haus allerlei Spuktöne
und ein Eulenſchrei vom Scheunengiebel. O, ſo da
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte" entstand ca. 1888/90. Der Text erschien zuerst 1891 in der Deutschen Roman-Zeitung (28. Jg., Nr. 1–6) und wurde für das Deutsche Textarchiv, gemäß den DTA-Leitlinien, nach der ersten selbstständigen Veröffentlichung digitalisiert.
Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/180>, abgerufen am 24.11.2024.
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