Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

kuchen, wir sind immer noch bei Deiner Idylle und
nicht der unseres theuern afrikanischen Gastfreundes."

Die Frau Valentine warf mir einen Blick zu,
der wieder nur bedeuten konnte: Wer kann wider
Gott und Groß-Nowgorod? Es war gegen den
Menschen nicht anzuerzählen. Sie gab es auf, nahm
dafür ihr Strickzeug wieder und überließ ihren Dicken
seiner Rednergabe und, wie sie sich ausdrückte, seinem
doch besseren Verständniß. Daß sie wohl hoffte, auf
diese Art am Ende doch noch etwas früher zu er-
fahren, wer Kienbaum todtgeschlagen und das Lebens-
elend ihres Vaters dazu auf dem Gewissen gehabt
hatte, trug wohl dazu bei, daß sie sich den Anschein
gab, von jetzt an ruhig weiter zu stricken.

"Ich sagte ihr also ganz einfach, wenn mal die
Welt wieder ein wenig mehr als gewöhnlich die Katze
gegen sie gespielt hatte, oder, was auch vorkam, sie
die Katze gegen die Welt zu spielen wünschte und
mit ausgespreizten Krallen fauchend gegen sie anfuhr,
bemerke beiläufig die sich hier ganz von selber
gebende, weich hinfließende Alliteration, Eduard; ich
sagte ihr also: ,Schatz, friß mich nicht; aber Mädchen
friß es aus und friß Dich durch und, bei Gott, ich
helfe Dir dabei!' Mit dem herzigen Wort und Rath
nahm ich sie am Wickel, holte sie so peu a peu aus
sich heraus und mir allgemach die ganze rothe Schanze,
den Papa Quakatz eingeschlossen. Wir fraßen es zu-
sammen aus und fraßen uns durch, wir armen
Würmer. Für Alles, mit welchem ich meinerseits da
unten in der Stadt und in eurer Schule nicht aus

kuchen, wir ſind immer noch bei Deiner Idylle und
nicht der unſeres theuern afrikaniſchen Gaſtfreundes.“

Die Frau Valentine warf mir einen Blick zu,
der wieder nur bedeuten konnte: Wer kann wider
Gott und Groß-Nowgorod? Es war gegen den
Menſchen nicht anzuerzählen. Sie gab es auf, nahm
dafür ihr Strickzeug wieder und überließ ihren Dicken
ſeiner Rednergabe und, wie ſie ſich ausdrückte, ſeinem
doch beſſeren Verſtändniß. Daß ſie wohl hoffte, auf
dieſe Art am Ende doch noch etwas früher zu er-
fahren, wer Kienbaum todtgeſchlagen und das Lebens-
elend ihres Vaters dazu auf dem Gewiſſen gehabt
hatte, trug wohl dazu bei, daß ſie ſich den Anſchein
gab, von jetzt an ruhig weiter zu ſtricken.

„Ich ſagte ihr alſo ganz einfach, wenn mal die
Welt wieder ein wenig mehr als gewöhnlich die Katze
gegen ſie geſpielt hatte, oder, was auch vorkam, ſie
die Katze gegen die Welt zu ſpielen wünſchte und
mit ausgeſpreizten Krallen fauchend gegen ſie anfuhr,
bemerke beiläufig die ſich hier ganz von ſelber
gebende, weich hinfließende Alliteration, Eduard; ich
ſagte ihr alſo: ‚Schatz, friß mich nicht; aber Mädchen
friß es aus und friß Dich durch und, bei Gott, ich
helfe Dir dabei!Mit dem herzigen Wort und Rath
nahm ich ſie am Wickel, holte ſie ſo peu à peu aus
ſich heraus und mir allgemach die ganze rothe Schanze,
den Papa Quakatz eingeſchloſſen. Wir fraßen es zu-
ſammen aus und fraßen uns durch, wir armen
Würmer. Für Alles, mit welchem ich meinerſeits da
unten in der Stadt und in eurer Schule nicht aus

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0163" n="153"/>
kuchen, wir &#x017F;ind immer noch bei Deiner Idylle und<lb/>
nicht der un&#x017F;eres theuern afrikani&#x017F;chen Ga&#x017F;tfreundes.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Die Frau Valentine warf mir einen Blick zu,<lb/>
der wieder nur bedeuten konnte: Wer kann wider<lb/>
Gott und Groß-Nowgorod? Es war gegen den<lb/>
Men&#x017F;chen nicht anzuerzählen. Sie gab es auf, nahm<lb/>
dafür ihr Strickzeug wieder und überließ ihren Dicken<lb/>
&#x017F;einer Rednergabe und, wie &#x017F;ie &#x017F;ich ausdrückte, &#x017F;einem<lb/>
doch be&#x017F;&#x017F;eren Ver&#x017F;tändniß. Daß &#x017F;ie wohl hoffte, auf<lb/>
die&#x017F;e Art am Ende doch noch etwas früher zu er-<lb/>
fahren, wer Kienbaum todtge&#x017F;chlagen und das Lebens-<lb/>
elend ihres Vaters dazu auf dem Gewi&#x017F;&#x017F;en gehabt<lb/>
hatte, trug wohl dazu bei, daß &#x017F;ie &#x017F;ich den An&#x017F;chein<lb/>
gab, von jetzt an ruhig weiter zu &#x017F;tricken.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich &#x017F;agte ihr al&#x017F;o ganz einfach, wenn mal die<lb/>
Welt wieder ein wenig mehr als gewöhnlich die Katze<lb/>
gegen &#x017F;ie ge&#x017F;pielt hatte, oder, was auch vorkam, &#x017F;ie<lb/>
die Katze gegen die Welt zu &#x017F;pielen wün&#x017F;chte und<lb/>
mit ausge&#x017F;preizten Krallen fauchend gegen &#x017F;ie anfuhr,<lb/>
bemerke beiläufig die &#x017F;ich hier ganz von &#x017F;elber<lb/>
gebende, weich hinfließende Alliteration, Eduard; ich<lb/>
&#x017F;agte ihr al&#x017F;o: &#x201A;Schatz, friß mich nicht; aber Mädchen<lb/>
friß es aus und friß Dich durch und, bei Gott, ich<lb/>
helfe Dir dabei!<choice><sic> &#x2018;</sic><corr>&#x2018; </corr></choice>Mit dem herzigen Wort und Rath<lb/>
nahm ich &#x017F;ie am Wickel, holte &#x017F;ie &#x017F;o <hi rendition="#aq">peu à peu</hi> aus<lb/>
&#x017F;ich heraus und mir allgemach die ganze rothe Schanze,<lb/>
den Papa Quakatz einge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en. Wir fraßen es zu-<lb/>
&#x017F;ammen aus und fraßen uns durch, wir armen<lb/>
Würmer. Für Alles, mit welchem ich meiner&#x017F;eits da<lb/>
unten in der Stadt und in eurer Schule nicht aus<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[153/0163] kuchen, wir ſind immer noch bei Deiner Idylle und nicht der unſeres theuern afrikaniſchen Gaſtfreundes.“ Die Frau Valentine warf mir einen Blick zu, der wieder nur bedeuten konnte: Wer kann wider Gott und Groß-Nowgorod? Es war gegen den Menſchen nicht anzuerzählen. Sie gab es auf, nahm dafür ihr Strickzeug wieder und überließ ihren Dicken ſeiner Rednergabe und, wie ſie ſich ausdrückte, ſeinem doch beſſeren Verſtändniß. Daß ſie wohl hoffte, auf dieſe Art am Ende doch noch etwas früher zu er- fahren, wer Kienbaum todtgeſchlagen und das Lebens- elend ihres Vaters dazu auf dem Gewiſſen gehabt hatte, trug wohl dazu bei, daß ſie ſich den Anſchein gab, von jetzt an ruhig weiter zu ſtricken. „Ich ſagte ihr alſo ganz einfach, wenn mal die Welt wieder ein wenig mehr als gewöhnlich die Katze gegen ſie geſpielt hatte, oder, was auch vorkam, ſie die Katze gegen die Welt zu ſpielen wünſchte und mit ausgeſpreizten Krallen fauchend gegen ſie anfuhr, bemerke beiläufig die ſich hier ganz von ſelber gebende, weich hinfließende Alliteration, Eduard; ich ſagte ihr alſo: ‚Schatz, friß mich nicht; aber Mädchen friß es aus und friß Dich durch und, bei Gott, ich helfe Dir dabei!‘ Mit dem herzigen Wort und Rath nahm ich ſie am Wickel, holte ſie ſo peu à peu aus ſich heraus und mir allgemach die ganze rothe Schanze, den Papa Quakatz eingeſchloſſen. Wir fraßen es zu- ſammen aus und fraßen uns durch, wir armen Würmer. Für Alles, mit welchem ich meinerſeits da unten in der Stadt und in eurer Schule nicht aus

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/163
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/163>, abgerufen am 24.11.2024.