storbenen Herrn Vater, Frau Valentine Stopfkuchen," grinste Heinrich Schaumann unverbesserlich drein.
"Es war nur das Wort von einem Manne, der seinen Kopf und sein Herz seit Jahren, Jahren, Jahren mit beiden Händen hatte zusammenhalten müssen, auf daß ihm beides nicht in Wuth und Angst und Grimm und Schaam zerspringe. Wenn Einer damals nicht zu den Andern gehörte, Herr Eduard, so war das mein Mann. Nicht etwa weil er gerade so was Besonderes an sich gehabt hätte, sondern gerade vielleicht weil er das nicht hatte, und auch an uns in unserer Verscheuchung und Verschüchterung nichts Besonderes fand und mit uns wie mit ganz gewöhnlichen sonstigen Menschen in Verkehr und Umgang kam!" --
Frau Valentine hatte natürlich nicht im ge- ringsten eine Ahnung davon, welch ein wunderbar Zeugniß und Lob sie jetzt meinem Freunde ausstellte, und wie sehr sie mich zu den ganz Gewöhnlichen, den ganz Gemeinen, an jedem Wege Wachsenden warf: zu denen, die nur dreist in die Welt hinaus und nach Afrika laufen mochten, um ihre trivialen Aben- teurerhistorien zu erleben. Mein dickster Freund grinste wieder nur, war sich aber sicherlich klar über alles.
Die Frau fuhr fort:
"Er saß mit meinem Vater in der Stube und er lag mit mir auf unserm Wall gegen die Mensch- heit unterm Busch. Ja, gegen die Menschheit, Herr Eduard; denn jetzt warfen sie mit ihren Steinen auch
W. Raabe. Stopfkuchen. 10
ſtorbenen Herrn Vater, Frau Valentine Stopfkuchen,“ grinſte Heinrich Schaumann unverbeſſerlich drein.
„Es war nur das Wort von einem Manne, der ſeinen Kopf und ſein Herz ſeit Jahren, Jahren, Jahren mit beiden Händen hatte zuſammenhalten müſſen, auf daß ihm beides nicht in Wuth und Angſt und Grimm und Schaam zerſpringe. Wenn Einer damals nicht zu den Andern gehörte, Herr Eduard, ſo war das mein Mann. Nicht etwa weil er gerade ſo was Beſonderes an ſich gehabt hätte, ſondern gerade vielleicht weil er das nicht hatte, und auch an uns in unſerer Verſcheuchung und Verſchüchterung nichts Beſonderes fand und mit uns wie mit ganz gewöhnlichen ſonſtigen Menſchen in Verkehr und Umgang kam!“ —
Frau Valentine hatte natürlich nicht im ge- ringſten eine Ahnung davon, welch ein wunderbar Zeugniß und Lob ſie jetzt meinem Freunde ausſtellte, und wie ſehr ſie mich zu den ganz Gewöhnlichen, den ganz Gemeinen, an jedem Wege Wachſenden warf: zu denen, die nur dreiſt in die Welt hinaus und nach Afrika laufen mochten, um ihre trivialen Aben- teurerhiſtorien zu erleben. Mein dickſter Freund grinſte wieder nur, war ſich aber ſicherlich klar über alles.
Die Frau fuhr fort:
„Er ſaß mit meinem Vater in der Stube und er lag mit mir auf unſerm Wall gegen die Menſch- heit unterm Buſch. Ja, gegen die Menſchheit, Herr Eduard; denn jetzt warfen ſie mit ihren Steinen auch
W. Raabe. Stopfkuchen. 10
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ſtorbenen Herrn Vater, Frau Valentine Stopfkuchen,“
grinſte Heinrich Schaumann unverbeſſerlich drein.
„Es war nur das Wort von einem Manne,
der ſeinen Kopf und ſein Herz ſeit Jahren, Jahren,
Jahren mit beiden Händen hatte zuſammenhalten
müſſen, auf daß ihm beides nicht in Wuth und Angſt
und Grimm und Schaam zerſpringe. Wenn Einer
damals nicht zu den Andern gehörte, Herr Eduard,
ſo war das mein Mann. Nicht etwa weil er gerade
ſo was Beſonderes an ſich gehabt hätte, ſondern
gerade vielleicht weil er das nicht hatte, und auch an
uns in unſerer Verſcheuchung und Verſchüchterung
nichts Beſonderes fand und mit uns wie mit ganz
gewöhnlichen ſonſtigen Menſchen in Verkehr und
Umgang kam!“ —
Frau Valentine hatte natürlich nicht im ge-
ringſten eine Ahnung davon, welch ein wunderbar
Zeugniß und Lob ſie jetzt meinem Freunde ausſtellte,
und wie ſehr ſie mich zu den ganz Gewöhnlichen, den
ganz Gemeinen, an jedem Wege Wachſenden warf:
zu denen, die nur dreiſt in die Welt hinaus und
nach Afrika laufen mochten, um ihre trivialen Aben-
teurerhiſtorien zu erleben. Mein dickſter Freund
grinſte wieder nur, war ſich aber ſicherlich klar über
alles.
Die Frau fuhr fort:
„Er ſaß mit meinem Vater in der Stube und
er lag mit mir auf unſerm Wall gegen die Menſch-
heit unterm Buſch. Ja, gegen die Menſchheit, Herr
Eduard; denn jetzt warfen ſie mit ihren Steinen auch
W. Raabe. Stopfkuchen. 10
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte" entstand ca. 1888/90. Der Text erschien zuerst 1891 in der Deutschen Roman-Zeitung (28. Jg., Nr. 1–6) und wurde für das Deutsche Textarchiv, gemäß den DTA-Leitlinien, nach der ersten selbstständigen Veröffentlichung digitalisiert.
Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/155>, abgerufen am 17.02.2025.
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