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Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.

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heute bei Dir zu Hause im heißesten Afrika, und wäre
ich damals hierhergekommen, so wollte und könnte ich
ja garnichts dagegen sagen. Aber ich bitte Dich, erst
in der Eiszeit -- in der Eiszeit -- ist unter den ersten
Säugethieren auch der Mensch hier auf der rothen
Schanze aus Asien eingewandert -- und da soll ein
Nachkömmling von ihm heute im Sommer nicht
schwitzen, wenn er pietätvoll und wissenschaftlich nach
den ersten Spuren seiner Vorfahren hier um den
Aufwurf des Prinzen Xaver von Sachsen herum
nachsucht!"

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Keine Möglichkeit, heute weiter zu schreiben.
Das Schiff stößt allzusehr. Hohle See. Kapitän
unnahbar. Matrosen sehr beschäftigt und vernünf-
tigerweise ungemein grob. Niggersteward besoffen.
Passagiere -- "hol der Henker das Heulen! sie über-
schreien das Ungewitter und unsere Verrichtungen!
Heigh, my hearts! cheerly, cheerly, my hearts!
yare, yare!
" -- Siehe den Sturm, ein Zauber-
märchen von William Shakespeare, aber sieh ihn --
wenn es Dir irgend möglich ist -- ja nur von
einem sichern Sperrsitz oder sonst behaglichen Theater-
platz aus mit an.


Zwei Tage und zwei Nächte durch hat das Un-
wetter gedauert. Die "Riesen ängsteten sich unter
den Wassern," und "die bei ihnen wohnen" auch.

heute bei Dir zu Hauſe im heißeſten Afrika, und wäre
ich damals hierhergekommen, ſo wollte und könnte ich
ja garnichts dagegen ſagen. Aber ich bitte Dich, erſt
in der Eiszeit — in der Eiszeit — iſt unter den erſten
Säugethieren auch der Menſch hier auf der rothen
Schanze aus Aſien eingewandert — und da ſoll ein
Nachkömmling von ihm heute im Sommer nicht
ſchwitzen, wenn er pietätvoll und wiſſenſchaftlich nach
den erſten Spuren ſeiner Vorfahren hier um den
Aufwurf des Prinzen Xaver von Sachſen herum
nachſucht!“

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Keine Möglichkeit, heute weiter zu ſchreiben.
Das Schiff ſtößt allzuſehr. Hohle See. Kapitän
unnahbar. Matroſen ſehr beſchäftigt und vernünf-
tigerweiſe ungemein grob. Niggerſteward beſoffen.
Paſſagiere — „hol der Henker das Heulen! ſie über-
ſchreien das Ungewitter und unſere Verrichtungen!
Heigh, my hearts! cheerly, cheerly, my hearts!
yare, yare!
“ — Siehe den Sturm, ein Zauber-
märchen von William Shakeſpeare, aber ſieh ihn —
wenn es Dir irgend möglich iſt — ja nur von
einem ſichern Sperrſitz oder ſonſt behaglichen Theater-
platz aus mit an.


Zwei Tage und zwei Nächte durch hat das Un-
wetter gedauert. Die „Rieſen ängſteten ſich unter
den Waſſern,“ und „die bei ihnen wohnen“ auch.

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[133/0143] heute bei Dir zu Hauſe im heißeſten Afrika, und wäre ich damals hierhergekommen, ſo wollte und könnte ich ja garnichts dagegen ſagen. Aber ich bitte Dich, erſt in der Eiszeit — in der Eiszeit — iſt unter den erſten Säugethieren auch der Menſch hier auf der rothen Schanze aus Aſien eingewandert — und da ſoll ein Nachkömmling von ihm heute im Sommer nicht ſchwitzen, wenn er pietätvoll und wiſſenſchaftlich nach den erſten Spuren ſeiner Vorfahren hier um den Aufwurf des Prinzen Xaver von Sachſen herum nachſucht!“ — — — — — — — — — — — Keine Möglichkeit, heute weiter zu ſchreiben. Das Schiff ſtößt allzuſehr. Hohle See. Kapitän unnahbar. Matroſen ſehr beſchäftigt und vernünf- tigerweiſe ungemein grob. Niggerſteward beſoffen. Paſſagiere — „hol der Henker das Heulen! ſie über- ſchreien das Ungewitter und unſere Verrichtungen! Heigh, my hearts! cheerly, cheerly, my hearts! yare, yare!“ — Siehe den Sturm, ein Zauber- märchen von William Shakeſpeare, aber ſieh ihn — wenn es Dir irgend möglich iſt — ja nur von einem ſichern Sperrſitz oder ſonſt behaglichen Theater- platz aus mit an. Zwei Tage und zwei Nächte durch hat das Un- wetter gedauert. Die „Rieſen ängſteten ſich unter den Waſſern,“ und „die bei ihnen wohnen“ auch.

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/143>, abgerufen am 25.11.2024.