Zeit dunkel. Heute glaube ich es zu wissen. Von den Knochen der jüngern Vergangenheit gingen wir sodann zu denen der wirklichen Vorwelt über; und groß und bedeutend für mich war der Tag, lieber Eduard, an welchem mich der Bauer Quakatz zum erstenmal in einen verschlossenen Stall führte und auf einen sonderbaren Haufen zeigend fragte: ,Was ist das Junge?' Ja, was war es? ein ziemlich voll- ständiges Mammuthsgerippe war's und -- ,ich bin beim Kiesgraben hinterm Hofe drauf gestoßen,' sagte der Bauer; ,es liegt wohl noch mehr da; denn diese Schanze ist wohl so eine Anschwemmung von der Sündfluth her. Junge, Junge, von der Sündfluth her! Du weißt es nicht, wie es dem Bauer auf der rothen Schanze zu Muthe ist, wenn er in der Bibel von der Sündfluth liest; aber wenn Du in Deinen Büchern über das Knochenzeug was hast, so bringe es auch mit heraus; aber sage keinem Menschen davon, welch einen versteinerten Drachen Kienbaums Mörder zu seinem Troste in seiner Kiesgrube gefunden hat.' -- Ich habe keinem Menschen damals davon gesagt, welch interessanten Fund Tinchens Vater gemacht hat; aber wenn heute der Briefträger -- nicht mehr Freund Störzer -- nach der rothen Schanze herauskommt, so hat er, außer der Zeitung, gewöhnlich irgend etwas von irgend einer geologischen oder sonst in das Fach schlagenden Gesellschaft für Herrn Schaumann. Die Vorstellung, in einer spätern Schicht auch mal unter den merkwürdigen Versteinerungen gefunden zu werden, hat für den gemüthlich angelegten, denkenden Menschen,
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Zeit dunkel. Heute glaube ich es zu wiſſen. Von den Knochen der jüngern Vergangenheit gingen wir ſodann zu denen der wirklichen Vorwelt über; und groß und bedeutend für mich war der Tag, lieber Eduard, an welchem mich der Bauer Quakatz zum erſtenmal in einen verſchloſſenen Stall führte und auf einen ſonderbaren Haufen zeigend fragte: ‚Was iſt das Junge?‘ Ja, was war es? ein ziemlich voll- ſtändiges Mammuthsgerippe war's und — ‚ich bin beim Kiesgraben hinterm Hofe drauf geſtoßen,‘ ſagte der Bauer; ‚es liegt wohl noch mehr da; denn dieſe Schanze iſt wohl ſo eine Anſchwemmung von der Sündfluth her. Junge, Junge, von der Sündfluth her! Du weißt es nicht, wie es dem Bauer auf der rothen Schanze zu Muthe iſt, wenn er in der Bibel von der Sündfluth lieſt; aber wenn Du in Deinen Büchern über das Knochenzeug was haſt, ſo bringe es auch mit heraus; aber ſage keinem Menſchen davon, welch einen verſteinerten Drachen Kienbaums Mörder zu ſeinem Troſte in ſeiner Kiesgrube gefunden hat.‘ — Ich habe keinem Menſchen damals davon geſagt, welch intereſſanten Fund Tinchens Vater gemacht hat; aber wenn heute der Briefträger — nicht mehr Freund Störzer — nach der rothen Schanze herauskommt, ſo hat er, außer der Zeitung, gewöhnlich irgend etwas von irgend einer geologiſchen oder ſonſt in das Fach ſchlagenden Geſellſchaft für Herrn Schaumann. Die Vorſtellung, in einer ſpätern Schicht auch mal unter den merkwürdigen Verſteinerungen gefunden zu werden, hat für den gemüthlich angelegten, denkenden Menſchen,
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Zeit dunkel. Heute glaube ich es zu wiſſen. Von
den Knochen der jüngern Vergangenheit gingen wir
ſodann zu denen der wirklichen Vorwelt über; und
groß und bedeutend für mich war der Tag, lieber
Eduard, an welchem mich der Bauer Quakatz zum
erſtenmal in einen verſchloſſenen Stall führte und
auf einen ſonderbaren Haufen zeigend fragte: ‚Was
iſt das Junge?‘ Ja, was war es? ein ziemlich voll-
ſtändiges Mammuthsgerippe war's und — ‚ich bin beim
Kiesgraben hinterm Hofe drauf geſtoßen,‘ ſagte der
Bauer; ‚es liegt wohl noch mehr da; denn dieſe
Schanze iſt wohl ſo eine Anſchwemmung von der
Sündfluth her. Junge, Junge, von der Sündfluth her!
Du weißt es nicht, wie es dem Bauer auf der rothen
Schanze zu Muthe iſt, wenn er in der Bibel von der
Sündfluth lieſt; aber wenn Du in Deinen Büchern
über das Knochenzeug was haſt, ſo bringe es auch
mit heraus; aber ſage keinem Menſchen davon, welch
einen verſteinerten Drachen Kienbaums Mörder zu
ſeinem Troſte in ſeiner Kiesgrube gefunden hat.‘ —
Ich habe keinem Menſchen damals davon geſagt,
welch intereſſanten Fund Tinchens Vater gemacht hat;
aber wenn heute der Briefträger — nicht mehr Freund
Störzer — nach der rothen Schanze herauskommt, ſo
hat er, außer der Zeitung, gewöhnlich irgend etwas
von irgend einer geologiſchen oder ſonſt in das Fach
ſchlagenden Geſellſchaft für Herrn Schaumann. Die
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte" entstand ca. 1888/90. Der Text erschien zuerst 1891 in der Deutschen Roman-Zeitung (28. Jg., Nr. 1–6) und wurde für das Deutsche Textarchiv, gemäß den DTA-Leitlinien, nach der ersten selbstständigen Veröffentlichung digitalisiert.
Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/141>, abgerufen am 22.11.2024.
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