in der Falle sitzt, der sitzt drin; und nach einer un- heimlichen, zögernden, apfelkauenden Viertelstunde noch draußen saß ich noch mehr drinnen, saß ich mit dem vervehmten Mann von der rothen Schanze in seiner Stube, unserer heutigen Eßstube, Eduard, der Stube da, die Du in ihrer damaligen dumpfigen Unge- müthlichkeit bei unserm Jünglingsabschied kennen ge- lernt hast, Eduard. Da mein Zögern dem alten Herrn zu lange gedauert hatte, war er noch mal in den Garten gekommen, hatte mich am Oberarm ge- packt, in seine Mörderhöhle geführt und mich am Tische unter dem Groschenbild von Kain und Abel auf die Bank gedrückt und zwar mit den Worten: ,Was schlotterst Du, Junge? ich schneide Dir den Hals nicht ab.' -- Nachher ging er zu einem Schrank ich habe ihn heute durch meinen Koprolithenbehälter ersetzt, nahm ein dickes Buch in Schweinsleder hervor, legte es vor mich hin auf den Tisch, nachdem er eine Weile darin geblättert hatte, setzte sich zu mir, wie zu einem erwachsenen Mann und Rechtsanwalt, setzte den harten, knochigen Zeigefinger auf eine Stelle und sagte: ,Hier, Lateiner! Mache Du das mir mal auf Deine Art deutsch klar, ein Wort nach dem andern. Es ist das Korpusjuris, das Korpusjuris, das Korpusjuris, und ich will es mal von Einem auf deutsch vernehmen, der noch nichts von dem Korpusjuris, von dem Korpusjuris weiß!' Die Stelle war mit Rothkreide kräftig unterstrichen und ein Ohr war ins Blatt eingeschlagen, und Alles deutete darauf hin, daß hier öfters ein vor Aufregung zitternder
in der Falle ſitzt, der ſitzt drin; und nach einer un- heimlichen, zögernden, apfelkauenden Viertelſtunde noch draußen ſaß ich noch mehr drinnen, ſaß ich mit dem vervehmten Mann von der rothen Schanze in ſeiner Stube, unſerer heutigen Eßſtube, Eduard, der Stube da, die Du in ihrer damaligen dumpfigen Unge- müthlichkeit bei unſerm Jünglingsabſchied kennen ge- lernt haſt, Eduard. Da mein Zögern dem alten Herrn zu lange gedauert hatte, war er noch mal in den Garten gekommen, hatte mich am Oberarm ge- packt, in ſeine Mörderhöhle geführt und mich am Tiſche unter dem Groſchenbild von Kain und Abel auf die Bank gedrückt und zwar mit den Worten: ‚Was ſchlotterſt Du, Junge? ich ſchneide Dir den Hals nicht ab.‘ — Nachher ging er zu einem Schrank ich habe ihn heute durch meinen Koprolithenbehälter erſetzt, nahm ein dickes Buch in Schweinsleder hervor, legte es vor mich hin auf den Tiſch, nachdem er eine Weile darin geblättert hatte, ſetzte ſich zu mir, wie zu einem erwachſenen Mann und Rechtsanwalt, ſetzte den harten, knochigen Zeigefinger auf eine Stelle und ſagte: ‚Hier, Lateiner! Mache Du das mir mal auf Deine Art deutſch klar, ein Wort nach dem andern. Es iſt das Korpusjuris, das Korpusjuris, das Korpusjuris, und ich will es mal von Einem auf deutſch vernehmen, der noch nichts von dem Korpusjuris, von dem Korpusjuris weiß!‘ Die Stelle war mit Rothkreide kräftig unterſtrichen und ein Ohr war ins Blatt eingeſchlagen, und Alles deutete darauf hin, daß hier öfters ein vor Aufregung zitternder
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0129"n="119"/>
in der Falle ſitzt, der ſitzt drin; und nach einer un-<lb/>
heimlichen, zögernden, apfelkauenden Viertelſtunde noch<lb/>
draußen ſaß ich noch mehr drinnen, ſaß ich mit dem<lb/>
vervehmten Mann von der rothen Schanze in ſeiner<lb/>
Stube, unſerer heutigen Eßſtube, Eduard, der Stube<lb/>
da, die Du in ihrer damaligen dumpfigen Unge-<lb/>
müthlichkeit bei unſerm Jünglingsabſchied kennen ge-<lb/>
lernt haſt, Eduard. Da mein Zögern dem alten<lb/>
Herrn zu lange gedauert hatte, war er noch mal in<lb/>
den Garten gekommen, hatte mich am Oberarm ge-<lb/>
packt, in ſeine Mörderhöhle geführt und mich am<lb/>
Tiſche unter dem Groſchenbild von Kain und Abel<lb/>
auf die Bank gedrückt und zwar mit den Worten:<lb/>‚Was ſchlotterſt Du, Junge? ich ſchneide Dir den<lb/>
Hals nicht ab.‘— Nachher ging er zu einem Schrank<lb/>
ich habe ihn heute durch meinen Koprolithenbehälter<lb/>
erſetzt, nahm ein dickes Buch in Schweinsleder hervor,<lb/>
legte es vor mich hin auf den Tiſch, nachdem er<lb/>
eine Weile darin geblättert hatte, ſetzte ſich zu mir,<lb/>
wie zu einem erwachſenen Mann und Rechtsanwalt,<lb/>ſetzte den harten, knochigen Zeigefinger auf eine Stelle<lb/>
und ſagte: ‚Hier, Lateiner! Mache Du das mir mal<lb/>
auf Deine Art deutſch klar, ein Wort nach dem<lb/>
andern. Es iſt das Korpusjuris, das Korpusjuris,<lb/>
das Korpusjuris, und ich will es mal von Einem<lb/>
auf deutſch vernehmen, der noch nichts von dem<lb/>
Korpusjuris, von dem Korpusjuris weiß!‘ Die Stelle<lb/>
war mit Rothkreide kräftig unterſtrichen und ein Ohr<lb/>
war ins Blatt eingeſchlagen, und Alles deutete darauf<lb/>
hin, daß hier öfters ein vor Aufregung zitternder<lb/></p></div></body></text></TEI>
[119/0129]
in der Falle ſitzt, der ſitzt drin; und nach einer un-
heimlichen, zögernden, apfelkauenden Viertelſtunde noch
draußen ſaß ich noch mehr drinnen, ſaß ich mit dem
vervehmten Mann von der rothen Schanze in ſeiner
Stube, unſerer heutigen Eßſtube, Eduard, der Stube
da, die Du in ihrer damaligen dumpfigen Unge-
müthlichkeit bei unſerm Jünglingsabſchied kennen ge-
lernt haſt, Eduard. Da mein Zögern dem alten
Herrn zu lange gedauert hatte, war er noch mal in
den Garten gekommen, hatte mich am Oberarm ge-
packt, in ſeine Mörderhöhle geführt und mich am
Tiſche unter dem Groſchenbild von Kain und Abel
auf die Bank gedrückt und zwar mit den Worten:
‚Was ſchlotterſt Du, Junge? ich ſchneide Dir den
Hals nicht ab.‘ — Nachher ging er zu einem Schrank
ich habe ihn heute durch meinen Koprolithenbehälter
erſetzt, nahm ein dickes Buch in Schweinsleder hervor,
legte es vor mich hin auf den Tiſch, nachdem er
eine Weile darin geblättert hatte, ſetzte ſich zu mir,
wie zu einem erwachſenen Mann und Rechtsanwalt,
ſetzte den harten, knochigen Zeigefinger auf eine Stelle
und ſagte: ‚Hier, Lateiner! Mache Du das mir mal
auf Deine Art deutſch klar, ein Wort nach dem
andern. Es iſt das Korpusjuris, das Korpusjuris,
das Korpusjuris, und ich will es mal von Einem
auf deutſch vernehmen, der noch nichts von dem
Korpusjuris, von dem Korpusjuris weiß!‘ Die Stelle
war mit Rothkreide kräftig unterſtrichen und ein Ohr
war ins Blatt eingeſchlagen, und Alles deutete darauf
hin, daß hier öfters ein vor Aufregung zitternder
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte" entstand ca. 1888/90. Der Text erschien zuerst 1891 in der Deutschen Roman-Zeitung (28. Jg., Nr. 1–6) und wurde für das Deutsche Textarchiv, gemäß den DTA-Leitlinien, nach der ersten selbstständigen Veröffentlichung digitalisiert.
Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/129>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.